1. Unterscheidung zwischen Dienstreise, Dienstgang und Wegezeit
  2. Wann gilt die Dienstreise als Arbeitszeit?
  3. Wann sind Dienstreisen zu vergüten?
  4. Fazit
  5. Praxistipp
  6. Video

1. Unterscheidung zwischen Dienstreise, Dienstgang und Wegezeit

Bei Mitarbeitern mit einer festen Arbeitsstätte setzt eine Dienstreise voraus, dass sie an einem anderen Ort für die Firma im Einsatz sind. Dieser darf sich nicht in unmittelbarer Nähe des Firmengeländes befinden. Begibt sich der Mitarbeiter etwa innerhalb der Arbeitszeit zu einem Kunden, der nur zwei Straßen weiter ansässig ist, so unternimmt er damit noch keine Dienstreise. Man spricht dann vielmehr von einem Dienstgang. Für eine Dienstreise muss also immer eine gewisse räumliche Entfernung überwunden werden. Welche Mindestdistanz dafür gilt, ist nach den individuellen Umständen zu beurteilen. Teilweise wird danach unterschieden, ob die Stadtgrenzen überschritten werden.

Auch die von einem Mitarbeiter täglich von seinem Wohnort zur regelmäßigen Arbeitsstätte zurückgelegte Strecke ist nicht als Dienstreise einzustufen. Sie zählt auch nicht zu seiner Arbeitszeit, sondern ist reine Wegezeit. Anders kann es u.U. aussehen, wenn der Mitarbeiter nicht zum Betrieb, sondern zu einer außerhalb gelegenen Niederlassung fährt. Namentlich dann, wenn diese Strecke weiter ist als die von seiner Wohnung zur regelmäßigen Arbeitsstätte.

Auf Grundlage seines Weisungs- und Direktionsrechts darf der Arbeitgeber Dienstreisen anordnen. Und zwar auch dann, wenn das nicht ausdrücklich im Arbeitsvertrag steht. Der Arbeitnehmer hat sie wahrzunehmen, wenn sie mit seinen Aufgaben im Zusammenhang stehen. Klassische Beispiele für Dienstreisen sind:

  • Auswärtige Kundentermine
  • Besuche bei Geschäftspartnern oder Zulieferern
  • Meetings in anderen Niederlassungen des Unternehmens
  • Besuche von Tagungen, Messen oder Schulungen

2. Wann gilt die Dienstreise als Arbeitszeit?

Unternimmt ein Mitarbeiter auf Weisung des Arbeitgebers eine Dienstreise, so stellt sich die weitere Frage, ob bzw. zu welchen Teilen diese als Arbeitszeit gilt. Dies ist von großer praktischer Relevanz, da die Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes eingehalten werden müssen.

Nach dem ArbZG  darf die tägliche Arbeitszeit i.d.R. acht Stunden nicht überschreiten. Als Arbeitszeit gilt die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit abzüglich der Pausen. Ausnahmen von bis zu 10 Stunden sind möglich. Dann dürfen innerhalb von sechs Monaten im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden.

Nach dem Ende der täglichen Arbeitszeit muss dem Mitarbeiter eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens 11 Stunden gewährt werden. Ausnahmen gelten für bestimmte Branchen. Dazu gehören Krankenhäuser, die Gastronomie oder die Verkehrsbetriebe.

Findet eine Dienstreise an einem Wochenende statt, so ist darüber hinaus § 11 des Arbeitszeitgesetzes zu beachten und es müssen mindestens 15 Sonntage im Jahr beschäftigungsfrei bleiben. Durch die Arbeitszeit an Sonntagen dürfen ferner die oben genannten Ruhezeiten nicht verletzt werden. Werden Arbeitnehmer an einem Sonntag beschäftigt, müssen sie zudem einen Ersatzruhetag erhalten. Dieser ist ihnen innerhalb eines Zeitraums von zwei Wochen zu gewähren, den Beschäftigungstag eingerechnet.

Bei Dienstreisen innerhalb der regulären Arbeitszeit kommt es kaum zu Verstößen gegen das ArbZG. Bei Reisen über weitere Entfernungen und außerhalb der normalen Betriebsstunden können die gesetzlich vorgeschriebenen Zeitlimits dagegen schnell überschritten werden. Deshalb ist dann danach zu fragen, welcher Teil der Dienstreise als Arbeitszeit anzusehen ist.

Einstufung der reinen Fahrtzeiten

Wichtig ist zunächst, ob die reine Fahrzeit einer Dienstreise als Arbeitszeit zu werten ist oder nicht. Die Rechtsprechung entscheidet dies nach der so genannten Beanspruchungstheorie. Danach gilt die Reisezeit dann als Arbeitszeit, wenn der Mitarbeiter unterwegs in einem Maße beansprucht ist, das eine Einordnung als Arbeitszeit rechtfertigt. Entscheidend hierfür ist zum einen die Anweisung des Chefs, wie er die Zeit zu nutzen hat. Zum anderen aber auch die Wahl des Verkehrsmittels.

Reise in Flugzeug oder öffentlichen Verkehrsmitteln

Ist der Arbeitnehmer in einem Transportmittel unterwegs, das er nicht selbst steuert, so ist maßgeblich, ob er die Fahrtzeit nach Belieben nutzen darf. Muss er unterwegs auf Weisung des Chefs für die Firma tätig sein, zum Beispiel Unterlagen durchsehen, telefonieren usw., so gilt die Fahrt als Arbeitszeit. Ist ihm freigestellt, wie er die Zeit verbringt, darf er sich zum Beispiel entspannen, Musik hören usw., so liegt Ruhezeit vor. Das gilt selbst dann, wenn er sich freiwillig mit dienstlichen Aufgaben beschäftigt, zum Beispiel Mails checkt, Termine vorbereitet etc.

Hierzu ein Beispiel: Herr Müller fährt für seine Firma in Köln zu einem Kundentermin in München, um dort Verhandlungen zu führen. Er reist mit dem ICE. Auf der Hinfahrt bereitet er in Absprache mit dem Chef seine Präsentation vor. Sie zählt deshalb als Arbeitszeit. Auf der Rückfahrt vom Termin liest Herr Müller im Zug einen Krimi und schläft anschließend. Die Rückfahrt ist keine Arbeitszeit.

Reise mit dem Auto

Anders liegt der Fall, wenn der Mitarbeiter auf Anordnung des Chefs in einem Fahrzeug unterwegs ist, das er selbst steuert. In diesem Fall gilt die Fahrtzeit als Arbeitszeit. Die aktive Teilnahme am Straßenverkehr wird aufgrund der damit verbundenen geistigen und körperlichen Beanspruchung als Arbeitszeit gewertet.

Doch Vorsicht: Dies gilt dann nicht, wenn der Arbeitgeber es dem Angestellten freigestellt hat, welches Transportmittel er nutzt oder er ihm z.B. die Bahnreise vorgeschrieben hat. Fährt der Mitarbeiter dann dennoch mit dem Pkw, so wird die Fahrt nicht als Arbeitszeit gewertet. Er hätte ja die Möglichkeit gehabt, ein öffentliches Verkehrsmittel zu nutzen und sich auszuruhen. Darauf hat er freiwillig verzichtet. Ausnahmen können gelten, wenn der Mitarbeiter nur deshalb den Pkw nimmt, weil die Reise mit öffentlichen Verkehrsmitteln deutlich länger oder umständlicher wäre.

Wichtig zu wissen: Für Kollegen, die der Fahrzeugführer auf der Dienstreise mitnimmt, gilt auch die Fahrt im Pkw i.d.R. nicht als Arbeitszeit

Am auswärtigen Ort verbrachte Zeit

Hinsichtlich der am Zielort der Dienstreise verbrachten Zeit ist ebenfalls zu differenzieren. So zählen Stunden, die für Meetings und sonstige geschäftliche Angelegenheiten aufgewendet werden, als Arbeitszeit. Solche, in denen der Mitarbeiter sich auswärts aufhält, aber nicht für die Firma tätig ist, gelten dagegen als Freizeit und Ruhezeit. Beispiele sind Wartezeiten zwischen Terminen, Aufenthaltszeit in der Unterkunft usw. Das Abendessen im Restaurant (Ausnahme: Geschäftsessen) zählt hierzu ebenso wie der Fernsehabend oder das private Internetsurfen im Hotel. Alle dienstlich aufgewendeten Zeiten sollten Arbeitnehmer deshalb genau dokumentieren.

Besonderheiten bei Außendienstlern und Berufskraftfahrern

Bei Arbeitnehmern, die keinen festen Dienstort haben, sondern ihre Tätigkeit naturgemäß reisend ausüben, gelten besondere Regeln. Dazu gehören insbes. LKW-, Kurier- oder Taxifahrer, Handelsvertreter usw. Die von ihnen zurückgelegten Wegezeiten sind immer als Arbeitszeit einzuordnen. Sie stellen ja gerade ihre vertraglich geschuldete Hauptleistungspflicht dar bzw. sind für diese die Voraussetzung.

Sind Zeiten nach den o.g. Kriterien als Arbeitszeit zu werten, so müssen die Zeitgrenzen des ArbZG eingehalten werden!
Beispiel aus der Praxis: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat 2015 entschieden, dass Fahrzeiten, die Arbeitnehmer ohne festen oder gewöhnlichen Arbeitsort zwischen ihrem Wohnort und dem Standort des ersten und des letzten Kunden aufwenden, Arbeitszeit im Sinne der sog. Arbeitszeitrichtlinie darstellen (Urteil vom 10.9.2015 – Az. C-266/14).
 
Ausgangspunkt der Entscheidung war ein Rechtsstreit vor einem spanischen Gericht. Dabei kam es letztlich auf die Frage an, ob bestimmte Fahrzeiten, die ein Arbeitnehmer aufwendet, als „Arbeitszeit“ im Sinne des Unionsrechts anzusehen sind. Bei dem in Rede stehenden Arbeitnehmer handelte es sich um einen Techniker, der bei den Kunden seines Arbeitgebers regelmäßig Sicherheitsvorrichtungen installierte und wartete. Dabei berechnete der Arbeitgeber die tägliche Arbeitszeit, indem er auf die Zeit zwischen der Ankunft des Arbeitnehmers am Standort des ersten Kunden des Tages und seiner Abreise vom Standort des letzten Kunden abstellte. Die Fahrzeit „Wohnort-Kunde“ – also die von ihm bestimmten Fahrten zwischen dem Wohnort der Arbeitnehmer und dem Standort des ersten und des letzten Kunden – rechnete er nicht als Arbeitszeit an, sondern ordnete diese als Ruhezeit ein.
 
Nach dem EuGH ist auch die Fahrzeit zwischen Wohnort und Kundenterminen als Arbeitszeit im Sinne des Unionsrechts anzusehen, da diese Zeit dem Arbeitnehmer nicht zur freien Verfügung steht, sondern dem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Dieser könne beispielsweise Termine verlegen oder streichen und somit die Tätigkeit des Arbeitnehmers während dieser Zeit konkret ausgestalten. Die Fahrt zu Kundenterminen stelle zudem auch das notwendige Mittel dar, um an diesen Standorten die erforderliche Arbeitsleistung zu erbringen. Dass Arbeitnehmer in einer solchen Situation ihre Arbeitszeit an ihrem Wohnort beginnen und beenden, sei demnach unmittelbare Folge der Entscheidung des Arbeitgebers, keinen festen Arbeitsort anzubieten und nicht etwa der eigene Wille der Arbeitnehmer.
 
Eine andere Auffassung liefe zudem dem Zweck der genannten Richtlinie zuwider, den Schutz der Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer zu gewährleisten, was auch die Gewährung einer Mindestruhezeit für den Arbeitnehmer beinhalte.

3. Wann sind Dienstreisen zu vergüten?

Unabhängig von der Frage, welche Zeit einer Dienstreise Arbeitszeit ist und ob die Ruhezeiten eingehalten werden, stellt sich noch eine andere. Wann sind Arbeitszeiten auf einer Dienstreise zu vergüten?

Wichtig zu wissen: Nicht alles, was zur Arbeitszeit zählt, muss zwangsläufig auch extra bezahlt werden!

Reisetätigkeit bestimmter Berufsgruppen

Bei Berufsgruppen, für die das Reisen wesentlicher Bestandteil ihrer Arbeit, so genannte Hauptleistungspflicht ist, muss es selbstverständlich vergütet werden. Neben den bereits erwähnten Berufskraftfahrern gehören dazu z.B. auch Reiseleiter.

Auch Mitarbeiter, für die das Reisen zwar keine Hauptleistungspflicht ist, die diese aber ohne das Reisen gar nicht erbringen könnten, haben einen Anspruch auf Vergütung. Das Reisen muss dafür zwingende Voraussetzung ihrer Tätigkeit sein. Beispiele sind Vertreter und andere Außendienstmitarbeiter. Ferner Kundendienstmonteure oder Bauarbeiter, die auf wechselnden Baustellen eingesetzt werden. Ebenso Bauleiter, die auswärtige Arbeiten vor Ort überwachen müssen.

Dienstreise während der Arbeitszeit

Bei allen anderen Arbeitnehmern sind Dienstreisen, die während der regulären Arbeitszeit stattfinden, ganz normal im Rahmen dieser zu vergüten. Das gilt auch dann, wenn die Dienstreise weniger als die reguläre Arbeitszeit in Anspruch nimmt. Zum Beispiel wenn der Betreffende schon um 16 statt um 17 Uhr, dem offiziellen Dienstende, wieder zu Hause eintrifft. Dass der Arbeitgeber die Leistung des Mitarbeiters nicht voll in Anspruch nimmt ist dann seine eigene Entscheidung. Er könnte sie ja auch ausschöpfen.

Dienstreise außerhalb der Arbeitszeit

Ob Reisezeiten, die über die regelmäßige Arbeitszeit hinausgehen, zu vergüten sind, kann in Arbeits- oder Tarifverträgen explizit geregelt sein. Ähnlich wie auch bei sonstigen Überstunden. Nach den Tarifbestimmungen des öffentlichen Dienstes (§ 44 Abs. 2 TVöD BT-V) wird zum Beispiel nur die Dienstreisezeit vergütet, in der ein Mitarbeiter tatsächlich dienstlich tätig ist, nicht aber die reine Fahrtzeit.

Gibt es keine Regelung, so muss nach § 612 BGB danach entschieden werden, ob eine Vergütung den Umständen nach zu erwarten ist. Dabei kommt es auf die Situation im Einzelfall an.

Insbesondere bei Arbeitnehmern in gehobener Position mit entsprechendem Gehalt gelten Reisezeiten oft als durch die Grundvergütung mit abgegolten. Die Tarifregelungen des Öffentlichen Dienstes regeln dies für die Mehrarbeit von Mitarbeitern höherer Gehaltsgruppen explizit in § 43 Abs. 2 TVöD BT-V.

4. Fazit

  • Voraussetzung einer Dienstreise ist das Überwinden einer gewissen räumlichen Entfernung.
  • Es müssen die Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes eingehalten werden.
  • Die Fahrzeit gilt dann als Arbeitszeit, wenn der Arbeitgeber das Lenken eines Kfz oder die Wahrnehmung bestimmter Aufgaben anordnet.
  • Von der am Zielort verbrachten Zeit ist das Arbeitszeit, was für geschäftliche Angelegenheiten aufgewendet wird. Alles andere ist Ruhezeit.
  • Nicht alles, was zur Arbeitszeit zählt, muss auch extra bezahlt werden. Arbeits- oder Tarifverträge können feste Regelungen enthalten. Im Übrigen ist dann eine Vergütung zu zahlen, wenn sie den Umständen nach zu erwarten ist.
  • Für Berufsgruppen, die nach ihrem Arbeitsvertrag eine Reisetätigkeit ausüben, gelten besondere Regelungen.

 
Arbeitnehmer und Arbeitgeber sollten zum Thema Dienstreise möglichst klare Vereinbarungen treffen. In Zweifelsfällen weiß ein Fachanwalt für Arbeitsrecht Rat.

5. Praxistipp

Bei Dienstreisen stellen sich nicht nur Fragen des Arbeitsrechts. Oft treten auch versicherungs- oder steuerrechtliche Probleme auf.

So sind Mitarbeiter auf Dienstreisen grundsätzlich gesetzlich unfallversichert. Ausnahmen können aber gelten, wenn auf der Reise aus privaten Motiven ein Umweg genommen oder sie für Freizeitzwecke verlängert wird.

Dienstreisekosten trägt meist der Arbeitgeber. Ersetzt er sie nicht oder nicht vollständig, so können sie oft als Werbungskosten von der Steuer abgesetzt werden. Besonderheiten gelten aber bei Reisen, die gemischt privat und beruflich veranlasst sind. Hier ist eine nähere Differenzierung nötig. Nur die ein­deu­tig be­ruf­li­chen An­tei­le der Reise dürfen von der Steuer abgesetzt werden.

6. Video