1. Probezeit und Urlaub
  2. Mythos: Kein Urlaub während der Probezeit
  3. Verweigerung von Urlaub während der Probezeit
  4. Anrechnung von Urlaubszeiten und Probezeit
  5. Resturlaub bei Kündigung in der Probezeit
  6. Fazit
  7. Praxistipp

1. Probezeit und Urlaub

Die meisten Arbeitsverhältnisse werden heute in Deutschland mit der Vereinbarung einer Probezeit abgeschlossen. Diese dient als Zeit der Bewährung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Aus diesem Grund bestehen, wie in unserem Beitrag zu Kündigung und Kündigungsschutz in der Probezeit ausführlich beschrieben, verkürzte Kündigungsfristen. Nach der Vorschrift des § 622 Abs. 3 BGB kann ein Arbeitsverhältnis in der Probezeit mit einer (kurzen) Frist von zwei Wochen von beiden Vertragsparteien gekündigt werden. Die Probezeit kann längstens für eine Dauer von sechs Monaten vereinbart werden. Eine Probezeit entsteht nicht „automatisch“ –  sie muss explizit im Arbeitsvertrag vereinbart werden.

Da der Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG) erst nach einer Dauer von sechs Monaten greift, haben viele Arbeitnehmer Angst, während der Probezeit gekündigt zu werden. Diese Angst besteht nicht ganz grundlos, denn viele Arbeitsverhältnisse werden tatsächlich noch in der Probezeit gekündigt.

Infografik Wartezeit vs. Probezeit

Vor diesem Hintergrund scheuen sich viele Arbeitnehmer, während der Probezeit eigenen Urlaub beim Arbeitgeber geltend zu machen – aus Angst, dieser könnte durch den Urlaubswunsch verärgert werden und als Reaktion eine Kündigung aussprechen. Oft wird auf Nachfrage auch die pauschale Ansicht vertreten, in der Probezeit könne ohnehin kein Urlaub beansprucht werden. Wie bereits von uns dargestellt, besteht bei den rechtlichen Vorgaben für den Anspruch des Arbeitnehmers auf Erholungsurlaub ohnehin immer wieder Unsicherheit.

Der folgende Beitrag gibt Antworten auf die wichtigsten Fragen.


2. Mythos: Kein Urlaub während der Probezeit

Bei vielen Arbeitnehmern herrscht immer noch der Irrglaube, Urlaub sei während der Probezeit generell ausgeschlossen. Hier muss ganz klar gesagt werden: Das stimmt so nicht! Richtig ist: Anspruch auf den vollen Jahresurlaub besteht erst nach einer Betriebszugehörigkeit von sechs Monaten (dazu gleich). Dies steht in der Vorschrift des § 4 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG).

Das BurlG regelt allerdings nur den gesetzlichen Urlaubsanspruch. Dieser umfasst 24 Werktage, wobei dabei auch die Samstage erfasst werden. Bei einer 5-Tage Woche beträgt der gesetzliche Jahresurlaub somit 20 Arbeitstage. Soweit im Arbeitsvertrag ein darüber hinausgehender Jahresurlaub gewährt wird, kann der Arbeitgeber für diesen gesonderte Regelungen im Arbeitsvertrag festlegen. Eine Einschränkung des gesetzlichen Mindesturlaubs ist höchstens durch Tarifvertrag möglich, sodass bei Fehlen einer tarifvertraglichen Vorschrift jeder Arbeitnehmer gemäß § 4 BurlG nach sechs Monaten Anspruch auf den vollen gesetzlichen Mindesturlaub hat.

Doch leider wird diese gesetzliche Bestimmung vielfach dahingehend missverstanden, dass vorher überhaupt kein Urlaub genommen werden darf bzw. überhaupt kein Anspruch auf Urlaub besteht. Dies ist nicht korrekt. Zutreffend ist vielmehr, dass ein Urlaubsanspruch bezogen auf den gesamten Jahresurlaub anteilig bereits für jeden vollen Monat der Betriebszugehörigkeit erworben wird.

Beispiel: Arbeitnehmer A beginnt zum 01.01.2016 eine neue Arbeit und hat einen Jahresurlaub von 20 Tagen. Ist A zum 01.07. noch im Unternehmen, steht ihm der volle Jahresurlaub von 20 Tagen zu. Aufgrund des Jahresurlaubsanspruchs von 20 Tagen erwirbt A pro Monat einen Urlaubsanspruch von je 1,67 Tagen (20 Tage : 12 Monate = 1,67 Tage). Nach drei Monaten hat A sich daher schon einen Anspruch von 5 Urlaubstagen erarbeitet.

3. Verweigerung von Urlaub während der Probezeit

Vom rechtlichen Urlaubsanspruch zu trennen ist allerdings die Frage, inwieweit Urlaub in der Probezeit vom Arbeitnehmer tatsächlich eingefordert und angetreten werden kann. Es gilt die Grundregel: Der Arbeitnehmer kann Urlaub in der Probezeit einfordern. Denn die Pflicht des Arbeitgebers, bei der Gesamturlaubsplanung im Unternehmen die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, gilt auch schon während der Probezeit. Allerdings kann der Arbeitgeber Urlaubswünsche, d.h. die konkrete Beantragung von Urlaub zu einem bestimmten Termin verweigern, wenn dringende betriebliche Gründe oder Urlaubswünsche von anderen Arbeitnehmern dagegen sprechen (§ 7 Abs. 1 BUrlG).

Die Gründe für eine Verweigerung des Urlaubs müssen also betriebsbezogen sein, d.h. mit Arbeitsablauf und -organisation zu tun haben. Dies können etwa sein:

  • erhöhtes Arbeitsaufkommen zu bestimmten Stoßzeiten, etwa zur Urlaubszeit oder gegen Jahresende
  • Ausfälle anderer Arbeitnehmer, etwa durch Krankheit
  • rechtswirksam festgelegte Betriebsferien zu einem bestimmten Termin
  • Urlaub von anderen Arbeitnehmern im Sinne einer nachvollziehbaren Regelung zur Urlaubsvertretung.

Die Probezeit eines neu eingestellten Arbeitnehmers stellt dagegen keinen betrieblichen Grund zur Urlaubsversagung dar! Der betriebliche Grund kann zwar durchaus mit der Probezeit bzw. der Neueinstellung zusammenhängen (z.B. notwendige lückenlose Teilnahme an einer Schulung im Rahmen der Einarbeitung). Ein im Endeffekt pauschaler Verweis („Sie sind noch in der Probezeit“) reicht aber nicht aus.

Die betrieblichen Gründe zur Versagung des Urlaubs müssen „dringend“ sein. Es reicht also nicht jede sachlich nachvollziehbare Begründung. Eine Abwägung zwischen den Urlaubsinteressen des Arbeitnehmers und den betrieblichen Gründen des Arbeitgebers muss vielmehr ergeben, dass den betrieblichen Interessen der Vorzug zu geben ist. Überwiegen die Interessen des Arbeitgebers nicht, muss dieser den Urlaub gewähren. Im Zweifel muss der Arbeitgeber das Vorliegen von betrieblichen Gründen beweisen (Darlegungs- und Beweislast). Gelingt ihm dies nicht, ist der Urlaub zu gewähren.


4. Anrechnung von Urlaubszeiten und Probezeit

Wer im laufenden Jahr das Arbeitsverhältnis wechselt und beim alten Arbeitgeber bereits Urlaub genommen hat, bei dem ist der Urlaubsanspruch  bezogen auf den gesetzlichen Mindesturlaub beim neuen Arbeitgeber zu kürzen (§ 6 Abs. 1 BUrlG). Diese Regelung hat den Zweck, doppelten Urlaub zu vermeiden.

Wer also beim alten Arbeitgeber bereits Urlaub beansprucht hat, sollte dies bei Urlaubsantrag während der Probezeit beim neuen Arbeitgeber im Blick behalten! Dies gilt insbesondere dann, wenn dem Arbeitnehmer beim alten Arbeitgeber mehr Urlaub gewährt wurde, als diesem anteilig bezogen auf die bisherige Beschäftigungsdauer bereits zustand. Denn dann wird der „zu viel genommene“ Urlaub beim neuen Arbeitgeber abgezogen. Diese Regelung hat rechtlich mit der Probezeit nichts zu tun, kann sich aber bei Urlaub in der Probezeit auswirken.

Beispiel: Arbeitnehmer A wechselt kurzfristig zum 01.07. den Arbeitsplatz. A hatte bis zum 30.06 bereits 4 Wochen (20 Tage) Urlaub genommen, sein Jahresurlaubsanspruch beträgt 24 Tage. Bis zum 30.06. hatte er aber lediglich 12 Tage Urlaubsanspruch (für 6 Monate) beim alten Arbeitgeber erarbeitet, aber nun schon Urlaub für zehn Monate beansprucht.

Der Urlaubsanspruch beim neuen Arbeitgeber von 30 Tagen im Jahr (30 Tage: 12 Monate = 2,5 Tage pro Monat) ist daher für die Monate Juli bis Oktober um die zu viel genommenen 8 Tage (20 Tage – 12 Tage) zu kürzen. Denn A hat beim alten Arbeitgeber quasi schon seinen Urlaubsanspruch bis Oktober aufgebraucht. A stünde für die Zeit von Juli bis Oktober (4 Monate) daher nur noch Urlaub von 2 Tagen (10 Tagen eigentlicher Urlaubsanspruch – 8 Tage bereits genommener Urlaub = 2 Tage) zu, also ein halber Tag pro Monat.


5. Resturlaub bei Kündigung in der Probezeit

Wer tatsächlich in der Probezeit gekündigt wird, dem steht ggf. noch Resturlaub zu. Denn der Arbeitnehmer kann insgesamt so viel Urlaub beanspruchen, wie er in der Arbeitszeit erwirtschaftet hat. Der Arbeitnehmer kann diesen für die restliche Zeit seiner Betriebszugehörigkeit, also bis zum Wirksamwerden der Kündigung, beanspruchen. Der Arbeitgeber hat den Urlaub zu gewähren. Tut er dies nicht und ist die Gewährung des Urlaubs wegen Erreichen des Arbeitsendes nicht mehr möglich, kann der Arbeitnehmer Geldersatz für den nicht gewährten Urlaub, also eine Auszahlung verlangen.

Beispiel: A tritt eine neue Arbeitsstelle zum 01.01 an. Dort besteht ein Jahresurlaubsanspruch von 30 Tagen. A wird während der sechsmonatigen Probezeit Anfang April mit Wirkung zum 30.04. gekündigt. A hat im Jahr noch keinen Urlaub genommen. Da A in 4 Monaten 10 Urlaubstage erwirtschaftet, kann er diesen Urlaub während der verbleibenden Arbeitszeit verlangen.

6. Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen:

  • Urlaub kann auch in der Probezeit genommen werden.
  • Der Urlaubsanspruch wird bezogen auf den gesamten Jahresurlaub anteilig pro Monat im Arbeitsverhältnis erworben.
  • Der Arbeitgeber kann den Urlaub nur dann verweigern, wenn nachweislich dringende betriebliche Gründe oder Urlaub von Arbeitskollegen dagegen sprechen. Ein pauschaler Verweis auf die Probezeit ist dagegen unzulässig.
  • Wird das Arbeitsverhältnis im laufenden Kalenderjahr gewechselt und hat der Arbeitnehmer bereits Urlaub beim alten Arbeitgeber genommen, ist dieser Urlaub auf die Urlaubsansprüche beim neuen Arbeitgeber anzurechnen.
  • Bei einer Kündigung während der Probezeit muss der noch zustehende Resturlaub vom Arbeitgeber gewährt werden. Ist dies nicht möglich, muss der Urlaub ausbezahlt werden.

7. Praxistipp

Viele Arbeitgeber scheuen sich davor, einem Arbeitnehmer mehr Urlaub in der Probezeit zu gewähren, als dieser bereits Urlaubsansprüche erarbeitet hat. Hier ist eine Weigerung des Arbeitgebers legitim, da der Arbeitnehmer im Falle einer Kündigung nicht verpflichtet ist, den Mehrurlaub in Geld zu ersetzen.

Oft ist Kooperation natürlich besser als Konfrontation. Auch für den Arbeitgeber ist es letztlich nicht selten unvorteilhaft, wenn dem Arbeitnehmer in den ersten sechs Monaten gar kein Urlaub gewährt wird und dieser dann gegen Ende des Jahres den gesamten Resturlaub nehmen muss und wochenlang nicht im Unternehmen ist. Ist der Urlaub schon bei Antritt der Arbeitsstelle geplant und gebucht, sollte man dies am Besten schon im Vorstellungsgespräch ansprechen. Im Zweifel kann versucht werden, den Arbeitgeber dazu zu bewegen, für die Dauer der gebuchten Reise zumindest einen unbezahlten Urlaub zu gewähren.