1. Was ist das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM)?
  2. Muss der Arbeitgeber ein BEM anbieten?
  3. Kann mein Arbeitgeber mich zur Teilnahme am BEM zwingen?
  4. Sind krankheitsbedingte Kündigungen ohne Durchführung eines BEM unwirksam?
  5. Auswirkungen auf das Gehalt
  6. Mitbestimmung des Betriebsrats
  7. Fazit

1. Was ist das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM)?

Das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) dient der systematischen Wiedereingliederung von Arbeitnehmern, die entweder über eine längere Zeit oder häufiger über kurze Zeit erkrankt sind.

Ziel des BEM ist die Wiederherstellung und Förderung der Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers. Somit soll einerseits die Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers wiederhergestellt und damit der Arbeitnehmer selbst vor Arbeitslosigkeit und Berufsunfähigkeit geschützt werden. Andererseits profitiert natürlich auch der Arbeitgeber von der Beschäftigungsfähigkeit seines Mitarbeiters.

In einem Abstimmungsprozess wird abgeklärt, mit welchen Leistungen oder Hilfen die Arbeitsunfähigkeit überwunden und einem erneuten Ausfall vorgebeugt werden kann.

Die gesetzliche Grundlage des betrieblichen Eingliederungsmanagements findet sich in § 167 Abs. 2 SGB IX.


2. Muss der Arbeitgeber ein BEM anbieten?

Wenn Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig sind, muss der Arbeitgeber mit der zuständigen Interessenvertretung (in der Regel also mit dem Betriebs- bzw. Personalrat) klären, wie die Arbeitsunfähigkeit überwunden und die Arbeitsfähigkeit erhalten werden kann.

Hinweis: Unerheblich ist, ob diese Krankheitstage ärztlich attestiert sind.

Der Arbeitgeber hat also durchaus eine gesetzliche Pflicht zur Durchführung des BEM. Allerdings sieht das Gesetz keine Sanktionen für den Fall vor, dass er dieser Pflicht nicht nachkommt.

Ob Arbeitnehmer einen individuell einklagbaren Anspruch auf Durchführung eines BEM haben, ist in der Rechtsprechung umstritten. Das Landesarbeitsgericht Nürnberg lehnte einen solchen einklagbaren Anspruch allerdings ab und billigt die gerichtliche Durchsetzbarkeit nur der Arbeitnehmervertretung zu.

Ein Verzicht auf die Durchführung eines BEM durch den Arbeitgeber hat allerdings regelmäßig Konsequenzen für die Wirksamkeit einer Kündigung wegen Krankheit.


3. Kann mein Arbeitgeber mich zur Teilnahme am BEM zwingen?

Arbeitnehmer müssen sich nicht an der Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements beteiligen. Das BEM ist nur mit Zustimmung der betroffenen Person durchzuführen und damit freiwillig.

Achtung: Im Hinblick auf das Thema Kündigung bzw. Kündigungsschutzprozess wirkt sich die Ablehnung negativ aus (siehe dazu den nächsten Absatz).

4. Ist eine krankheitsbedingte Kündigung ohne Durchführung eines BEM unwirksam?

Pauschal kann man diese Frage nicht beantworten. Allerdings steigen die Chancen erheblich, sich vor Gericht erfolgreich gegen eine krankheitsbedingte Kündigung zur Wehr zu setzen, wenn der Arbeitgeber – trotz gesetzlicher Verpflichtung – kein BEM durchgeführt hat.

Eine personenbedingte Kündigung (dazu zählt auch die Kündigung wegen Krankheit) ist nämlich nur dann gerechtfertigt, wenn dem Arbeitgeber zur Verfolgung seiner betrieblichen oder vertraglichen Ziele kein milderes Mittel zur Verfügung steht.

Als mildere Mittel kommen in Betracht:

  • Weiterbeschäftigung auf einem anderen freien (ggf. leidensgerechten) Arbeitsplatz
  • Änderung der Arbeitsbedingungen
  • Umschulung des Arbeitnehmers
  • Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements.

Ohne die Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements dürfte der Arbeitgeber nur schwer beweisen können, dass ihm keine milderen Mittel als die Kündigung zur Verfügung standen.

Der Arbeitgeber muss dann vor Gericht den schwierigen Beweis dafür erbringen, dass durch das BEM in keinem Fall krankheitsbedingte Ausfälle hätten vermieden werden können. Dies gelingt Arbeitgebern nur schwer.

Das BEM ist mithin regelmäßig Voraussetzung für eine wirksame krankheitsbedingte Kündigung. Ohne Durchführung des BEM ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die krankheitsbedingte Kündigung unwirksam ist. Anders ist es nur, wenn offensichtliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass mangels Erfolgsaussichten auf die Durchführung verzichtet werden konnte.

Leichter wird es für den Arbeitgeber, wenn der Arbeitnehmer die Durchführung des BEM ablehnt: Ohne die Einwilligung des Arbeitnehmers kann der Arbeitgeber das BEM nicht durchführen. Ihm kann damit im Kündigungsschutzprozess nicht vorgeworfen werden, dass er vor der Kündigung nicht zu milderen Mitteln gegriffen bzw. das BEM fehlerhaft durchgeführt hat. Der Arbeitnehmer hat dann deutlich schlechtere Chancen, sich gerichtlich erfolgreich gegen eine krankheitsbedingte Kündigung zu wehren.

Tipp: Im eigenen Interesse sollte im Hinblick auf einen etwaigen Kündigungsschutzprozess dringend an einem BEM mitgewirkt werden. Können Sie aus gesundheitlichen Gründen der Einladung zum BEM-Gespräch nicht Folge leisten, sollte genau dies mit einem ärztlichen Attest bestätigt werden. Gleichzeitig sollte gegenüber dem Arbeitgeber zum Ausdruck gebracht werden, ein solches Gespräch unmittelbar nachzuholen zu wollen.

5. Auswirkungen auf das Gehalt

Während der Wiedereingliederung gilt der Arbeitnehmer weiterhin als krank und damit arbeitsunfähig. Der Anspruch auf Lohnfortzahlung gegenüber dem Arbeitgeber besteht allerdings nur für die Dauer von sechs Wochen am Stück. Nur wenn der Arbeitnehmer zwischenzeitlich wieder arbeitsfähig war und dann eine andere Erkrankung erleidet, hat er erneut einen Entgeltfortzahlungsanspruch für sechs Wochen.

Da das BEM erst dann durchgeführt werden muss, wenn Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig sind, erhält der Arbeitnehmer während des BEM also in der Regel Krankengeld von seiner Krankenkasse.

Sofern die Wiedereingliederung innerhalb von vier Wochen nach einer Reha-Maßnahme aufgenommen wird, erhält der Arbeitnehmer von der Rentenversicherung ein Übergangsgeld.
Freiwillige Leistungen stehen dem Arbeitgeber selbstverständlich frei. Sie werden allerdings auf das Krankengeld angerechnet.


6. Mitbestimmung des Betriebsrats

Während der Arbeitnehmer selber keinen einklagbaren Anspruch auf Durchführung des BEM hat, kann der Betriebsrat diesen Anspruch eines einzelnen Arbeitnehmers geltend machen und auch gerichtlich durchsetzen.

Der Betriebsrat hat ein Mitbestimmungsrecht bei der Klärung von Möglichkeiten eines betrieblichen Eingliederungsmanagements, also u.a. bei der Aufstellung einer Verfahrensordnung zum BEM.

Im Übrigen sind die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats eingeschränkt: Der Betriebsrat kann nicht bei der Festlegung konkreter Maßnahmen mitbestimmen. Dies obliegt allein dem Arbeitgeber.

7. Fazit

  • Das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) dient der systematischen Wiederherstellung und Förderung der Arbeitsfähigkeit.
  • Der Arbeitgeber muss die Durchführung eines BEM anbieten, wenn ein Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres insgesamt länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig ist.
  • Der Arbeitnehmer muss nicht am BEM teilnehmen. Eine Ablehnung wirkt sich in der Regel aber im Kündigungsschutzprozess negativ aus. Für den Arbeitgeber hingegen erleichtert eine Verweigerung des Arbeitnehmers die krankheitsbedingte Kündigung enorm.
  • Führt der Arbeitgeber das BEM trotz seiner Verpflichtung nicht durch, ist eine krankheitsbedingte Kündigung wahrscheinlich unwirksam.