1. Kuckuckskinder in Deutschland
  2. Darf ich einen Vaterschaftstest machen?
  3. Vaterschaftsanfechtungsklage
  4. Schadensersatz wegen Scheinvaterschaft – gegen wen?
  5. Auskunftsanspruch gegen die Mutter über die Vaterschaft?
  6. Kein Regress: Mutter verrät Vaterschaft nicht
  7. Falschangaben der Mutter: Unterhaltskürzung möglich
  8. Fazit & Praxistip

1. Kuckuckskinder in Deutschland

Exakte Zahlen sind schwer zu erheben und nur bedingt verlässlich: Experten schätzen, dass in Deutschland (wie auch in Westeuropa insgesamt) jedes 10. Kind einen anderen Vater hat als denjenigen, der sich für den Vater hält. Die „vermeintlichen“ Väter werden Schein- oder auch Putativväter genannt, die betroffenen Kinder werden als „Kuckuckskinder“ bezeichnet.

Ein Vaterschaftstest per DNA-Untersuchung kann eine Gewissheit über die Vaterschaft bringen, die auf bis zu 99,9 % beziffert wird. Die emotionalen Folgen für die Betroffenen – Kinder und Scheinväter – sind oft erheblich. Auch die rechtlichen Folgen können erhebliche Auswirkungen haben: Wie wirkt sich die Feststellung einer nur vermeintlichen Vaterschaft auf Unterhaltszahlungen aus? Wann kann bzw. sollte der Mann eine Vaterschaftsanfechtung (Vaterschaftsklage) anstrengen? Können geleistete Unterhaltszahlungen im Glauben an die Vaterschaft zurückgefordert werden? Der Beitrag gibt einen Überblick.

2. Darf ich einen Vaterschaftstest machen?

Seit Geltung des Gendiagnostikgesetzes (GenDG) im Jahr 2010 dürfen keine „heimlichen“ Vaterschaftstests mehr vorgenommen werden, bei Zuwiderhandlungen drohen Bußgelder bis zu 5000 Euro. Eine DNA-Analyse zur Vaterschaftsklärung setzt daher die vorherige Zustimmung des Kindes bzw. der Mutter voraus, wenn das Kind noch zu klein ist. Wird die Einwilligung verweigert, kann das Familiengericht diese Einwilligung erteilen. Die Familiengerichte tun dies regelmäßig auch, außer wenn das Wohl eines noch minderjährigen Kindes durch den Test erheblich gefährdet wäre.

Der DNA-Test dient zunächst nur der Ermittlung der genetischen Abstammung. Das Ergebnis eines Vaterschaftstests ist also nicht gleichbedeutend mit der juristischen An- oder Aberkennung einer Vaterschaft – dafür bedarf es einer Vaterschaftsanfechtungsklage. Vor Gericht wird ein Vaterschaftstest dabei lediglich als ein Indiz für eine Vaterschaft oder ihre Widerlegung gewertet.

3. Vaterschaftsanfechtungsklage

Wer gesetzlich als Vater gilt, weil er mit der Mutter des Kindes verheiratet ist oder die Vaterschaft anerkannt hat (§ 1600 BGB), kann die Vaterschaft gerichtlich anfechten (Vaterschaftsanfechtungsklage oder kurz Vaterschaftsklage). Dies muss innerhalb von zwei Jahren geschehen, nachdem von Umständen Kenntnis erlangt wurde, die gegen eine Vaterschaft sprechen. Allerdings muss vor Gericht schlüssig dargelegt werden, warum die Vaterschaft angezweifelt wird. Dies können die Ergebnisse eines Vaterschaftstests, aber auch die Kenntnis von einem „Seitensprung“ der Frau oder die Darlegung einer fehlenden Zeugungsfähigkeit sein. Bloße Vermutungen oder Zweifel, z.B. wegen einer fehlenden Ähnlichkeit des Kindes mit dem Vater, reichen regelmäßig nicht aus. Erst wenn das Fehlen einer biologischen Vaterschaft durch Durchführung einer Anfechtungsklage festgestellt wurde, entfallen sämtliche Rechtsfolgen der Vaterschaft – etwa Unterhaltsverpflichtungen.

4. Schadensersatz wegen Scheinvaterschaft – gegen wen?

Mit der Vaterschaftsklage ist es für viele geprellte Scheinväter noch nicht getan. Wer erfährt, dass er nicht der Vater des Kindes ist, wird in vielen Fällen das Geld, das er im Glauben an das eigene Vater-Sein für das Kind aufgebracht hat, zurückfordern wollen, um zumindest den finanziellen „Schaden“ wieder auszugleichen. Vorab: Ansprüche gegen das „Kuckuckskind“ werden meist schon deshalb ausscheiden, weil die Unterhaltszahlungen für laufende Kosten für das Kind verbraucht worden sind und daher nicht zurückgefordert werden können.

Schadensersatzansprüche gegen die Mutter sind theoretisch möglich – hier müsste der Mutter allerdings nachgewiesen werden, dass diese von der Möglichkeit der Vaterschaft des „Dritten“ tatsächlich gewusst hat. Auch wenn dem mitunter freilich so sein wird – dieser Nachweis ist in der Praxis nur sehr schwer zu führen.

Oft wird der Scheinvater Ansprüche gegen den wirklichen Vater geltend machen wollen. Hier stellt sich nicht selten das Problem, dass der Scheinvater gerade nicht weiß, wer der wirkliche Vater ist. Dies weiß meistens (aber auch nicht immer) nur die Mutter des Kindes.

5. Auskunftsanspruch gegen die Mutter über die Vaterschaft?

Bislang bestand nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) ein Auskunftsanspruch des Scheinvaters gegen die Mutter über die Vaterschaft eines „Kuckuckskindes“ (Urt. v. 09.11.2011, Az. XII ZR 136/09) zur Vorbereitung eines Unterhaltsprozesses. Dem hat das Bundesverfassungsgericht (Beschl. v. 24.02.2015, Az. 1 BvR 472/14) in Karlsruhe für die momentane Gesetzeslage nun vorerst einen Riegel vorgeschoben: Ein bislang durch die stetige Rechtsprechung angenommener Auskunftsanspruch des Scheinvaters gegen die Mutter verletzt diese in ihrem Persönlichkeitsrecht. Ein Auskunftsanspruch setzt daher eine gesetzliche Regelung voraus. Eine solche Regelung fehlt bislang und kann nicht, so die Verfassungsrichter, durch die Gerichte im Wege der Rechtsfortbildung angenommen werden.

Das Urteil bedeutet einen Rückschlag für die Scheinväter: Solange der Bundestag keine entsprechende gesetzliche Regelung schafft, können die Scheinväter von der Mutter keine Auskunft über die Vaterschaft verlangen.

6. Kein Regress: Mutter verrät Vaterschaft nicht

Wie von uns bereits über eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes (Beschl. v. 20.02.2013, Az. XII ZB 412/11) geschildert, scheidet ein Schadenersatzanspruch des Scheinvaters gegen die Mutter wegen im Glauben an die vermeintliche Vaterschaft geleisteter Unterhaltszahlungen aus, wenn die Mutter angibt, dass sie sich nicht mehr an die Identität des Erzeugers erinnern kann. In dem dem Urteil zugrunde liegenden Fall hatte der Vater über 40 Jahre nach der Geburt des Sohnes (die Ehe war längst geschieden) an seiner Vaterschaft gezweifelt und Vaterschaftsklage erhoben. Die Zweifel an der Vaterschaft bestätigten sich – Ersatz für seine Unterhaltszahlungen erhielt er aber nicht.

7. Falschangaben der Mutter: Unterhaltskürzung möglich

Der Bundesgerichtshof (Urt. v. 15.02.2012, Az. XII ZR 137/09) entschied allerdings: Wird dem Mann ein Kuckuckskind „untergeschoben“, obwohl die Mutter mit der Möglichkeit rechnet, dass das Kind von einem Anderen ist, kann dies zu einer erheblichen Absenkung des (nachehelichen) Ehegattenunterhalts führen. Ein ausdrückliches Leugnen durch die Mutter oder ein „Anlügen“ ist dafür übrigens nicht erforderlich: Es reicht für eine Kürzung der Unterhaltspflicht wegen „grober Unbilligkeit“ demnach aus, wenn die Mutter an der Vaterschaft zweifelt und dem Mann diese Unsicherheit nicht mitteilt. Im vorliegenden Fall hatte die Frau ihre Zweifel über die Vaterschaft mehr als 20 Jahre lang geheim gehalten – der Mann hatte seine Lebensplanung und sein beruflichliches Fortkommen zu Gunsten der Pflege des geistig behinderten Kindes zurückgestellt.

8. Fazit & Praxistipp

Ein zweifelnder Vater muss sich gut überlegen, was er tun möchte, um Gewissheit über seine Vaterschaft zu erlangen – emotional und auch hinsichtlich rechtlicher Konsequenzen. Andererseits muss er auch die Zweijahresfrist einer Vaterschaftsanfechtung seit Kenntnis der die Zweifel begründenden Umstände (z.B. ein Vaterschaftstest) im Blick behalten. Von heimlichen Gutachten ist in jedem Fall abzuraten!

Ist die Scheinvaterschaft – also der Umstand, dass der Mann nicht der biologische Vater ist – Gewissheit, sind die Rechte des Vaters auf eine Rückforderung von Unterhalt oder Schadensersatz beschränkt. Hier bleibt abzuwarten, wie sich die Gerichte und die Gesetzgebung weiter verhalten.