1. Was passiert, wenn ich meinen Arbeitsplatz nicht erreichen kann?
  2. Dienstreise trotz Streik im Flugverkehr?
  3. Kann ich im Home-Office arbeiten oder Urlaub nehmen?
  4. Darf ich zu spät zur Arbeit kommen?
  5. Werden Mehrkosten erstattet?
  6. Werde ich bezahlt, obwohl ich nicht zur Arbeit kommen kann?
  7. Drohen Kündigung oder Abmahnung?
  8. Die KiTa oder Schule streikt: Darf ich zu Hause meine Kinder betreuen?

1. Was passiert, wenn ich meinen Arbeitsplatz nicht erreichen kann?

Bei einem Streik im Nah- oder Fernverkehr wird der Arbeitsweg schnell zum Problem. Gerade für Pendler, die mit dem Zug weite Strecken zurücklegen müssen, ist der Arbeitsplatz bei einem Streik mitunter gar nicht zu erreichen.

Grundsätzlich gilt aber: Ein Streik ist arbeitsrechtlich kein Grund, um nicht zur Arbeit zu erscheinen.

Rechtlich spricht man hier vom „Wegerisiko“: Es liegt grundsätzlich in der Verantwortung des Arbeitnehmers, seinen Arbeitsplatz zu erreichen.

Er muss daher alles ihm Zumutbare tun, um trotz des Streiks zur Arbeit zu kommen. So hat er nach alternativen Verkehrsmitteln oder Routen zu suchen und dabei auch eine längere Fahrtzeit in Kauf zu nehmen. Er ist je nach Zumutbarkeit beispielsweise verpflichtet, statt dem Bus das Fahrrad zu nehmen oder eine Mitfahrgelegenheit zu organisieren.

2. Dienstreise trotz Streik im Flugverkehr?

Ob wegen Fluglosten, Bodenpersonal oder Piloten: Streiks im Flugverkehr kommen häufig vor. Sind Arbeitnehmer dann verpflichtet, für ihre Dienstreise auf andere Verkehrsmittel umzusteigen?

Hier ist in jedem Fall abzuwägen. Sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber kann nichts Unzumutbares aufgezwungen werden.

Beispiele:
 
  • Arbeitnehmer A muss am kommenden Montag kurzfristig ins 400 km entfernte Stuttgart zu einem Kunden reisen. Er arbeitet in Gleitzeit. Um 12 Uhr ist sein Termin. Er bucht einen Flug. Am Sonntag erfährt er, dass dieser streikbedingt ausfällt. Ihm wird es regelmäßig zumutbar sein, z.B. auf den Zug umzusteigen und dafür eine Stunde früher aufzustehen.
  • Anders wird es sein, wenn der A mitten in der Nacht aufstehen müsste, um auf ein alternatives Verkehrsmittel umzusteigen und der Termin für den Arbeitgeber nicht von herausragender Bedeutung ist.

 
Selbstverständlich ist in jedem Fall vorher Rücksprache mit dem Arbeitgeber zu halten.

3. Kann ich im Home-Office arbeiten oder Urlaub nehmen?

Kann der Arbeitnehmer trotz aller Bemühungen seine Arbeitsstelle nicht erreichen, sollte er seinen Arbeitgeber so früh wie möglich informieren und mit ihm nach einer gemeinsamen Lösung suchen.

Der Arbeitnehmer könnte beispielsweise vorschlagen, einen Tag im Home-Office zu arbeiten. Ein Recht hierauf hat er aber nicht, sofern der Arbeitsvertrag dies nicht ausdrücklich vorsieht. Besteht der Arbeitgeber also auf die Anwesenheit des Arbeitnehmers im Betrieb, muss er auch erscheinen.

Zudem kann der Arbeitnehmer an Streiktagen auch Urlaub nehmen und sich so den beschwerlichen Arbeitsweg ersparen. Auch hier gilt aber, dass der Urlaub mit dem Arbeitgeber abgesprochen werden muss. Der Arbeitnehmer darf sich also nicht auf eigene Faust selbst beurlauben. Zwar muss der Arbeitgeber Urlaubswünschen grundsätzlich entsprechen. Liegen aber sozial vorrangige Urlaubsanträge vor oder ist der Arbeitnehmer zu der betroffenen Zeit unverzichtbar, darf der Arbeitgeber ablehnen.

Unbezahlter Urlaub bzw. Freistellungen stehen erst recht im Ermessen des Arbeitgebers. Der Arbeitnehmer kann dies nicht verlangen.

4. Darf ich zu spät zur Arbeit kommen?

Selbst wenn der Arbeitnehmer sein Möglichstes versucht, um seinen Arbeitsplatz zu erreichen, wird er mitunter zu spät zur Arbeit erscheinen. Die Auswirkungen eines Streiks sind oftmals unberechenbar.

Auch hier gilt jedoch, dass das Wegerisiko beim Arbeitnehmer liegt. Dieser muss nicht nur sicherstellen, dass er seinen Arbeitsplatz überhaupt erreicht, sondern auch, dass er pünktlich ankommt. Der Arbeitnehmer muss daher notfalls früher aufstehen und Unsicherheiten einplanen.

Sobald ein verspätetes Eintreffen am Arbeitsplatz absehbar ist, muss er seinen Arbeitgeber unverzüglich kontaktieren.

Der Arbeitnehmer hat keinen gesetzlichen Anspruch darauf, verpasste Arbeitsstunden nachzuholen. Umgekehrt kann der Arbeitgeber auch nicht verlangen, dass ein Mitarbeiter die Arbeitszeit nachholt. Es sei denn, das ist im Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung so geregelt. Flexibler sind die Gestaltungsmöglichkeiten natürlich im Zusammenhang mit Arbeitszeitkonten und Gleitzeitvereinbarungen. Soweit die „Verspätung“ die flexible Arbeitszeit betrifft, kann die Nacharbeit verlangt werden.

5. Werden Mehrkosten erstattet?

Teilweise wird der Arbeitnehmer bei einem Streik gezwungen sein, auf ein teureres Verkehrsmittel auszuweichen, um seine Arbeitsstelle zu erreichen. Dies kann mit erheblichen Mehrkosten verbunden sein.

Der Arbeitgeber ist jedoch grundsätzlich nicht verpflichtet, sich an diesen Kosten zu beteiligen. Es liegt in der Verantwortung des Arbeitnehmers, den Arbeitsplatz zu erreichen. Dieser muss daher auch die Beförderungskosten selbst tragen.

6. Werde ich bezahlt, obwohl ich nicht zur Arbeit kommen kann?

Hier gilt der Grundsatz: Ohne Arbeit kein Lohn.

Erscheinen Arbeitnehmer daher nicht oder zu spät zur Arbeit, müssen sie auch nicht bezahlt werden. Zwar mag der Arbeitnehmer nicht schuld sein, wenn er aufgrund eines Streiks seine Arbeitsstelle nicht erreicht; der Arbeitgeber ist es jedoch meist genauso wenig. Da das Wegerisiko aber beim Arbeitnehmer liegt, hat er in diesem Fall auch das Nachsehen.

7. Drohen Kündigung oder Abmahnung?

Grundsätzlich muss der Arbeitnehmer zur Arbeit erscheinen. Kommt er nicht oder zu spät, verletzt er seine Pflichten. Bei einer einmaligen kleinen Unpünktlichkeit drohen jedoch meist keine Abmahnung oder Kündigung. Dies gilt umso mehr, wenn der Arbeitnehmer durch einen Streik und nicht nur durch eine bloße Nachlässigkeit seinerseits an der Arbeit gehindert wird.

Wenn der Arbeitnehmer allerdings bereits in der Vergangenheit öfter negativ aufgefallen ist, beispielsweise auch ohne Streik regelmäßig zu spät kommt, muss er mit Konsequenzen rechnen.

Der Arbeitnehmer sollte daher unbedingt den Arbeitgeber sofort informieren, falls er nicht oder zu spät zur Arbeit kommt. Tut er dies nicht, kann hierin eine eigenständige Pflichtverletzung gesehen werden, welche durchaus auch arbeitsrechtliche Folgen nach sich ziehen kann.

8. Die KiTa oder Schule streikt: Darf ich zu Hause meine Kinder betreuen?

Problematisch wird es für Arbeitnehmer aber auch dann, wenn ihre Kinder aufgrund eines Streiks tagsüber nicht mehr betreut werden. Streikt die Kindertagesstätte oder Schule, können Eltern ihre jüngeren Kinder nicht unbeaufsichtigt zu Hause lassen.

In diesem Fall müssen Eltern grundsätzlich zunächst alle nötigen und zumutbaren Anstrengungen unternehmen, um eine alternative Kinderbetreuung zu organisieren. Je früher der Streik angekündigt wurde, desto mehr Spielraum bleibt den Eltern und umso größere Mühen können erwartet werden. Bei einem nur kurzfristig angekündigten Streik wird die Organisation einer Betreuung hingegen oftmals schwerfallen und der Arbeitnehmer muss selbst seine Kinder betreuen.

Lohnausfall müssen Arbeitnehmer in diesem Fall aber grundsätzlich nicht fürchten.

Steht keine alternative Kinderbetreuung zur Verfügung, kann der Arbeitnehmer nämlich einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung haben, obwohl er nicht arbeitet.

Denn: Nach § 616 BGB ist der Arbeitnehmer weiterzubezahlen, wenn er für eine „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird.“

Für die Beantwortung der Frage, ob der Arbeitnehmer Anspruch auf Entgeltfortzahlung hat, sind seine Interessen gegen die des Arbeitgebers abzuwägen.

Beispiele:

  • Betreuen ohnehin häufig die Großeltern das Kind und ist dies auch während des Streiks möglich, wird das Gehalt eher nicht weitergezahlt.
  • Fehlte der Arbeitnehmer schon mehrfach, weil er sein Kind betreuen musste, sind ihm umso größere Anstrengungen für eine Ersatzbetreuung zuzumuten.
  • Dasselbe gilt, wenn der Arbeitnehmer in den kritischen Tagen zur Fertigstellung eines wichtigen Projektes unbedingt in der Firma anwesend sein muss.

Der Arbeitgeber muss so früh wie möglich benachrichtigt werden.

Die Anwendung von § 616 BGB kann im Arbeits- oder Tarifvertrag ausgeschlossen werden. Hier lohnt sich ein Blick in die entsprechenden Regelungen.