Seit mittlerweile 10 Jahren gibt es in Deutschland einen gesetzlichen Anspruch auf Abfindung bei betriebsbedingter Kündigung, wenn der Arbeitgeber dabei ein bestimmtes Abfindungsangebot verbindet, das für den Fall gilt, dass der Arbeitnehmer nicht gegen die betriebsbedingte Kündigung klagt. Dieser Anspruch nach § 1a Kündigungsschutzgesetz (KSchG) ist jedoch nicht nur an verschiedene Voraussetzungen gebunden, er ist zudem – zum Leidwesen vieler Arbeitnehmer – vom guten Willen des Arbeitgebers abhängig. Der Abfindungsanspruch bei betriebsbedingter Kündigung entsteht nämlich nur durch ein freiwilliges Angebot des Arbeitgebers.
Der folgende Text führt Sie durch Voraussetzungen und Folgen des Anspruchs auf Abfindung nach § 1a Kündigungsschutzgesetz und gibt praktische Tipps, wie Arbeitnehmer und Arbeitgeber gegenseitig Vorteile aus der Regelung ziehen können.
Aufgrund des Corona-Virus bricht derzeit in vielen Betrieben der Umsatz ein. Derartige äußere Umstände können allerdings eine betriebsbedingte Kündigung regelmäßig nicht rechtfertigen, es sei denn, es droht eine echte Existenzgefährdung.
Weitere Informationen dazu finden Sie in unserem Beitrag zu Kündigung oder Aufhebungsvertrag wegen Corona.
- Voraussetzungen
- Höhe der Abfindung
- Ausnahmen von der üblichen Abfindungshöhe
- Vorteile für Arbeitgeber
- Vorteile für Arbeitnehmer
- Sperrzeit, Steuer und Sozialleistungen
- Abfindungsanspruch prüfen und Höhe der Abfindung ermitteln
- Video
1. Voraussetzungen des Abfindungsanspruchs bei betriebsbedingter Kündigung
Zunächst muss eine formale Voraussetzung vorliegen: Das betreffende Arbeitsverhältnis muss dem Kündigungsschutzgesetz unterliegen. Das bedeutet, dass es bereits seit sechs Monaten besteht und der Betrieb mehr als zehn reguläre Vollzeitstellen hat, so will es § 23 Abs. 1 KSchG. Teilweise kommt es nicht darauf an, ob die Stellen besetzt sind, denn im Einzelfall kann es auch genügen, dass einzelne Mitarbeiterstellen in der Betriebsorganisation fest vorgesehen sind. Dabei zählen Teilzeitstellen anteilig (20 Wochenstunden entsprechen einer halben Stelle, 30 einer dreiviertel Stelle). Auszubildende werden nicht eingerechnet.
Ist diese formale Hürde genommen, können Sie sich dem eigentlichen Anspruch aus § 1a KSchG widmen. Der erfordert zunächst, dass eine Kündigung ausgesprochen wurde. Das muss zwingend schriftlich erfolgen (§ 623 BGB), E-Mail oder Telefonanruf genügen nicht. Außerdem muss sie sich auf dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG stützen und das im Kündigungstext auch deutlich zum Ausdruck bringen.
In seinem Kündigungsschreiben hat der Arbeitgeber nun die Möglichkeit, ein Angebot nach § 1a KSchG zu unterbreiten. Darin bietet er an, dem Arbeitnehmer eine Abfindung zu zahlen, sollte dieser auf eine Klage gegen die Kündigung verzichten. Man spricht deswegen auch von einem Klageverzichtsvertrag. Im Kündigungsschutz beträgt die Klagefrist nach § 4 KSchG drei Wochen, die Frist beginnt mit Zugang der Kündigung (in der Regel mit Übergabe oder Einwurf in den Briefkasten des Arbeitnehmers). Lässt der Arbeitnehmer diese drei Wochen verstreichen, ohne Klage erhoben zu haben, steht ihm aus dem in dem Kündigungsschreiben enthaltenen Angebot des Arbeitgebers ein Anspruch auf Abfindung wegen betriebsbedingter Kündigung zu.
2. Höhe der Abfindung bei betriebsbedingter Kündigung nach § 1a KSchG
Hat der Arbeitnehmer nicht geklagt und damit das Angebot stillschweigend akzeptiert, kann er vom Arbeitgeber nach § 1a KSchG eine Abfindung in Höhe von einem halben Monatsverdienst pro Beschäftigungsjahr im Arbeitsverhältnis fordern. Angebrochene Beschäftigungsjahre werden dabei auf ein volles Jahr aufgerundet, wenn bereits mehr als sechs Monate verstrichen sind.
Der anrechenbare Monatsverdienst umfasst in seiner Höhe nicht nur Geldzahlungen des Arbeitgebers, sondern auch etwaige Sachleistungen. Ist im Arbeitsvertrag etwa die Überlassung eines Firmenwagens oder einer Dienstwohnung geregelt, wird der Nutzungswert ebenfalls zum Anspruch addiert. Das ist in § 10 Abs. 3 KSchG geregelt.
3. Abfindungsvertrag: Höhere oder niedrigere Abfindung bei betriebsbedingter Kündigung
Selbstverständlich können auch andere Summen als die in § 1a KSchG vorgesehenen 0,5 Monatsverdienste pro Beschäftigungsjahr angeboten werden. Ein Abfindungsanspruch nach § 1a Absatz 1 KSchG in der oben dargestellten gesetzlichen Höhe entsteht aber auch dann, wenn der Arbeitgeber zwar § 1a KSchG in Bezug nimmt, dem Arbeitnehmer rein informatorisch aber einen niedrigeren Abfindungsbetrag genannt hat (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19. Juni 2007, Az: 1 AZR 340/06). Bietet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für den Fall des Verstreichenlassens der Klagefrist ohne Hinweis auf die gesetzliche Regelung einen anderen Abfindungsbetrag an, so handelt es sich hierbei um ein Angebot zum Abschluss eines eigenständigen Abwicklungs- bzw. Abfindungsvertrages. Dies kann weitreichende Folgen haben, so kann es gegebenenfalls zu einer Sperrzeit beim Arbeitslosengeld durch einen Aufhebungsvertrag dieser Art kommen.
Das bedeutet zum Beispiel, dass ein Angebot über eine höhere oder niedrigere Abfindung auch außerhalb des Kündigungsschreibens und dabei sowohl schriftlich als auch mündlich ergehen kann. Geht der Arbeitnehmer auf eine mündliche Absprache ein, muss er bei einer eventuellen späteren Weigerung des Arbeitgebers jedoch nachweisen, dass ein solcher Abfindungsvertrag geschlossen wurde. Das geht notfalls durch Zeugen. Grundsätzlich ist jedoch anzuraten, auch diesen Vertrag schriftlich abzufassen. Wenige Zeilen genügen und sparen Ihnen im Zweifelsfall eine Menge Mühe und Ärger.
Weil ein Abfindungsvertrag der generellen Vertragsfreiheit unterliegt, sind die Vertragsparteien nicht an die dreiwöchige Klagefrist gebunden. Ferner können sie weitere Bedingungen aufnehmen, beispielsweise die Erledigung einer bestimmten Arbeitsaufgabe. Auch ein Abfindungsangebot für personen- oder verhaltensbedingte Kündigungen ist in diesem Rahmen möglich. Wird ein Abfindungsangebot nicht im Kündigungsschreiben, sondern in einem separaten Schreiben unterbreitet, gilt es jedenfalls nicht als Angebot nach § 1a KSchG.
4. Wo liegen die Vorteile für Arbeitgeber?
Die Rechnung auf Arbeitgeberseite ist simpel: Bietet er dem gekündigten Arbeitnehmer eine Entschädigung an, sieht sich dieser seltener dazu veranlasst, gegen die Kündigung zu klagen. Weil Kündigungen eine Vielzahl formaler oder inhaltlicher Fehler enthalten können, ist das Prozessrisiko im Arbeitsrecht regelmäßig sehr hoch. Ein Kündigungsschutzprozess ist teuer, zumal die Parteien in erster Instanz die eigenen Anwaltskosten unabhängig davon tragen müssen, ob sie den Prozess gewinnen oder verlieren. Geht ein Rechtsstreit durch mehrere Instanzen verstreicht zudem viel Zeit, bis eine rechtskräftige Entscheidung vorliegt. Während dieser Zeit hat der Arbeitgeber keine Planungssicherheit in Bezug auf die Stelle des Arbeitnehmers. Obsiegt der Arbeitnehmer im Kündigungsschutzverfahren, hat der Arbeitgeber ihn eventuell wieder einzustellen und für die zurückliegende Zeit den Lohn nachzuzahlen. Davon abgezogen wird allerdings das Einkommen, das der Arbeitnehmer durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder böswillig zu erwerben unterlässt.
Diesen Risiken wirkt ein Angebot auf Abfindung bei betriebsbedingter Kündigung nach § 1a KSchG entgegen, indem beide Parteien das Arbeitsverhältnis zügig und unproblematisch beenden können, ohne dass über die Berechtigung der Kündigung und die Höhe einer (freiwillig) zu zahlenden Abfindung groß verhandelt werden muss.
Weitere Informationen über typische Fehler bei Kündigungen, die anwendbaren Fristen und Tipps für Kündigungsschutzverfahren finden Sie in unserer Kategorie Kündigungsrecht.
5. Vorteile für Arbeitnehmer
Auch hier gelten die gleichen Argumente. Der Arbeitnehmer trägt ebenfalls das Risiko eines Arbeitsgerichtsverfahrens. Verliert er, hat er damit auch die Chance auf eine Abfindung verspielt. Er würde dann mit leeren Händen dastehen. Zudem hat er nach § 12a ArbGG seine Auslagen und Anwaltskosten für die erste Instanz selbst zu tragen.
Die Annahme des Angebots auf Abfindung bei betriebsbedingter Kündigung kann jedoch die sozialen und wirtschaftlichen Folgen des Arbeitsplatzverlustes mildern. Zudem muss der Arbeitnehmer nicht selbst tätig werden.
ACHTUNG: Sobald Klage gegen die Kündigung erhoben ist, erlischt regelmäßig auch das Angebot nach § 1a KSchG. Das gilt selbst bei späterer Rücknahme der Klage oder bei zu spät eingereichter Klage. Im letzten Fall bleibt dem Arbeitnehmer nur, einen Antrag nach § 5 KSchG zu stellen und zu hoffen, sich im Prozess einigen zu können.
6. Sperrzeit, Steuer und Sozialleistungen
Die Abfindung unterliegt der Einkommenssteuerpflicht und wird nach der sogenannten Ein-Fünftelregelung besteuert. Hierbei wird fiktiv so gerechnet, als würde die Abfindungszahlung in fünf Teilbeträge aufgeteilt, die dann fünf Jahre lang an Sie ausbezahlt werden würde. Die Differenz zwischen der Steuer, die auf das zu versteuernde Einkommen ohne Abfindung zu zahlen wäre, zu der Steuer, die auf das zu versteuernde Einkommen zuzüglich einem Fünftel der Abfindung zu zahlen wäre, wird dann mit fünf multipliziert. Der hiernach errechnete Betrag wird als Lohnsteuer von der Abfindungszahlung einbehalten. Nähere Einzelheiten erfahren Sie bei Ihrem Steuerberater.
Dafür unterliegt die Abfindung nicht der sozialversicherungsrechtlichen Beitragspflicht, wenn sie als Kompensation für den Arbeitsplatzverlust geleistet wird.
Bitte beachten Sie aber nochmals, dass es bei Abfindungsverträgen außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes zu Sperrzeiten oder Kürzungen beim Arbeitslosengeld kommen kann.