1. Was ist der Unterhaltsvorschuss?

Der Unterhaltsvorschuss dient als gesetzlicher Schutz für ungeplant alleinerziehende Eltern. Er ist eine Vorauszahlung des Mindestunterhalts, die von Bund und Land übernommen und von dem anderen Elternteil eines alleinerzogenen Kindes rückwirkend zurückgefordert wird, wenn dieser seiner Unterhaltsverpflichtung nicht nachkommt.

Dabei kommt es bei der Berechnung der Höhe nicht auf das Einkommen der Eltern an. Da der Unterhaltsvorschuss dazu dient, ungeplant Alleinerziehende zu unterstützen, müssen diese sich nicht um Rückzahlung kümmern. Stattdessen gehen bei Auszahlung des Unterhaltsvorschusses die Unterhaltsansprüche des Kindes gegen den anderen Elternteil in Höhe des Mindestunterhalts automatisch auf das zuständige Bundesland über. Dieses kann die Ansprüche geltend machen und, wenn nötig, einklagen und vollstrecken. Zunächst wird der andere Elternteil jedoch zur Zahlung oder zur Auskunft über seine Einkommensverhältnisse aufgefordert. Der Unterhaltsvorschuss wird beim zuständigen Jugendamt beantragt und von der Unterhaltsvorschusskasse ausgezahlt.

Achtung: Ein Kind, das laut Düsseldorfer Tabelle einen höheren Unterhaltsanspruch als den ausgezahlten Mindestunterhalt hat, verliert diesen Anspruch gegenüber dem anderen Elternteil nicht.

2. Voraussetzungen für die Beantragung des Unterhaltsvorschuss

Grundsätzlich haben Kinder bis einschließlich 11 Jahre Anspruch auf Unterhaltsvorschuss, wenn sie keinen Unterhalt in Höhe des Mindestunterhaltes oder unregelmäßigen Unterhalt vom anderen Elternteil erhalten.

Auch Halbwaisen, bei denen der andere Eltern- oder Stiefelternteil verstorben ist, und die keinen Mindestunterhalt aus Waisenbezügen beziehen, haben Anspruch auf Unterhaltsvorschuss. Voraussetzung hierbei ist laut Gesetz (§1 UhVorschG) lediglich, dass sie bei einem Elternteil in Deutschland leben, der alleinerziehend ist. Konkret bedeutet das, dass der Elternteil nicht verheiratet ist, oder dauerhaft getrennt von seinem Ehegatten oder Lebenspartner lebt.

Unter bestimmten Umständen haben seit dem 1. Juli 2017 auch Kinder zwischen 12 und 18 Jahren einen Anspruch auf Unterhaltsvorschuss.  Dieser ist jedoch davon abhängig, dass das Kind nicht auf SGB II Leistungen (Hartz IV) angewiesen ist, und zudem der alleinerziehende Elternteil ein Einkommen von über 600 Euro (inklusive eventueller Sozialleistungen) vorweisen kann. Das Kindergeld wird dabei nicht angerechnet.

Zusätzlich wurde die Wichtigkeit der Unvorhersehbarkeit der Alleinerziehung erst vor Kurzem in einem Gerichtsurteil unterstrichen. Demnach dient das Unterhaltsvorschussgesetz (UhVorschG) vor allem als Schutz für Eltern, die unerwartet alleiniger Erziehungsberechtigter sind. Im Falle einer Samenspende hat das VG Frankfurt entschieden, dass nicht im Vorfeld damit gerechnet werden kann, dass ein anderer Elternteil zur finanziellen Unterstützung des Kindes beiträgt. Daher kann auch kein Unterhaltsvorschuss erwartet werden.

Sonderfall EU-Ausland: Laut eines Urteils des Bundesverwaltungsgerichts gilt die Voraussetzung, dass Kinder in Deutschland leben müssen, nicht uneingeschränkt. Tatsächlich haben Kinder, die im EU-Ausland leben, auch Anspruch auf Unterhaltsvorschuss, wenn der alleinerziehende Elternteil in Deutschland arbeitet und einen weiteren Wohnsitz in einem anderen EU-Land unterhält. Eine nicht geringfügige Erwerbstätigkeit reicht dabei aus – ein Inlandswohnsitz ist also nicht erforderlich.

3. Auskunftspflicht – auch bei One-Night-Stands

Grundsätzlich kann die Unterhaltsvorschussleistung bis zum 18. Lebensjahr uneingeschränkt erfolgen. Jedoch ist die Mithilfe des alleinerziehenden Elternteils nötig, um nicht nur eine erfolgreiche Beantragung, sondern auch die kontinuierliche Ausführung der Unterhaltszahlungen zu gewährleisten. Das Jugendamt benötigt beispielsweise Hilfe bei der Feststellung der Vater- oder Mutterschaft und des Aufenthaltsorts des anderen Elternteils. Daher muss der Antragsteller zumindest den Versuch unternehmen, diese Informationen zu beschaffen.

Selbst bei One-Night-Stands muss sich darum bemüht werden, den anderen Elternteil selbstständig zu ermitteln (OVG Koblenz).

Zusätzlich muss die Unterhaltsvorschusskasse (Jugendamt) über wichtige Änderungen informiert werden, die während der Antragsbearbeitung und der Zahlung von Unterhaltsvorschussleistungen auftreten. Mitteilungen an andere Behörden reichen dabei nicht aus.

Hierbei sollten folgende Informationen und deren Änderungen mitgeteilt werden:

  • Aufenthaltsort des anderen Elternteils
  • Unterhaltszahlungen des anderen Elternteils
  • Todesfall des anderen Elternteils
  • Eheschließung
  • Beziehung zum anderen Elternteil
  • Umzüge
  • Wohnortwechsel des Kindes

4. Berechnung der Höhe des Unterhaltsvorschuss

Die Höhe des Unterhaltsvorschusses richtet sich nach dem Mindestunterhalt, der an die jeweilige der drei Altersgruppen angepasst wird (§1612a BGB). So erhalten Kinder bis einschließlich 5 Jahre, Kinder bis 11 Jahre und Kinder bis 18 Jahre unterschiedlich viel Unterhaltsvorschuss. Daher wird in jeden Fall die 1. Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle herangezogen und die Höhe des Kindergeldes hiervon abgezogen, das seit dem 01. Juli 2019 für das 1. Kind 204 Euro beträgt. Auch eventuelle Waisenbezüge oder bereits in Teilen gezahlte Unterhaltszahlungen werden verrechnet.


5. Auszahlung und Rückzahlung des Unterhaltsvorschusses

Die Auszahlung des Unterhaltsvorschusses kann grundsätzlich auch rückwirkend beantragt werden. Es wird jedoch höchstens der Monat vor demjenigen, in dem der Antrag gestellt wurde, berücksichtigt wird (§4 UhVorschG).

Fehlerhafte Unterhaltszahlungen müssen in den folgenden Fällen zurückgezahlt werden:

  • wenn alleinerziehende Eltern wissen mussten, dass dem Kind Unterhaltsvorschuss nicht in dieser Höhe zusteht.
  • wenn nach Antragstellung von dem anderen Elternteil Unterhalt oder Waisenbezüge erhalten wurden, die noch nicht mit dem Unterhaltsvorschuss verrechnet wurden.
  • wenn der Elternteil selbst durch vorsätzlich oder grob fahrlässig falsche oder unvollständige Angaben der Grund für die falsche Zahlung ist. Hierzu zählt auch die nicht rechtzeitige Anzeige einer Veränderung der Verhältnisse wie beispielsweise eine Neuheirat (5 UhVorschG).

6. Sonderfall: Anspruch auf Unterhaltsvorschuss für Ausländer

Ausländische Kinder sind nicht automatisch von Unterhaltsvorschussleistungen ausgeschlossen. Wenn sie oder ihr alleinerziehender Elternteil eine Niederlassungserlaubnis, eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt EU oder eine Blaue Karte EU besitzen, haben sie automatsch einen Anspruch. Wenn sie oder das Elternteil jedoch nur im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis sind (AufenthG), gibt es weitere Bedingungen, um den Anspruch auf Unterhaltsvorschuss geltend machen zu können:

  • Die Aufenthaltserlaubnis muss zur Erwerbstätigkeit berechtigen oder berechtigt haben (§ 1 Abs. 2a Nr. 1 UhVorschG)
  • Drittstaatsangehörigen, die eine Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen erhalten haben, stehen Unterhaltsvorschussleistungen in jedem Fall zu (§ 27 Abs. 5 AufenthG)
  • Aufenthaltserlaubnisse, die jedoch für ein Studium oder eine kurzfristige Ausbildung ausgestellt wurden, berechtigen nicht automatisch zu Unterhaltszahlungen (§§ 16-18 AufenthG)
Wichtig: Eine Ausnahme liegt für Menschen türkischer, marokkanischer, tunesischer und algerischer Staatsangehörigkeit vor. Dieser Personenkreis kann auch mit einer Aufenthaltserlaubnis für ein Studium oder eine kurzfristige Ausbildung Anspruch auf Unterhaltsvorschuss geltend machen, wenn sie zusätzlich Arbeitnehmer sind. Dafür reicht es in diesem Fall aus, einen Minijob auszuführen.

7. Fazit

  • Der Unterhaltsvorschuss ist eine Vorauszahlung des Mindestunterhalts für alleinerziehende Eltern.
  • Anspruch besteht, wenn kein oder unregelmäßig Unterhalt gezahlt wird, das Kind zwischen 0 und 18 Jahren alt ist und weitere besondere Voraussetzungen erfüllt sind.
  • Der alleinerziehende Elternteil muss dies ungeplant sein.
  • Das Bundesland fordert die Summe von dem anderen Elternteil zurück.
  • Auch Ausländer haben Anspruch auf Unterhalt, wobei der Aufenthaltsstatus des Elternteils und des Kindes erheblich ist.
  • Die Summe richtet sich nach dem Mindestunterhaltswert der Düsseldorfer Tabelle.
  • Für die Auszahlung legt die Unterhaltsvorschusskasse bzw. das Jugendamt besonderen Wert auf die Mithilfe bei der Ermittlung des anderen Elternteils.

8. Praxistipp

Auch wenn das Kind kurz vor seinem 18. Geburtstag steht, kann die Beantragung eines Unterhaltsvorschuss Sinn machen. Setzt das Land den Anspruch erfolgreich durch, ist es später leichter, den Unterhalt für die Dauer eines eventuellen Studiums des Kindes zu erhalten. Die Rechtslage wird nämlich bereits im Unterhaltsvorschussverfahren geklärt und muss nicht neu ermittelt werden. Dies führt zu einem kürzeren Gerichtsverfahren und das spart Geld.