Mehr als jede dritte Ehe wird in Deutschland geschieden. In aller Regel läuft das nach einem genau festgelegten Verfahren ab. Dieses setzt u.a. eine mindestens einjährige Trennung voraus. Hiervon gibt es jedoch Ausnahmen.

  1. Ehescheidung: Regelfälle und Ausnahmen
  2. Voraussetzungen der Härtefallscheidung
  3. Was versteht man unter einem Härtefall?
  4. Ablauf der Härtefallscheidung
  5. Fazit
  6. Praxistipp

1. Ehescheidung: Regelfälle und Ausnahmen

Für die Scheidung gilt in Deutschland das sog. Zerrüttungsprinzip. Danach kann eine Ehe nur dann geschieden werden, wenn sie gescheitert ist. Es darf also nicht mehr zu erwarten sein, dass die Ehepartner ihre Lebensgemeinschaft wiederherstellen.

Die Regelfälle: Scheidung nach ein- oder dreijähriger Trennung

Dabei unterscheidet man im Familienrecht zwei Regelfälle:

  • Wollen beide Gatten die Scheidung, so gilt die Ehe als gescheitert, wenn sie ein Jahr getrennt leben.
  • Anders sieht es aus, wenn sich nur ein Partner scheiden lassen will. Dann greift diese Vermutung für das Scheitern i.d.R. erst bei dreijähriger Trennung.

Ausnahmen für Härtefälle

Die Ausnahme bildet die sog. Härtefallscheidung. Sie wird auch Blitzscheidung genannt. Geregelt ist sie in § 1565 II BGB. Danach kann die Ehe u.U. auch ohne Trennungsjahr geschieden werden. Voraussetzung ist, dass die Fortsetzung der Ehe für einen Partner eine unzumutbare Härte darstellen würde.

Wichtig zu wissen: Die Härtefallscheidung ist nicht mit einer Annullierung der Ehe zu verwechseln. Bei letzterer wird die Ehe aufgehoben und gilt dann von Anfang an als nicht geschlossen. Diese Fälle sind selten. Sie können z.B. bei Scheinehen oder Doppelehen (Bigamie) vorkommen. Außerdem wenn ein Partner getäuscht oder bedroht wurde, nicht zurechnungsfähig war o.ä.

2. Voraussetzungen der Härtefallscheidung

Das Gesetz erlaubt eine Härtefallscheidung ohne Trennungsjahr unter folgenden Voraussetzungen:

Die Ehe ist gescheitert

Zunächst muss die Ehe gescheitert sein, wie bei jeder Scheidung. Eine Wiederherstellung der Lebensgemeinschaft darf also nicht mehr zu erwarten sein.

Es liegt ein Härtefall vor

Zudem darf dem Scheidungswilligen objektiv nicht zuzumuten sein, an der Ehe festzuhalten. Die Gründe hierfür müssen gerade in der Person des Partners liegen.

Das Bestehen eines solchen Härtefalls muss der Antragssteller nennen und im Streitfall auch beweisen.

Für die Härtefallscheidung gelten hohe Anforderungen. Unerheblich ist, ob der Antragssteller es subjektiv unzumutbar findet, mit dem Ehepartner weiter verheiratet zu sein. Entscheidend ist vielmehr, wie ein vernünftig denkender Dritter die Lage einschätzen würde. Dabei müssen die Umstände des Einzelfalls abgewogen werden. Einem Unbeteiligten muss die Fortsetzung der Ehe als schlicht nicht zumutbar erscheinen. Anders gesagt: Die Fortsetzung der Ehe muss unerträglich scheinen.

Hierfür sind gravierende Gründe vorzutragen. Nicht ausreichend sind also eigene Motive des Antragsstellers. Zum Beispiel der Wunsch, schnell eine neue Ehe einzugehen o.ä. Allerdings ist ein Verschulden des anderen Gatten nicht erforderlich. Auch Eigenschaften können z.B. einen wichtigen Grund darstellen. Etwa manche psychischen Krankheiten.

In der Regel müssen die Partner außerdem räumlich getrennt sein. Ist das nicht der Fall, so spricht das gegen einen Härtefall. Dieser ist dann nur schwer glaubhaft zu machen. Andererseits ist unerheblich, wann der Härtegrund entstanden ist. Das heißt vor oder erst nach der Trennung.

3. Was versteht man unter einem Härtefall?

Die grundsätzlich einzuhaltende Trennungszeit soll Paare vor unüberlegten Scheidungen schützen. Deshalb darf nur in Ausnahmefällen auf sie verzichtet werden.

Eine Härtefallscheidung kommt daher nur in Notfällen in Frage. Etwa wenn ein Partner stark unter der Fortsetzung der Ehe leidet, sie für ihn z.B. extrem demütigend oder entwürdigend ist. Erforderlich ist immer eine besonders belastende Situation. Will heißen: So manches Verhalten kann ein Scheidungsgrund sein. Das macht es aber noch nicht zu einem Härtefall.

Zu anerkannten Härtefällen gibt es zahlreiche Urteile. Dennoch muss immer jeder einzelne Fall geprüft werden. Es sind also immer die gesamten Umstände zu betrachten.

Was wird nicht als Härtefall anerkannt?

Laut Rechtsprechung reicht unter anderem folgendes nicht aus, um einen Härtefall zu begründen:

  • eine verschwenderische oder schlechte Haushaltsführung
  • häufiger Streit mit dem Gatten
  • gefühlloses Verhalten des Partners
  • übertriebene Eifersucht
  • die Weigerung des Gatten, einen Beitrag zum Unterhalt zu leisten. Fälle der Verletzung der Unterhaltspflicht sind in der Rechtsprechung allerdings umstritten. Hier muss die konkrete Situation genauer geprüft werden.

Was kann einen Härtefall darstellen?

  1. Beim Missbrauch von Alkohol oder Drogen kommt es auf die Umstände an. Besteht er fortgesetzt, wird eine Therapie abgelehnt oder kommt es zu Rückfällen, so kann dies einen Härtefall darstellen.
  2. Auch bei Gewalt ist der einzelne Fall zu betrachten. Ein körperlicher Angriff im Streit muss noch kein Härtegrund sein. Anders verhält es sich bei schweren Verletzungen, häufigen Tätlichkeiten oder Misshandlungen vor den Kindern. Ebenso die Misshandlung der Kinder.
  3. Differenziert werden muss auch beim Thema Untreue. Ein Seitensprung reicht für eine Blitzscheidung nicht aus. Anders der fortgesetzte Ehebruch unter verletzenden Bedingungen. Ein in der Ehewohnung unterhaltenes oder ein homosexuelles Verhältnis können Härtegründe sein. Desgleichen eine Schwangerschaft der Frau vom Geliebten oder gar Prostitution.
  4. Einfache Beleidigungen sind laut Rechtsprechung kein Härtegrund. Anders kann es bei erniedrigenden Demütigungen und massiven Beschimpfungen sein. Insbesondere wenn es vor den Kindern dazu kommt.
  5. Gleiches gilt für Straftaten gegen den Partner, Bedrohungen oder sogar Morddrohungen.
  6. Weitere oft gerichtlich anerkannte Fälle sind Geisteskrankheit oder schwere sexuelle Perversionen. Ferner das Eingehen einer Ehe, nur um ein Aufenthaltsrecht zu erlangen. Jedenfalls dann, wenn der Partner ahnungslos ist.

Bei alldem ist ein Härtefall nicht allein dadurch ausgeschlossen, dass die Situation schon geraume Zeit bestand. Wer etwas aber länger hingenommen und ertragen hat, muss sich ggf. kritische Fragen gefallen lassen. Manchmal wird für einen Härtegrund dann gefordert, dass sich die Lage in jüngster Zeit verschärft hat.


4. Ablauf der Härtefallscheidung

Das Verfahren der Härtefallscheidung unterscheidet sich nicht wesentlich vom Ablauf einer normalen Scheidung. Es handelt sich insbes. nicht um ein Eilverfahren. Es wird also nicht beschleunigt durchgeführt. Die Ehe kann aber ohne Abwarten einer Trennungszeit geschieden werden.

Den Anfang macht immer der Scheidungsantrag beim Familiengericht. Dieser muss die behaupteten Härtegründe für eine sofortige Scheidung enthalten. Sinnvoll ist es, auch schon Beweise zu nennen. Zum Beispiel Zeugen, Dokumente usw.

Das gerichtliche Verfahren ist bei der Härtefallscheidung oft aufwändig. Wenn der andere Gatte z.B. alles bestreitet, dann muss der Antragsteller stichhaltige Beweise liefern. Diese muss das Gericht genau prüfen. Die Beweisaufnahme ist oft langwierig.

Wie bei jeder Scheidung gilt Anwaltszwang. Es empfiehlt sich, einen Fachanwalt für Familienrecht zu Rate zu ziehen.

5. Fazit

  • Eine Härtefallscheidung ist ohne Abwarten eines Trennungsjahres möglich.
  • In der Regel müssen die Partner zum Zeitpunkt des Scheidungsantrags aber schon räumlich getrennt sein.
  • Wie bei jeder Scheidung muss die Ehe gescheitert sein. Eine Wiederherstellung der Lebensgemeinschaft darf also nicht zu erwarten sein.
  • Die Härtefallscheidung ist nur möglich, wenn der Betreffende einen wichtigen Grund hat.
  • Der Grund muss in der Person des anderen Gatten liegen.
  • Der Antragsteller muss den Härtegrund darlegen und beweisen.

6. Praxistipp

Ein Antrag auf Härtefallscheidung will wohlüberlegt sein. Es bestehen hohe rechtliche Hürden. In den meisten Fällen wird Paaren zugemutet, das Trennungsjahr abzuwarten.

Wer sich auf Härtegründe beruft, der muss sie ggf. beweisen. Die Beweisaufnahme kann schwierig sein und lange dauern. Deshalb wird oft im Ergebnis zum Vergleich mit der einvernehmlichen Scheidung mit Trennungsjahr kaum Zeit gespart. Das gilt insbesondere dann, wenn schon ein Teil des Trennungsjahrs verstrichen ist. Mitunter entstehen dann durch die Härtefallscheidung nur überflüssige Kosten.

Selbst dann, wenn nur ein Partner die Scheidung will, muss oft keine drei Jahre gewartet werden. Zwar wird dann nicht automatisch vermutet, dass die Ehe gescheitert ist. Stellt ein Richter aber fest, dass die Ehe aus anderen Gründen zerrüttet ist, reicht auch ohne Zustimmung beider die einjährige Trennung.

Oft kann eine belastende Situation auch ohne schnelle Scheidung entschärft werden. Vielfach hilft schon, dass ein Partner auszieht. Sind Tätlichkeiten im Spiel, kann z.B. einstweiliger Rechtschutz sinnvoller sein als die Blitzscheidung. Etwa eine einstweilige Anordnung nach dem GewSchG. Danach sind z.B. Verbote möglich, sich dem Gatten zu nähern.

Für Paare, bei denen ein Versorgungsausgleich durchgeführt wird, macht die Blitzscheidung oft kaum Sinn. Das Einholen der Unterlagen für den Ausgleich kann Monate dauern. Dann wird mit der Blitzscheidung keine Zeit gespart. Eine schnelle Scheidung kann sich auch negativ auf den Anspruch auswirken. Schließlich hängt die Höhe des Versorgungsausleichs u.a. von der Dauer der Ehe ab.

Was Sie bei einer Härtefallscheidung alles beachten müssen erklärt Ihnen ein Fachanwalt für Familienrecht. Er kann Ihnen sagen, wann Sie mit einer regulären Scheidung besser fahren. Außerdem weiß der Anwalt auch, ob Sie eventuell Anspruch auf Prozesskostenhilfe haben.