1. Arbeitsrechtliche Regelungen: Gehen oder bleiben?
  2. Mitteilung und Dauer der Freistellung
  3. Ausschluss der Freistellung nach § 616 BGB
  4. Krankengeld statt Arbeit, wenn Kind krank ist
  5. Freistellung von der Arbeit bei krankem Kind für Azubis
  6. Sonderregeln für Beamte mit krankem Kind bei der Arbeit
  7. Berechnung des Vergütungsanspruchs
  8. Video

1. Arbeitsrechtliche Regelung: Sie dürfen gehen!

Die gute Nachricht vorweg: Ist davon auszugehen, dass Ihr Kinderarzt die Beaufsichtigung, Betreuung oder Pflege Ihres Kindes durch Sie für dringend erforderlich hält, kann keine andere in Ihrem Haushalt lebende Person Ihr krankes Kind während der Arbeit in diesem Sinn betreuen und ist es jünger als 12 Jahre alt, dann gehen Sie!

Auch wenn Ihr Kind älter als 12 Jahre ist und bei Ihnen zu Hause wohnt, können Sie bei einer unvorhergesehenen Krankheit und Pflegebedürftigkeit Ihres Kindes in der Regel der Arbeit ohne Vergütungseinbußen fernbleiben, wenn und soweit eine anderweitige Versorgung Ihres kranken Kindes für einen vorübergehenden Zeitraum nicht angebracht oder nicht realisierbar ist.

Der Gesetzgeber hat in § 616 BGB eine Regelung getroffen, die Ihnen die kurzzeitige Abwesenheit von Ihrer Arbeitsstelle aus unvermeidbaren und unverschuldeten persönlichen Gründen erlaubt, ohne dass Sie Ihre Vergütungsansprüche verlieren. Damit sind alle individuellen Umstände erfasst, die Ihnen das Ausführen Ihrer Arbeitspflicht unzumutbar machen – beispielsweise die notwendige Betreuung Ihres kranken Kindes.

Wenn der Anruf aus dem Kindergarten oder der Schule kommt, dürfen Sie nach dieser Vorschrift nicht nur früher gehen, Sie dürfen in der Regel auch an dem Folgetag daheim bleiben, wenn ein Arzt die Betreuung Ihres Kindes durch Sie für notwendig erachtet. Gleiches gilt, wenn Sie wegen der plötzlichen Erkrankung Ihres Kindes gar nicht erst auf der Arbeitsstelle erscheinen. Die elterliche Fürsorgepflicht genießt in diesen Fällen den Vorrang. Arbeitsrechtliche Konsequenzen wegen der Arbeitsversäumnis drohen bei einer (berechtigten) Berufung auf § 616 BGB nicht.

2. Mitteilung und Dauer der Freistellung

Der Arbeitgeber hat allerdings ein Recht auf Mitteilung, dass Sie den Arbeitsplatz verlassen.
Entsprechend sollten Sie vor Verlassen des Arbeitsplatzes ihrem Vorgesetzten kurz die Umstände mitteilen, aus denen Sie verhindert sind. Der Arbeitgeber ist zudem berechtigt, einen Nachweis für den Grund ihrer Verhinderung und die Notwendigkeit Ihrer Abwesenheit zu verlangen. Bei Sonderurlaub beziehungsweise Freistellung von der Arbeit, weil das Kind krank ist, genügt in der Regel eine entsprechende ärztliche Bescheinigung (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20. Juni 1979, Az: 5 AZR 361/78).

In Fällen der kurzfristigen Verhinderung müssen Sie darlegen, dass es für Sie aufgrund besonderer persönlicher Gründe unzumutbar war, für eine nicht erhebliche Zeit Ihrer Arbeitspflicht nachzukommen.

Der Freistellungsanspruch besteht nur für eine „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“. Das bedeutet in der Praxis, dass die erlaubte Abwesenheit wegen des kranken Kindes von der Arbeit etwa im Anwendungsbereich des TVöD maximal fünf Tage beträgt (so das Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 5. August 2014, Az: 9 AZR 878/12).

Wird diese Grenze überschritten, fällt der Anspruch aus § 616 BGB vollständig weg und kann auch nicht teilweise angerechnet werden (etwa für die ersten fünf von zehn Tagen).

3. Ausschluss der Freistellung nach § 616 BGB

Die Vergütung von Sonderurlaub nach § 616 BGB kann allerdings durch Arbeits- oder Tarifvertrag abweichend geregelt oder sogar ausgeschlossen werden (BAG, Urteil vom 20. Juni 1979, Az: 5 AZR 479/77). Vor allem Tarifverträge beinhalten oft eigene Regelungen dazu, wann und unter welchen Umständen ein Arbeitnehmer im Falle der persönlichen Verhinderung bezahlt von seiner Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung freizustellen ist.

Bevor Sie wegen eines kranken Kindes der Arbeit fernbleiben, sollten Sie sich also dringend vergewissern, dass weder Ihr Arbeitsvertrag noch Ihr Tarifvertrag einen solchen Ausschluss vorsieht beziehungsweise dass die Voraussetzungen des Tarifvertrages vorliegen.

Eine entsprechende Klausel im Arbeitsvertrag würde beispielsweise lauten:

Die Entgeltfortzahlung auf Grund vorübergehender Verhinderung ist ausgeschlossen.

Manchmal wird der Anspruch auch verklausuliert abbedungen, etwa wenn es heißt:

Ein Vergütungsanspruch besteht nur für tatsächlich geleistete Arbeit.

Grundsätzlich sind solche Formulierungen möglich (BAG vom 26. August 1982 EzA § 616 Nr 21). Fast alle Arbeitsverträge unterliegen allerdings einer richterlichen Inhaltskontrolle nach den §§ 305 ff BGB (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25. Mai 2005, Az: 5 AZR 572/04). Geht der Regelungsgehalt einer Vertragsklausel nicht deutlich aus ihrer Formulierung hervor, kann diese unwirksam sein.

4. Krankengeld statt Arbeit, wenn Kind krank ist

Selbst wenn der Ausschluss von § 616 BGB im Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag wirksam ist, gibt es für sozialversicherungspflichtig beschäftigte Arbeitnehmer die Möglichkeit, sich von der Arbeit wegen eines kranken Kindes nach § 45 Abs. 3 SGB V freistellen zu lassen. Die Freistellung ist möglich, wenn das Kind das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, keine andere Person des Haushalts das Kind beaufsichtigen, betreuen oder pflegen kann und ein Arzt bescheinigt hat, dass die Betreuung notwendig ist. Sie ist unbezahlt und kann je Kind im Kalenderjahr höchstens 10 Arbeitstage, insgesamt maximal 25 Arbeitstage, dauern. Alleinerziehende können die doppelte Zeit geltend machen.

Während der Freistellung besteht zwar kein Anspruch auf das übliche Gehalt, aber ein Anspruch auf Krankengeld in Höhe von 70 Prozent des ausgefallenen Regelarbeitsentgelts.

5. Freistellung von der Arbeit bei krankem Kind für Azubis

Für Auszubildende richtet sich der Anspruch auf eine bezahlte Freistellung nach § 19 Abs. 1 Nr. 2 b) BBiG und kann sich im Einzelfall auf bis zu 6 Wochen erstrecken. Die Freistellung ist bei Vorliegen der Voraussetzungen ebenfalls zwingend zu gewähren, ohne dass dem Arbeitgeber ein Recht zur Ablehnung zusteht.

6. Sonderregeln für Beamte mit krankem Kind bei der Arbeit

Es gibt ebenfalls einen gesondert geregelten Anspruch auf Freistellung wegen krankem Kind bei Arbeit im öffentlichen Dienst. Beamten stehen nach § 12 Abs. 3 Nr. 7 der Verordnung über den Sonderurlaub für Bundesbeamtinnen, Bundesbeamte, Richterinnen und Richter des Bundes (SUrlV) vier Tage Sonderurlaub von der Arbeit wegen krankem Kind je Urlaubsjahr zu, wenn das Kind „schwer erkrankt und unter 12 Jahren alt ist“. Darüber hinaus können unter bestimmten Voraussetzungen zusätzlich bis zu 75 Prozent der Sonderurlaubstage nach § 45 SGB V für die Freistellung wegen krankem Kind im öffentlichen Dienst gewährt werden. Die Abwesenheit ist nach § 14 SUrlV rechtzeitig zu beantragen und nach § 15 SUrlV aus dringenden dienstlichen Gründen widerrufbar. Die Notwendigkeit der Anwesenheit von der Arbeit zur Betreuung des kranken Kindes durch den Beamten muss ärztlich bescheinigt werden.

7. Berechnung des Vergütungsanspruchs

Liegen die Voraussetzungen des § 616 BGB vor, sind Sie so zu vergüten, als hätten Sie an den Fehltagen regulär gearbeitet. Nach § 616 Satz 2 BGB müssen Sie sich allerdings Leistungen gesetzlicher Versicherungen (etwa der Kranken- oder Unfallversicherung) anrechnen lassen. Ist Ihr Fernbleiben schuldhaft von einem Dritten verursacht, ist derjenige in der Regel für den Verdienstausfall haftbar. Haben Sie Ihr Arbeitsentgelt von Ihrem Arbeitgeber dennoch erhalten, müssen Sie Ihren Schadensersatzanspruch gegen den Dritten in Höhe des von Ihrem Arbeitgeber gezahlten Arbeitsentgelts an diesen abtreten.

8. Video