1. Schritt 1: Selbstbehalt
  2. Schritt 2: Rang des Unterhalts
  3. Schritt 3: Berechnung des nachehelichen Unterhalts
  4. Schritt 4: Anrechenbare Einkünfte
  5. Fazit

Wie viel nachehelichen Unterhalt Sie schulden oder verlangen können, lässt sich nicht pauschal beantworten. Der genaue Betrag hängt stark vom Einzelfall ab. Wie Sie unten noch erfahren, kommt es u.a. auf die höchst individuellen Lebensverhältnisse in der Ehe an, die der Richter erst im Einzelfall ermitteln muss. Eine Orientierung an Tabellen o.ä. ist schlicht nicht möglich.

Expertentipp: Prozesse um den nachehelichen Unterhalt sind aus den genannten Gründen ausgesprochen aufwändig und teuer. In aller Regel ist es für beide Partner sinnvoller, eine Scheidungsfolgenvereinbarung abzuschließen und sich darin auf einen bestimmten Betrag zu einigen.

Schritt 1: Selbstbehalt

Die Höhe des Unterhalts hängt zunächst davon ab, ob das Einkommen des besserverdienenden Ehegatten über dem sog. Selbstbehalt liegt.

Dem unterhaltsberechtigten Ehegatten kann nur das zustehen, was der Unterhaltspflichtige über den Selbstbehalt hinaus verdient.

Diese Grenze soll verhindern, dass der Unterhaltspflichtige selbst durch die Zahlung nachehelichen Unterhalts sozialhilfebedürftig wird. Zum eigenen Lebensbedarf zählt neben Grundbedürfnissen (Kleidung, Nahrung, Miete) auch eine angemessene Altersvorsorge.

Die Höhe des Selbsthalts richtet sich grundsätzlich nach der Düsseldorfer Tabelle. Dort ist jeweils ein Wert für berufstätige und nicht berufstätige Unterhaltspflichtige vorgesehen. Darüber hinaus ist der Betrag unabhängig von der konkreten Einkommenssituation des Unterhaltspflichtigen, so der Bundesgerichtshof. Für besonders reiche Unterhaltspflichtige gilt daher derselbe Selbstbehalt wie für weniger gute Verdienende.

Trotzdem verbleibt gut verdienenden Unterhaltspflichtigen in aller Regel natürlich mehr als bloß der Selbstbehalt. Das zeigt sich im Rahmen der Unterhaltsberechnung (s.u.).

Schritt 2: Rang des Unterhalts

Liegt das Einkommen des Unterhaltspflichtigen über dem Selbstbehalt, wird im nächsten Schritt geprüft, ob es vorrangige Unterhaltsberechtigte gibt:

  1. Der Unterhaltsanspruch minderjähriger Kinder geht dem Anspruch des geschiedenen Ehegatten vor. Dem gleichgestellt sind unverheiratete Kinder bis zum Alter von max. 20 Jahren, die sich noch in der Schulausbildung befinden und im Haushalt eines Elternteils leben.
  2. In der Rangfolge gleich dahinter stehen Ehegatten, die Unterhalt wegen der Betreuung von Kindern verlangen können oder besonders lange verheiratet waren.

Nur soweit nach Abzug dieser Unterhaltspflichten etwas übrig bleibt, können noch nicht berücksichtigte Ex-Gatten nachehelichen Unterhalt verlangen. Ist die Selbstbehaltsgrenze hingegen erreicht, bevor alle vorrangigen Unterhaltsberechtigten die ihnen zustehenden Zahlungen erhalten haben, gehen die nachrangig Berechtigten unter Umständen leer aus.

Beispiel (Zahlen aus der Düsseldorfer Tabelle 2022): M ist erwerbstätig und hat ein Einkommen von 3.400 € netto. Seine Kinder sind acht und zwölf Jahre alt und leben bei seiner geschiedenen Ehefrau.

M schuldet seinem älteren Kind 613 €, seinem jüngeren Kind 524 € Unterhalt. Damit verbleiben ihm monatlich 2.263 €. Zieht man davon den Selbstbehalt von 1.280 € ab, kann die geschiedene Ehefrau maximal 983 € nachehelichen Unterhalt verlangen.

Schritt 3: Berechnung des nachehelichen Unterhalts

In welcher Höhe einem Ex-Gatten nachehelicher Unterhalt zusteht, richtet sich nach dessen gesamten Lebensbedarf. Dabei ist entscheidend, wie die Partner innerhalb der Ehe gelebt haben.

Grundsätzlich soll durch den Unterhalt nämlich der eheliche Lebensstandard gewahrt werden.

Dazu gehören:

  • Elementare Grundbedürfnisse wie die Kosten für Kleidung, Nahrung und Wohnung.
  • Arztkosten und eine angemessene Kranken- und Pflegeversicherung – auch eine private, wenn eine private Krankenversicherung während der Ehe bestand.
  • Kosten des Bedarfs an Freizeit und Erholung, wie die Pflege geistiger und musischer Interessen (also etwa Malkurse oder Musikstunden in dem Umfang, in dem sie auch in der Ehe üblich waren).
  • Kosten der Altersvorsorge im Rahmen des sogenannten Vorsorgeunterhalts (zum Beispiel Bauspar- oder Riesterverträge in Höhe des fiktiven Rentenversicherungssatzes, der fällig wäre, wenn der Gatte statt Unterhalt einen Nettolohn in gleicher Höhe hätte).

Dabei werden alle eheüblichen Aufwendungen bis zum Tag der Scheidung als Stichtag berücksichtigt.

Hohes Ehe-Einkommen: „Einmal Chefarztgattin – immer Chefarztgattin.“ Wer früher ausschließlich in Luxusboutiquen einkaufte, darf auch in Zukunft einen höheren Bedarf für Kleidung geltend machen. Nicht berücksichtigt werden nur die Einkommensteile, die zur Vermögensbildung beigetragen haben.

Niedrigere Ehe-Einkommen: Es gilt die Regel, dass der nacheheliche Unterhalt dementgegen aus Gründen der Fairness („Billigkeit“) reduziert wird, wenn der eigene, angemessene Lebensunterhalt nicht mehr gewährleistet werden kann – und zwar ggf. über dem Selbstbehalt.

Beispiel: Der unterhaltspflichtige A verdient rund 2.500 € netto. Sein Gehalt war das gesamte Familieneinkommen während der kinderlosen Ehe und am Ende des Monats regelmäßig aufgebraucht.
Für die Berechnung sei ein Selbstbehalt von 1.200 € unterstellt. Somit verbleiben an sich 1.300 € Unterhalt für die geschiedene Ehefrau. Da der angemessene Lebensunterhalt des A wahrscheinlich aber mehr als 1.200 € erfordert, wird das Gericht der Ehefrau einen geringeren Betrag zusprechen.

Änderung der Einkommenssituation: An der Unterhaltshöhe ändert sich auch dann nichts, wenn der Ehegatte nach der Ehe mehr verdient als während der Ehe. Ist die Einkommensänderung allerdings bereits während der Ehe erwartet worden, geht das Gericht gegebenenfalls auch vom neuen Einkommen aus.

Auch wer nach der Ehe weniger verdient, kann das erst einmal nicht geltend machen. Eine Ausnahme gilt natürlich, wenn denn der Unterhaltspflichtige in der neuen Situation die Selbstbehaltsgrenze unterschreiten würde. Verliert der Unterhaltspflichtige seinen Job, darf er den Unterhalt zwar grundsätzlich kürzen, er darf aber nicht schuld am Verlust der Arbeit sein – oder gar nur kündigen, um der Unterhaltspflicht zu entgehen.

Über die Höhe des Unterhalts entscheidet das Familiengericht. Es steht dem Gericht allerdings frei, die Zahlungen aus Gerechtigkeitserwägungen auf ein niedrigeres Niveau abzusenken.


Schritt 4: Anrechenbare Einkünfte

Der Unterhaltsberechtigte muss sich seinerseits alles als Einkommen anrechnen lassen, was unter Einsatz seiner Arbeitskraft zumutbar ist (sogenannte Erwerbsobliegenheit). Dazu zählen neben dem Gehalt auch Zinseinkünfte, Mieteinnahmen und der Wohnwert des genutzten Eigentums.

Unwirtschaftliches Vermögen muss gewinnbringend angelegt werden. Was über der Erwerbsobliegenheit liegt (der Zweitjob neben der Rente), wird nur begrenzt berücksichtigt. Auch Sozialleistungen können angerechnet werden und den Unterhaltsanspruch schmälern, wenn sie nicht von Gesetzes wegen nachrangig sind.

Nicht berücksichtigt werden hingegen Erbschaften oder Zuwendungen Dritter – es sei denn, sie sind dazu gedacht, der Unterhaltspflicht des Expartners nachzukommen.

Beispiel: Die Eltern des Ex-Mannes überweisen der ehemaligen Schwiegertochter monatlich Geld, damit der Ex-Mann das nicht muss.

Fazit

Ob und in welcher Höhe ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt besteht, lässt sich wie folgt ermitteln:

  • Schritt 1: Liegt das Einkommen des besserverdienenden Ehegatten über dem Selbstbehalt der Düsseldorfer Tabelle? Nur wenn dies der Fall ist, kommt die Zahlung von nachehelichem Unterhalt überhaupt in Betracht.
  • Schritt 2: Gibt es andere Berechtigte, denen der Ex-Partner vorrangig Unterhalt schuldet? Dies sind insbesondere minderjährige Kinder. Ist der Selbstbehalt nach Abzug dieser Pflichten erreicht, gibt es keinen nachehelichen Unterhalt.
  • Schritt 3: Wie viel Geld benötigt der unterhaltsberechtigte Ehegatte, um die während der Ehe gewöhnten Lebensverhältnisse aufrecht zu erhalten? Davon hängt die Höhe seines Unterhalts ab.
  • Schritt 4: Muss der berechtigte Ehegatte sich Einkünfte anrechnen lassen? Diese schmälern seinen Unterhaltsanspruch.