- Ihr Zeugnis: Was steht (nicht) drin?
- Der Zeugniscode: Entschlüsseln der Formulierungen im Arbeitszeugnis
- Der Zeugnisratgeber: Was zu beachten ist
- Entscheidung des BAG: „Befriedigend“ ist solide
Ihr Zeugnis: Was steht (nicht) drin?
Das ist das Verstehen eines Arbeitszeugnisses ist meist wie das Lesen im Kaffeesatz. Grundsätzlich gilt zwar das Gebot der Zeugnisklarheit, also, dass das Zeugnis klar und verständlich formuliert sein muss. Außerdem darf es nicht so formuliert sein, dass es andere als die wortwörtlichen Aussagen über den Mitarbeiter enthält.
Das schließt aber grundsätzlich nicht aus, dass der Arbeitgeber einige typische Formulierungen im Arbeitszeugnis anbringt (BAG 23. September 1992 – 5 AZR 573/91), wie einen Zeugniscode. Verboten ist dagegen das Weglassen gängiger Punkte, die man als künftiger Chef erwarten könnte (sogenanntes „beredtes Schweigen“). Trifft ein Arbeitgeber beispielsweise keine Äußerungen über die Stressbelastbarkeit eines Terminarbeiters, ist das eine unklare, potentiell negative Wertung und damit nicht erlaubt (BAG Urteil vom 12.08.2008 – 9 AZR 632/07).
Der Zeugniscode: Entschlüsseln der Formulierungen im Arbeitszeugnis
Dennoch haben sich über die Zeit Standards eingebürgert, mit denen der Arbeitgeber ausdrücken kann, was er wirklich von seinem Mitarbeiter hält. Dieser sogenannte Zeugniscode folgt einem ähnlichen Muster, ist in den genauen Ausprägungen aber selbst für Experten verwirrend. Für eine Studie setzte das Manager Magazin vor kurzem vier Personalchefs über ein Musterzeugnis und ließ es bewerten – mit völlig unterschiedlichen Ergebnissen. Das ist kein Einzelfall. Durch die Beratung eines Fachanwalts können Sie Klarheit darüber gewinnen, wie sich Ihr Zeugnis auf Ihre zukünftigen Bewerbungen auswirken kann.
Trotz der starken Einzelfallbezogenheit von Arbeitszeugnissen lassen sich einige allgemein gängige Regeln festhalten:
1. Der Aufbau: Beginnt mit der Einleitung, Ihrem Namen und Geburtsdatum, der Stellenbezeichnung und Ihrem Eintrittstermin. Dann stellt sich die Firma in knappen Sätzen mit einigen Standardangaben, wie Firmengröße, Fachgebiet und Organisationsform, vor. Anschließend (meist stichpunktartig) folgt Ihre Aufgabenbeschreibung, immer sachlich-neutral und beginnend mit der wichtigsten Aufgabe. Erst dann kommt der spannende Teil, nämlich Ihre Leistungsbeurteilung. Sie besteht aus verschiedenen Einzelaussagen und einer abschließenden Gesamtbeurteilung.
2. Die Einzelaussagen beziehen sich regelmäßig auf
- Arbeitsweise
- Arbeitsbereitschaft
- Arbeitsbefähigung
- Arbeitserfolg
- Führungsverhalten
In einigen Branchen können weitere Punkte hinzukommen oder wegfallen. Ist aber eine dieser Kategorien erwähnt, aber nicht vollständig aufgeführt, kann das bereits eine negative Beurteilung darstellen. Es kommt bei jedem Zeugnis und jedem Unternehmen auf den Einzelfall an.
Wie in der Schule folgt auch dann eine Gesamtnote, die im Grunde das widerspiegeln sollte, was vorher aufgezählt wurde. Die Bewertung lässt sich grob in vier Schulnoten gliedern:
- Sehr gut: stets/immer zu unserer vollsten Zufriedenheit; Übertraf jederzeit unsere Erwartungen; in jeder Hinsicht sehr gut; …
- Gut: stets zu unserer vollen Zufriedenheit; waren jederzeit gut; …
- Befriedigend: zu unserer vollen Zufriedenheit
- Ausreichend oder schlechter: zu unserer Zufriedenheit; allen Aufgaben hat er sich mit Begeisterung gewidmet (jedenfalls nicht mit Erfolg); er hat unseren Erwartungen in jeder Hinsicht entsprochen; er hat sich bemüht, seinen Aufgaben (/Anforderungen/ unseren Erwartungen) gerecht zu werden; …
Das Bundesarbeitsgericht hat dazu kürzlich festgestellt, dass die Note „befriedigend“, entgegen teilweise vertretener Auffassung, eine zulässige durchschnittliche Bewertung darstellt, auch wenn in der betreffenden Branche bessere Beurteilungen üblich sind.Dazu ausführlich weiter unten.
Anknüpfen darf der Arbeitgeber dabei übrigens nicht an seine persönlichen Anforderungen und Erwartungen an Sie. Zum Vergleich muss er einen ganz durchschnittlichen Arbeitnehmer seines Betriebs heranziehen.
Ein weiterer heikler Punkt in der Beurteilung ist das Verhalten des Mitarbeiters. Hier ist so gut wie alles möglich, es können durchaus in den Formulierungen des Arbeitszeugnisses versteckte Hinweise auf Alkohol am Arbeitsplatz (zB: durch seine Geselligkeit trug er zur Verbesserung des Betriebsklimas bei) oder sexuelle Kontakte im Betrieb (zB: Für die Belange der männlichen/weiblichen Belegschaft bewies er/sie stets Einfühlungsvermögen) vorhanden sein. Außerdem können hier versteckte Hinweise auf Betriebsrats- oder Gewerkschaftstätigkeiten (zB: Er zeigte Einsatz für seine Kollegen) oder Geschwätzigkeit (zB: kommunikatives Wesen/gesuchter Gesprächspartner) zu finden sein. Hier lohnt sich ein ganz genauer Blick.
Der Austrittsgrund (zB: Verlässt das Unternehmen einvernehmlich/auf eigenen Wunsch/aus privaten Gründen zum …) darf nicht ohne den Willen des Mitarbeiters mit aufgenommen werden (Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 22. August 1988 – LAGE § 630 BGB, Nr. 4). Gerade bei außerordentlichen Kündigungen oder Aufhebungsverträgen sollte man sich überlegen, ob man eine solche Formel nicht besser ablehnt.
Das Arbeitszeugnis endet in der Regel mit einer Schlussformel. Idealerweise bedauert der Arbeitgeber darin das Ausscheiden des Mitarbeiters, dankt ihm für die geleistete Arbeit und wünscht für die berufliche und private Zukunft weiterhin nur das Beste. Diese Formulierungen sind geeignet, die vorherigen Aussagen entweder zu bestätigen oder zu relativieren. Steht die Schlussformel im Widerspruch zur vorherigen Beurteilung, kann der Arbeitnehmer allenfalls ein Zeugnis ohne Schlussformel verlangen, denn einen rechtlichen Anspruch auf eine solche Formel hat er nicht.
Der Zeugnisratgeber: Was zu beachten ist
Hier einige Tipps aus unserer praktischen Erfahrung, die im Umgang mit Arbeitszeugnissen zu beachten sind.
- Fordern Sie immer ein qualifiziertes Arbeitszeugnis. Es steht Ihnen zu! Im Unterschied zu einem einfachen Arbeitszeugnis steht hier auch etwas über Ihre Leistungen und Ihr Verhalten.
- Achten Sie auf die Form des Zeugnisses: A4 und ungelocht. Knicke sind unschädlich, solange sie beim Kopieren nicht sichtbar sind. Der Chef (nicht die Sekretärin!) sollte eigenhändig und auf Geschäftspapier unterschrieben haben (Bundesarbeitsgericht, 5 AZR 182/92).
- Wie lang ist Ihr Zeugnis? Waren Sie 15 Jahre im Betrieb angestellt und bekommen nur eine halbe Seite? Dann stimmt meist etwas nicht. Umgekehrt können aber auch zu lange Zeugnisse oft negativ ausgelegt werden.
- Inhalt: Lesen Sie das Zeugnis durch. Kommen Sie ins Stocken? Wann immer es „holprig“ wirkt, lohnt sich ein zweiter Blick.
- Steht ein Kündigungsgrund im Zeugnis? Gehen Sie „auf eigenen Wunsch“ oder etwa „im Einvernehmen“? Letzteres deutet auf einen vertraglichen Vergleich hin.
- Was wünscht man Ihnen? „Alles Gute“? Persönlich? Beruflich? Hier können Feinheiten entscheiden, ob der neue Chef liest, welchen Eindruck Sie hinterlassen haben. Optimal ist beispielsweise folgende Formulierung: „Wir danken Herrn/Frau Mustermann für die stets hervorragende Zusammenarbeit und bedauern es sehr, ihn/sie als Mitarbeiter/in zu verlieren. Für seinen/ihren weiteren Berufs- und Lebensweg wünschen wir ihm/ihr alles Gute und auch weiterhin viel Erfolg.“
- Das Arbeitsverhältnis wurde durch einen Vergleich beendet? Schreiben Sie die Note im Vergleich fest. Der Arbeitgeber ist daran gebunden.
- Ihr neuer Chef könnte nachfragen. Sprechen Sie also nochmal mit Ihrem ehemaligen Arbeitgeber. Sie haben einen Anspruch darauf, dass er Sie entsprechend dem Zeugnisinhalt lobt (BAG, 05.08.1976 – 3 AZR 491/75), machen Sie ihm aber klar, was er sagen darf – und vor allem: Was nicht!
- Das Ausstellungsdatum sollte der letzte Tag des Arbeitsverhältnisses sein, auch wenn es ein Sonn- oder Feiertag ist. Ein früheres oder späteres Datum kann dagegen auf Probleme hindeuten. Verlangt der Arbeitnehmer das Arbeitszeugnis erst nach Ende des Arbeitsverhältnisses, hat er allerdings keinen Anspruch auf Rückdatierung. Deshalb sollten Sie ihr Arbeitszeugnis frühzeitig anfordern!
Entscheidung des BAG: „Befriedigend“ ist solide
Die Richter waren der Meinung, dass ihr Arbeitszeugnis mindestens mit „gut“ zu bewerten sei, weil eine Zwei der gängigen Praxis der Arbeitgeber entspräche. Es gäbe statistisch gesehen so wenige Arbeitszeugnisse mit „befriedigend“ oder schlechter, dass eine Drei einem negativen Urteil gleichkäme.
Diese Entscheidung hob das BAG nun auf und schloss sich seiner früheren Rechtsprechung an. Die Arbeitsrichter stellten klar, dass die Note „befriedigend“ für eine durchschnittliche Leistung angemessen sei – egal, wie häufig sie vergeben wird.
Dennoch hat sich die Praxis bei der Vergabe von Zeugnissen geändert: Galt früher ein „befriedigend“ als solide Leistung und wurde noch vergleichsweise häufig vergeben, so gibt es heute nur noch in ca. 15 Prozent aller Kündigungsfälle eine schlechtere Note als „gut“. Das liegt vor allem an der Unsicherheit der Arbeitgeber. Seit einem wegweisenden Urteil des Bundesgerichtshofs aus dem Jahre 1963 (26. November 1963, Az.: VI ZR 221/62) sind Arbeitgeber verpflichtet, dem beruflichen Werdegang des gekündigten Arbeitnehmers nicht unnötig im Wege zu stehen. Dazu gehöre auch ein qualifiziertes Arbeitszeugnis, so die Bundesrichter damals. In Folge dessen gab es fast nur noch „gute“ und „sehr gute“ Zeugnisse. Es entwickelte sich ein regelrechter Zeugniscode zur Unterbringung von Feinheiten in den Abschlusspapieren; die eigentliche Note wurde in den Hintergrund gedrängt. Das jüngste Urteil des BAG könnte nun dazu führen, dass sich diese Verschiebung wieder relativiert und wieder häufiger ein „befriedigend“ vergeben wird.
Was bedeutet das für Sie? Wenn in Ihrem Zwischenzeugnis oder Arbeitszeugnis in Zukunft steht, dass Sie „stets zu unserer Zufriedenheit“ gearbeitet haben, dann entspricht ihre Leistung dem Durchschnitt. Wenn Sie möchten, dass in Ihrem Zeugnis etwas von „gute Leistungen“ oder „stets zu unserer vollen Zufriedenheit“ steht, müssen Sie beweisen, dass Sie diese Bewertung auch verdienen.