„Länger arbeiten“ gehört heute für viele Arbeitnehmer zum Berufsalltag. Doch welche Regeln gelten für Überstunden?

  • Wann darf der Chef Überstunden anordnen?
  • Welche vertraglichen Regelungen sind zulässig?
  • Was sagt das Gesetz?

Diese und weitere Fragen klären wir im folgenden Beitrag.

  1. Vertragliche Vereinbarungen zu Überstunden
  2. Vereinbarte Arbeitszeit ist maßgeblich
  3. Anordnung von Überstunden
  4. Gesetzliche Regelungen zu Überstunden
  5. Fazit

1. Vertragliche Vereinbarungen zu Überstunden

Regelungen zu Überstunden sind in erster Linie vertraglich festzulegen, was in der Praxis auch recht häufig geschieht. Der Arbeitgeber kann also im Arbeitsvertrag festlegen, ob und in welchem Umfang Überstunden zu leisten sind und wie diese vergütet werden.

Freilich müssen sich die Regelungen im Arbeitsvertrag an das rechtlich Zulässige halten. Hierzu zählen insbesondere die Vorgaben des Bürgerlichen Gesetzbuches zu Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) in den §§ 305 ff. BGB.

Oftmals finden sich Klauseln im Arbeitsvertrag, wonach anfallende Überstunden mit dem Gehalt abgegolten sind. Nicht zu beanstanden sind solche sogenannten Abgeltungsklauseln, wenn dadurch eine zeitlich konkret eingegrenzte Anzahl von Überstunden – z. B. 10 Stunden pro Monat – mit dem Gehalt abgegolten wird.

Für die Wirksamkeit einer Überstundenregelung kommt es stets darauf an, dass für den Arbeitnehmer zweifelsfrei ersichtlich ist, in welchem Umfang unbezahlte Überstunden mit abgegolten sein sollen.

Dies ist nicht gewährleistet, wenn laut Arbeitsvertrag pauschal sämtliche Überstunden oder aber „erforderliche Überstunden“ mit dem Gehalt abgegolten sind.

Eine solch unklare Bestimmung stellt einen Verstoß gegen das Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB dar und ist folglich unwirksam. Durfte der Arbeitnehmer in diesem Fall eine Vergütung für geleistete Überstunden erwarten, sind die Überstunden dann auch zu bezahlen.


2. Vereinbarte Arbeitszeit ist maßgeblich

Ohne Überstundenregelung im Arbeitsvertrag sind Arbeitnehmer außer in Notsituationen (hierzu später mehr) grundsätzlich nicht zur Leistung von Überstunden verpflichtet. Sie können dann unter Umständen auch Mehrarbeit verweigern, die über die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinausgeht.

Dieser Grundsatz ist durch das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz bestätigt worden. In diesem Fall wurde ein Arbeitnehmer als Schweißer ohne schriftlichen Arbeitsvertrag beschäftigt. Im Betrieb musste um 6.45 Uhr mit der Arbeit angefangen werden. Ende Februar 2011 fand er einen Aushang am schwarzen Brett vor. Die Überschrift lautete „Anordnung von Überstunden”. Demzufolge waren am Samstag, den 26.02.2011 von 06.00 Uhr bis 10.00 Uhr Überstunden zu leisten. Darüber hinaus ordnete der Arbeitgeber ab Montag, den 28.02.2011 bis auf weiteres einen Arbeitsbeginn um 5.45 Uhr an. Daraufhin erschien der Arbeitnehmer am 01.03.2011 gegen 6 Uhr zur Arbeit. Am 02.03.2011 kam er um 7.57 Uhr zur Arbeit. Daraufhin schickte der Arbeitgeber ihm eine Abmahnung und begründete diese damit, dass er zum Ableisten der angeordneten Überstunden verpflichtet sei.

Das Landesarbeitsgericht Rheinland Pfalz gab der Klage des Mitarbeiters mit Urteil vom 15.12.2011 (Az. 2 Sa 559/11) statt. Die Richter begründeten dies damit, dass er mangels vertraglicher Vereinbarung auch nur während der regulären Arbeitszeit anwesend sein muss. Auch eine vorübergehende Notlage, welche eine ausnahmsweise Verpflichtung zur Ableistung von Mehrarbeit hätte rechtfertigen können, sei durch den Arbeitgeber nicht dargelegt worden. Infolgedessen fehlte es an einem Pflichtverstoß. Der Arbeitgeber musste daher die Abmahnungen aus der Personalakte entfernen.

Auch wenn Überstunden nicht ausdrücklich arbeitsvertraglich vereinbart sind: Geht es um einzelne Überstunden, wird in der Praxis kaum ein Mitarbeiter ein gutes Verhältnis zum Vorgesetzten riskieren und die Ableistung von Überstunden ablehnen. Anders mag es aussehen, wenn der Mitarbeiter ohnehin auf dem Absprung ist und es ihm egal ist, wenn er auf die „Abschussliste“ des Arbeitgebers gerät. Bei regelmäßigen Überstunden ohne vertragliche Regelung sollte der Arbeitnehmer aber im Sinne der Rechtsklarheit das Gespräch mit dem Chef suchen, um zu einer vernünftigen, einvernehmlichen Regelung im Arbeitsvertrag zu finden.

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die tatsächliche Arbeitszeit zu erfassen. Das hat das Bundesarbeitsgericht mit Beschluss vom 12.09.2022 (Az. 1 ABR 22/21) festgestellt. Beginn und Ende der Arbeitszeit müssen einschließlich Überstunden und Pausen dokumentiert werden.

3. Anordnung von Überstunden

Etwas anderes gilt, wie oben bereits erwähnt, wenn Überstunden in besonderen Situationen vom Arbeitgeber angeordnet werden:

Auch wenn keine Regelung zu Überstunden im Arbeitsvertrag oder in einem geltenden Tarifvertrag getroffen wurde, kann der Arbeitgeber Überstunden ausnahmsweise anordnen und der Mitarbeiter verpflichtet sein, diese dann auch zu leisten.

Dies ergibt sich aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben für Notfälle, also außergewöhnliche, vom Arbeitgeber nicht vorhersehbare Notsituationen. Hierzu zählt beispielsweise ein Brand im Betrieb oder eine Überschwemmung. Dann können Überstunden des Mitarbeiters erforderlich sein, um kurzfristig Gefahren für den Betrieb abzuwehren oder sogar die Existenz des Betriebs zu schützen. Es handelt sich also um seltene, echte Notlagen. Nicht hierunter fallen betriebliche Engpässe wie etwa eine verspätete Lieferung oder ein kurzfristiger Großauftrag.

Schließlich kann auch eine Auslegung des Arbeitsvertrages, die Betriebsüblichkeit oder die Art der übernommenen Tätigkeiten für eine Verpflichtung zu Überstunden im Einzelfall sprechen. Dies gilt beispielsweise bei Führungskräften und leitenden, außertariflichen Angestellten, da diese sich regelmäßig in höherem Maße zur Arbeitsleistung verpflichten, auch wenn dies vertraglich nicht unbedingt explizit geregelt ist.

Bei der Anordnung von Überstunden muss der Arbeitgeber grundsätzlich die in § 3 Satz 2 ArbZG festgelegte Grenze von maximal 10 Arbeitsstunden täglich beachten.


4. Gesetzliche Regelungen zu Überstunden

Eine ausdrückliche gesetzliche Verpflichtung, Überstunden zu leisten, besteht nicht.

Auch das Weisungsrecht des Arbeitgebers nach § 106 GewO setzt eine arbeits- oder tarifvertragliche Pflicht zur Ableistung von Überstunden voraus und erlaubt es dem Arbeitgeber nicht, generell Überstundenarbeit zu verlangen.

Nur für einige Berufsgruppen bestehen konkrete gesetzliche Vorgaben. So sind Überstunden von Auszubildenden nach § 17 Abs. 3 BBiG durch Vergütung oder Freizeitausgleich abzugelten. Schwerbehinderte können beantragen, keine Überstunden leisten zu müssen, § 207 SGB IX.

Besteht keine gesetzliche oder ausdrückliche vertragliche Regelung zu Überstunden, ist der Arbeitsvertrag in der Regel so auszulegen, dass geleistete Überstunden zu vergüten sind – jedenfalls, sofern aus objektiver Sicht eine Vergütung erwartet werden kann.

Der Arbeitgeber ist gesetzlich verpflichtet, die Arbeitszeit – einschließlich Überstunden – zu dokumentieren (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG). Das folgt aus dem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 12.09.2022.

5. Fazit

  • Meist werden Überstunden im Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag geregelt
  • Bei einer zulässigen Anordnung von Überstunden ist der Arbeitnehmer zur Ableistung verpflichtet
  • Vom Arbeitgeber angeordnete oder gebilligte Überstunden müssen grundsätzlich ausbezahlt werden oder können bei entsprechender Regelung in Freizeit ausgeglichen werden.