Körperliche oder psychische Erkrankungen können dazu führen, dass Menschen nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr erwerbsfähig sind. Im Scheidungsfall besteht für diesen Fall nach § 1572 BGB ein Anspruch des geschiedenen Ehegatten auf Krankheitsunterhalt gegenüber dem ehemaligen Lebenspartner. Der sogenannte nacheheliche Unterhalt wegen Krankheit unterliegt allerdings bestimmten Voraussetzungen und Begrenzungen.

  1. Bei welchen Leiden kann Krankheitsunterhalt verlangt werden?
  2. Wann kann Unterhalt wegen Krankheit verlangt werden?
  3. In welcher Höhe kann Krankheitsunterhalt verlangt werden?
  4. Mitwirkungspflichten des kranken Ex-Partners
  5. Darlegungs- und Beweislast
  6. Zeitliche Befristung und Begrenzung des Umfangs des Anspruchs
  7. Fazit

1. Bei welchen Leiden kann Krankheitsunterhalt verlangt werden?

Ein Anspruch auf Krankheitsunterhalt besteht, wenn der Ehegatte an einer gesundheitlichen Störung (Krankheit, Gebrechen oder Schwäche) leidet und aus diesem Grund keiner normalen Erwerbstätigkeit nachgehen kann.

Als Krankheiten sind etwa anerkannt:

  • Suchterkrankungen wie Alkohol- oder Tablettenabhängigkeit, wobei hierbei unerheblich ist, ob die Suchtkrankheit auf ein schuldhaftes Verhalten des bedürftigen Ehegatten zurückzuführen ist
  • Magersucht und erhebliches Übergewicht
  • Psychische Erkrankungen (zum Beispiel Depressionen)

Gebrechen oder Schwächen sind dauerhafte körperliche oder geistige Beeinträchtigungen. Hierzu können beispielsweise gehören:

  • Blindheit
  • Taubheit
  • Lähmungen
  • sonstige Körperbehinderungen
  • angeborene Minderintelligenz
  • massive Persönlichkeitsstörungen
  • gravierende orthopädische Abnutzungserscheinungen

Für einen Anspruch aus § 1572 BGB muss die gesundheitliche Störung immer eine Minderung der Erwerbsfähigkeit zur Folge haben. Verbreitete körperliche Abnutzungserscheinungen und Unpässlichkeiten unter dieser Schwelle reichen hierfür nicht aus.

2. Wann kann Unterhalt wegen Krankheit verlangt werden?

Das Gesetz bestimmt auch den Zeitpunkt, zu dem die gesundheitliche Störung eingetreten sein muss. Vor diesem sogenannten Einsatzzeitpunkt muss eine lückenlose Unterhaltskette bestanden haben. Dieser Zeitpunkt kann sein

Der Anspruch auf nachehelichen Unterhalt wegen Krankheit kann daher auch Jahre nach der rechtskräftigen Scheidung geltend gemacht werden, wenn erst nachträglich entsprechend gravierende Leiden aufgetreten sind. Er entfällt ganz, wenn sich der Gesundheitszustand des Berechtigten soweit bessert, dass er wieder einer vollen Erwerbstätigkeit nachgehen kann.

3. In welcher Höhe kann Krankheitsunterhalt verlangt werden?

Generell kann Unterhalt wegen Krankheit nur verlangt werden, wenn der geschiedene Ehegatte leistungsfähig ist, also für seinen eigenen Lebensbedarf und den Krankheitsunterhalt aufkommen kann. Es soll verhindert werden, dass der Pflichtige durch die Zahlung nachehelichen Unterhalts sozialhilfebedürftig wird. Diesem Zweck dient der sogenannte Selbstbehalt, der beim unterhaltspflichtigen Ehegatten verbleibt. Die Höhe des Selbstbehalts beträgt nach der Düsseldorfer Tabelle aktuell 1.200,00 Euro pro Monat.

Die Höhe des Krankheitsunterhalts richtet sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen und umfasst den gesamten Lebensbedarf. Wenn der Ex-Partner nicht vollständig in seiner Erwerbsfähigkeit gemindert ist und trotz der Krankheit eine Teilerwerbstätigkeit ausführt, kann der Unterhalt nach § 1572 BGB um den Verdienst in dieser Tätigkeit gemindert werden. Wenn der Verdienst in dieser Teilerwerbstätigkeit und der Krankheitsunterhalt zur Erreichung des vollen Unterhaltsbedarfs nach § 1578 BGB nicht ausreichen, besteht möglicherweise ein Anspruch auf Ergänzung des Unterhalts.

Wird der Krankheitsunterhalt durch den Ex-Partner geltend gemacht, ist die Höhe der Unterhaltszahlung durch die Höhe des bisherigen und nunmehr entfallenden Unterhaltsanspruchs begrenzt.

4. Mitwirkungspflichten des kranken Ex-Partners

Bei allen Krankheiten ist der unterhaltsberechtigte Ex-Partner verpflichtet, aktiv auf seine Genesung hinzuwirken (Therapieobliegenheit). Er hat sich beispielsweise einer ärztlichen Behandlung zu unterziehen oder eine Suchttherapie zu absolvieren, soweit diese Maßnahmen Erfolg versprechend und zumutbar sind. Der Unterhaltsberechtigte muss außerdem Nachweise über erfolgte Heilbehandlungen und Therapiemaßnahmen erbringen (vgl. Bundesgerichtshof (BGH) v. 25.10.2006 – Az.: XII ZR 190/03).

Kommt der Unterhaltsberechtigte dieser Therapieobliegenheit nicht nach, obwohl es ihm möglich gewesen wäre, kann dies zum Ausschluss des Unterhaltsanspruchs führen. Das gilt vor allem dann, wenn er seine Bedürftigkeit mutwillig herbeiführt, etwa indem er eine gebotene und zumutbare Heilbehandlung ablehnt.

Hintergrund dieser Regelung: Der Ehegatte mit Anspruch auf Krankheitsunterhalt soll regelmäßig alle zumutbaren Anstrengungen unternehmen, um seine Erwerbsfähigkeit zu erhalten oder wiederherzustellen.

5. Darlegungs- und Beweislast

Der geschiedene Ehegatte muss konkret nachweisen, dass er krankheitsbedingt nicht oder nur eingeschränkt erwerbsfähig ist und dass dies im Einsatzzeitpunkt bereits der Fall gewesen ist (BGH v. 10.07.2013 – Az.: XII ZB 297/12).

Der den Unterhalt fordernde Ehegatte muss den Krankheitsverlauf detailliert nachweisen und mitteilen, inwiefern die Krankheit sich auf seine Erwerbsfähigkeit auswirkt. Es reicht nicht aus, dass er sich in allgemeiner Form auf Erwerbsunfähigkeit beruft, wie beispielsweise durch:

  • die Bezugnahme auf nicht aussagekräftige ärztliche Atteste und
  • den Hinweis auf einen Schwerbehindertenausweis

Es ist vielmehr ein aussagekräftiges fachärztliches Gutachten mit einer konkreten Diagnose vorzulegen. Eine beweiskräftige Feststellung krankheitsbedingter Erwerbsunfähigkeit ist daher ohne ein solches Fachgutachten in den meisten Fällen nicht möglich.

6. Zeitliche Befristung und Begrenzung des Umfangs des Anspruchs

Eine zeitliche Befristung des Anspruchs auf Krankheitsunterhalt ist in § 1578b BGB vorgesehen. Nach dieser Vorschrift ist ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt herabzusetzen oder zu begrenzen, wenn ein unbegrenzter Unterhaltsanspruch unangemessen wäre (BGH v. 14.04.2010 – Az.: XII ZR 89/08). Hierbei ist vor allem zu berücksichtigen, ob die Ehe sich negativ auf die Möglichkeit des erkrankten Ehegatten ausgewirkt hat, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. So kann ein Ehegatte etwa durch die Pflege oder Erziehung eines gemeinsamen Kindes oder die alleinige Haushaltsführung daran gehindert sein, einer eigenen Erwerbstätigkeit nachzugehen. Im Hinblick auf die nacheheliche Solidarität ist zudem die Dauer der Ehe zu berücksichtigen. Bei einer fünfjährigen kinderlosen Ehe kann daher eine Unangemessenheit eher angenommen werden als bei einer 26-jährigen Ehe, im Verlaufe derer sich ein Partner ausschließlich der Pflege eines kranken Kindes und der Haushaltsführung gewidmet hat.

Renteneinkünfte – dazu gehören insbesondere auch Erwerbsunfähigkeitsrenten und gesetzliche Unfallrenten – mindern den zu zahlenden Unterhalt. Eine Rentennachzahlung kann auch zu einem Erstattungsanspruch des Unterhaltszahlers führen. Wenn eine Rente rückwirkend für einen Zeitraum bewilligt wird, zu dem auch Unterhaltszahlungen geflossen sind, kann der zahlende Ex-Partner Rückzahlung des überzahlten Betrages verlangen.

7. Fazit

  • Der geschiedene Ehegatte hat bei Krankheit oder Gebrechen einen Anspruch auf Krankheitsunterhalt, wenn von ihm keine Erwerbstätigkeit erwartet werden kann.
  • Kann der kranke Ex-Partner teilweise arbeiten, ist der Anspruch auf Unterhalt geringer.
  • Der Unterhaltsberechtigte muss die Erkrankung sowie die daraus folgende ganze oder teilweise Minderung der Erwerbsfähigkeit beweisen.
  • Er muss alles dafür tun, um wieder gesund zu werden und Nachweise über erfolgte Therapien und Heilbehandlungen erbringen.
  • Kommt der anspruchsstellende geschiedene Ehegatte seinen Mitwirkungspflichten nicht nach, kann er seinen Anspruch auf Krankheitsunterhalt verwirken.
  • Renten und andere Kompensationszahlungen sind auf den Unterhaltsanspruch anzurechnen.