1. Anrechenbares Nettoeinkommen reduzieren
  2. Berufsbedingte Aufwendungen
  3. Vorrangig Unterhaltsberechtigte
  4. Erwerbsobliegenheit beim nachehelichen Unterhalt
  5. Versicherungen und Altersvorsorge
  6. Kredite
  7. Selbstständige: Bilanzierung und Rücklagen
  8. Der Zeitpunkt ist wichtig
  9. Video

Wie Sie den Unterhalt kürzen

Unterhaltspflichten existieren bei fast jeder nahen Verwandtschaftsbeziehung. Bei unterhaltsberechtigten Kindern, Eltern, Ehe- und Ex-Ehegatten können die monatlichen Geldzahlungen für den Unterhaltspflichtigen erhebliche Belastungen darstellen. Deswegen billigt der Gesetzgeber den Unterhaltspflichtigen zu, über verschiedene Wege den Unterhalt zu reduzieren.

Indem Sie geltend machen, gar nicht oder beschränkt leistungsfähig zu sein, kann sich die Unterhaltssumme erheblich verändern. Um das zu erreichen, müssen Sie monatliche Ausgaben und Belastungen geltend machen. Diese drücken Ihr tatsächlich verfügbares Einkommen rechnerisch und können dazu führen, dass Sie unter die Selbstbehaltsgrenzen rutschen.

Achtung: Beim Ehegattenunterhalt gilt die Besonderheit, dass sich der Unterhalt nach den ehelichen Lebensverhältnissen richtet. Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs ist allerdings der Selbstbehalt entsprechend der ehelichen Lebensverhältnisse flexibel. Lesen Sie dazu unseren Artikel zur Berechnung des nachehelichen Unterhalts.

1. Anrechenbares Nettoeinkommen reduzieren

Die Höhe des Unterhalts richtet sich nach dem anrechenbaren (Netto-)Einkommen, in selteneren Fällen auch nach dem Vermögen des Unterhaltspflichtigen. Vom (Netto-)Einkommen werden dann Schulden und andere Belastungen abgezogen, so dass im Ergebnis das sogenannte unterhaltsrechtlich relevante bereinigte Nettoeinkommen verbleibt. Je geringer dieses Einkommen ist, desto geringer fällt regelmäßig die Unterhaltslast aus. Um den Unterhalt zu kürzen, müssen Sie monatliche Ausgaben haben, die als unterhaltsrechtlich zu berücksichtigende Ausgaben angerechnet werden und Ihnen dadurch materielle Vorteile bieten.

Einige Beispiele dafür, wie Sie durch ein gesenktes Nettoeinkommen den Unterhalt kürzen, haben wir Ihnen hier zusammengestellt:


2. Berufsbedingte Aufwendungen

Weil Ihre eigene Existenzsicherung vorgeht, können Sie private Ausgaben für Ihre Arbeitsstelle vom Einkommen abziehen. Früher wurden pauschal fünf Prozent vom Nettoeinkommen für berufsbedingte Aufwendungen abgerechnet. In Ausnahmefällen wird diese Regelung noch immer angewandt, heute orientieren sich die Gerichte jedoch zumeist an den Leitlinien des OLG Köln, beziehungsweise den Süddeutschen Leitlinien, die jeweils einen genauen Nachweis über die Höhe der berufsbedingten Ausgaben fordern.

Als berufsbedingte Aufwendungen gelten Ausgaben von den Unterhaltskosten für einen PKW, mit dem Sie zur Arbeit fahren müssen, bis hin zu einer Zweitwohnung mitsamt doppelter Haushaltsführung. Bei Abzug der PKW-Kosten müssen Sie darlegen, warum Sie gerade mit dem Auto und nicht etwa mit dem ÖPNV zur Arbeit fahren müssen. Dabei können schlechte Anbindungen oder ungünstige Fahrpläne eine Rolle spielen – ebenso wie die Möglichkeit stattdessen Fahrgemeinschaften zu bilden oder ob für die Arbeit die Notwendigkeit eines repräsentativen Fahrzeugs besteht. Bei PKW wird regelmäßig eine Quote zwischen beruflicher und privater Nutzung ermittelt. Selbstverständlich ist nur die berufliche Nutzung abzugsfähig.

Für den Nachweis berufsbedingter Ausgaben für einen PKW wird die sogenannte Kilometerpauschale bemüht. Sie beträgt 30 Cent pro Kilometer und ab 30 Kilometer Fahrweg 20 Cent pro Kilometer. Darin sind die Anschaffungskosten (auch Kredit- und Leasingkosten), Benzin und Reparaturen eines berufsbedingt genutzten Autos regelmäßig beinhaltet.

Bei doppelter Haushaltsführung gilt ebenfalls, dass Sie den Bedarf erklären müssen. Direkt im Nachbarort anzumieten ist schwieriger zu erklären als einige hundert Kilometer entfernt. Dann müssen Sie nur darlegen, warum ein Umzug nicht zumutbar ist (etwa weil am Wohnort ein naher Angehöriger gepflegt werden muss).

Auch regelmäßige Fortbildungen und Lehrgänge sind abzugsfähig, soweit sie nicht vom Arbeitgeber übernommen werden. Dazu gehören auch die Rechnungen für das Hotel am Fortbildungsort und für die Verpflegung.

Darüber hinaus können Sie Kosten für arbeitsrelevante Vereinigungen absetzen. Das sind als Angehöriger der freien Berufe die Kosten für die Standesverbindungen (Ärzte-, Rechtsanwalts- oder Architektenkammern), als Arbeitnehmer Kosten für Gewerkschaftsmitgliedschaften und betriebliche Kassen und Berufsgenossenschaften abziehen.

Beispiel: Will man die Fahrtkosten für den Arbeitsweg abziehen, muss man den täglichen Weg zur Arbeit (Hin- und Rückweg) mit der Zahl der Arbeitstage (regelmäßig geht man von 220 im Jahr aus) und der Kilometerpauschale von 0,30 € multiplizieren. Fährt man täglich 25 Kilometer hin und 25 Kilometer zurück, ergibt sich daraus beispielsweise aufs Jahr bezogen ein abzugsfähiger Betrag von genau 3.300 Euro. Auf den Monat bezogen können Sie demnach das anrechenbare Nettoeinkommen um 275 Euro kürzen. Wichtig ist nur, dass es keinen günstigeren Weg – etwa eine Bahnverbindung – gibt (Berechnung nach OLG Hamm, Beschluss vom 09. Juni 2011, Az: II-6 UF 47/11).

Auch Kosten für den Kindergarten können berufsbedingte Aufwendungen sein. Voraussetzung ist, dass Sie durch die Kindergartenbetreuung tatsächlich die Möglichkeit haben, zu arbeiten. Vornehmlich erzieherische Betreuungen, etwa durch Musikschulen, sind nicht abzugsfähig.


3. Vorrangig Unterhaltsberechtigte

Im Unterhaltsrecht gilt nach § 1609 BGB das Rangprinzip. Zuerst müssen minderjährige Kinder, dann Partner, die gemeinsame Kinder betreuen, Ehegatten, volljährige Kinder, Enkel und schließlich Eltern bedacht werden. Wenn Sie ein neues Kind bekommen, ist es nach Stufe 1 unterhaltsberechtigt. Weil der Unterhalt zu Ihrem anrechenbaren Netto gehört, kann es deswegen sein, dass beispielsweise die Pflicht zum Elternunterhalt wegen unzureichendem anrechenbaren Einkommen wegfällt. Ein anderes Beispiel wäre der Wegfall des Volljährigenunterhalts bei Heirat eines neuen Partners.


4. Erwerbsobliegenheit beim nachehelichen Unterhalt

Sind Sie verpflichtet nachehelichen Unterhalt zu leisten, hat der Exgatte, der gemeinsame Kinder betreut, nur eine eingeschränkte Erwerbsobliegenheit. Wenn die Kinder jedoch zu Ihnen ziehen, entfällt dieses Privileg. Der Expartner muss nach Kräften arbeiten gehen und verliert gegebenenfalls sein Recht auf Unterhalt.

Wenn beispielsweise unterhaltsberechtigte Kindern in einer Eigentumswohnung (siehe Altersvorsorge) des Unterhaltspflichtigen leben, senkt der Wohnvorteil die Unterhaltspflicht ebenfalls (BGH, Urteil vom 06. Februar 2002, AZ: XII ZR 20/00).


5. Versicherungen und Altersvorsorge

Um die Sozialkassen zu entlasten, fördert der Staat die private Altersvorsorge auch bei der Unterhaltsberechnung mit bis zu fünf Prozent (beim Elternunterhalt; vier Prozent beim Ehegattenunterhalt) der Einkünfte des Vorjahres. Wenn Sie klar darlegen, dass die Investition in die eigene Altersexistenz fließt, ist unerheblich, wie Sie die Vorsorge ausgestalten. Sie können beispielsweise eine Miet- oder Eigentumswohnung finanzieren, können einen Fond, Riesterrenten oder Lebensversicherungen abschließen. Auch kann es sich lohnen, bestehende Verträge auszuweiten.
Weil Arbeitnehmer schon rund 20 Prozent ihres Bruttoeinkommens in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen, dürfen Selbstständige sogar bis zu 24 Prozent für das Alter zurücklegen.

Wenn Sie kein Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung sind, können Sie regelmäßig ihren Beitrag zu einer privaten Pflege- und Krankenversicherung ebenfalls abziehen. Zusatzversicherungen zur gesetzlichen Krankenversicherung (zum Beispiel für Zähne oder Brillen) sind regelmäßig nicht abzugsfähig.

Auch die Kosten für eine Risikolebensversicherung sind abzugsfähig und können helfen, Unterhalt zu sparen, weil diese potentiell geeignet ist, den Unterhalt über den Tod des Pflichtigen hinaus zu sichern (OLG Hamm, Urteil vom 24. Januar 2008, Az: 2 UF 166/07). Gleiches gilt für Raten zu Krankentagegeld- und Berufsunfähigkeitsversicherungen (BGH, Urteil vom 27. Mai 2009, Az: XII ZR 111/08). Unfallversicherungen werden meistens nicht als notwendige Aufwendung berücksichtigt. Prämien für die Berufsgenossenschaften allerdings schon.


6. Kredite

Bei der Errechnung des „anrechenbaren Nettos“ können vom Netto-Gehalt laufende Kosten – wie Tilgungen von Krediten – abgezogen werden. Die Darlehenszinsen sind grundsätzlich abzugsfähig, weil sie regelmäßig zwingende Belastungen sind, denen sich der Unterhaltspflichtige nicht entziehen kann. Beim Kindesunterhalt muss dabei jedoch regelmäßig gewährleistet bleiben, dass wenigstens der Mindestsatz nach Düsseldorfer Tabelle gezahlt werden kann. „Luxusschulden“ werden regelmäßig nicht berücksichtigt. Es ist bei den übrigen Unterhaltsarten weitestgehend unerheblich, wofür das Darlehen aufgenommen wurde, es sei denn, es steht im krassen Missverhältnis zu ihrem bisherigen Lebensstil (BGH, Urteil vom 9. Januar 2002 – XII ZR 34/00).

Auch die Finanzierung eines neuen Autos kann meist abgezogen werden. Sie sparen nicht nur Unterhalt, Sie haben zudem auch einen neuen Wagen.


7. Selbstständige: Bilanzierung und Rücklagen

Wenn Sie Unternehmer oder Freiberufler sind, ergeben sich viele weitere Möglichkeiten, die Unterhaltszahlungen zu reduzieren. Statt des Arbeitsentgelts wird zur Berechnung des Unterhalts eine Bilanz (meist der letzten drei Jahre) herangezogen.

Diese kann man jedoch im zulässigen Rahmen beeinflussen. Investitionen in neues Arbeitsgerät und die Bildung von Rücklagenpolstern („Gewinnrückstellung“) bieten erhebliche Vorteile bei der Unterhaltsberechnung. Die Methoden sind die gleichen, wie zur Reduzierung der Einkommenssteuerlast. Ihr Steuerberater kann Ihnen dabei sicherlich behilflich sein. Das Gute daran: Auch die Kosten für den Steuerberater sind grundsätzlich abzugsfähig, wenn die Beauftragung sinnvoll erscheint.

Sie sollten jedoch immer versuchen, betriebswirtschaftlich sinnvoll zu handeln, denn die absichtliche Verhinderung von Unterhaltsansprüchen kann strafrechtlich relevant sein!


8. Der Zeitpunkt ist wichtig

Wenn Sie eine kommende Unterhaltsverpflichtung (beispielsweise eine Scheidung) absehen können, sollten Sie früh handeln. Damit das Gericht kein Umgehungsgeschäft annimmt und/oder Sie in den Verdacht der Unterhaltsverhinderung geraten, sollten Sie frühzeitig (bei Scheidung beispielsweise vor Beginn des Trennungsjahres) damit anfangen, über obige Möglichkeiten nachzudenken. Es ist immer wichtig, dass vor Gericht plausibel vorgebracht wird, dass eine Belastung bereits länger besteht und nicht vorsätzlich herbeigeführt wurde. Der Richter kann Belastungen nach seiner Überzeugung anerkennen oder ablehnen. Wenn Sie sich unsicher sind, suchen Sie einen auf Unterhaltsrecht spezialisierten Fachanwalt für Familienrecht auf. Wir besprechen mit Ihnen im Rahmen des Unterhaltsverfahrens gern die Möglichkeiten, den Unterhalt zu kürzen.

Ein Tipp zum Schluss: Kürzen Sie nie eigenmächtig einen bereits bestehenden Unterhaltstitel! Das ist unzulässig und kann dazu führen, dass der Unterhaltsberechtigte gegen Sie die Zwangsvollstreckung betreibt.

9. Video