1. Was versteht man unter Wohnvorteil?
Der Wohnvorteil wird nicht pauschal angesetzt, sondern immer im Einzelfall betrachtet. Denn je nach Unterhaltsart gelten bei der Berechnung des Wohnvorteils unterschiedliche Maßstäbe.
Unterhaltspflichten können in Deutschland in verschiedenen rechtlichen Konstellationen bestehen. Die wichtigsten Formen, bei denen auch der Wohnvorteil eine Rolle spielen kann, sind der Trennungsunterhalt, der Kindesunterhalt und der Elternunterhalt.
2. Wohnvorteil beim Trennungsunterhalt
Wann besteht ein Anspruch auf Trennungsunterhalt?
Sobald die Ehegatten getrennt voneinander leben, hat der weniger verdienende Ehegatte grundsätzlich einen Anspruch auf Unterhalt gegen den besser verdienenden Partner. Mit diesem Unterhaltsanspruch soll sichergestellt werden, dass beide Ehegatten während der Trennungszeit wirtschaftlich möglichst so gestellt werden wie während der Ehe.
Beim Trennungsunterhalt handelt es sich also um einen Ausgleichsanspruch zugunsten des wirtschaftlich schlechter gestellten Ehegatten während des Getrenntlebens.
Berechnung des Trennungsunterhalts
Bei der Berechnung werden zunächst die Einkommen beider Ehegatten miteinander verglichen. Verdient ein Ehegatte weniger, so muss der andere einen Teil von seinem Einkommen abgeben, um die Differenz auszugleichen. Die genaue Höhe ist gesetzlich nicht festgelegt, sondern wird anhand von Leitlinien der Gerichte bestimmt, wie zum Beispiel die des Oberlandesgerichts Köln.
Dieses Beispiel ist stark vereinfacht und erfüllt lediglich den Zweck, eine mögliche Berechnungsweise aufzuzeigen. In der Praxis beeinflussen viele weitere Faktoren (z. B. bestehende Erwerbsobliegenheiten oder vorrangige Unterhaltspflichten gegenüber Kindern) das für die Unterhaltsberechnung maßgebliche Einkommen. Daher ist stets eine genaue Prüfung durch einen Fachanwalt für Familienrecht erforderlich.
Auswirkungen des Wohnvorteils auf den Trennungsunterhalt
Wohnt der unterhaltsberechtigte Ehegatte nach der Trennung weiterhin mietfrei in der Ehewohnung, spart er Mietkosten. Dieser finanzielle Vorteil wird auf das Einkommen des Unterhaltsberechtigten angerechnet. Aber zunächst nicht in Höhe der vollen Miet- und Nebenkosten, sondern nur mit dem Betrag, den der Ehegatte für eine angemessene Wohnung für sich alleine ausgeben würde (sog. „subjektiver Wohnwert“).
Beispiel: Die eheliche Eigentumswohnung der Ehegatten ist abbezahlt und würde bei Vermietung 1.800 Euro kosten (objektiver Wohnwert). Nach der Trennung bleibt die Ehefrau mit den beiden Kindern in der Ehewohnung, der Ehemann zieht aus.
In diesem Beispiel hat die Ehefrau also einen Wohnvorteil in Höhe von 1.800 Euro. Diesen jetzt aber auf ihr Einkommen anzurechnen, erscheint nicht sachgerecht, da es ihr nicht zugemutet werden kann, sofort mit den Kindern in eine kleinere, günstigere Wohnung zu ziehen. Daher werden ihr nur die Mietkosten angerechnet, die sie für eine Wohnung bezahlen würde, die angemessen für ihre Verhältnisse wäre (subjektiver Wohnwert). Hier könnten das zum Beispiel um die 1.400 Euro sein.
Wird der Wohnvorteil der Ehefrau dagegen nicht bei der Unterhaltsberechnung berücksichtigt, kann der Ehemann von der Ehefrau eine Nutzungsentschädigung verlangen.
Nach einer gewissen Zeit kann der Ehefrau jedoch ein Umzug zugemutet werden. Tut sie dies nicht, wird ihr der objektive Wohnwert – also der gesamte Wohnvorteil – angerechnet.
Das Gleiche gilt beim abbezahlten Familienhaus: Bewohnt der unterhaltsberechtigte Ehegatte in der Trennungszeit allein das eheliche Familienhaus, übersteigt der objektive Wohnwert der Immobilie, also die möglichen Mieteinnahmen, regelmäßig den individuellen Wohnbedarf bzw. subjektiven Wohnwert des Ehegatten (angemessene Wohnung für sich allein). Wenn es dem im Familienhaus verbleibenden Ehegatten zumutbar ist, die Immobilie (teilweise) zu vermieten, wird ihm der objektive Wohnwert angerechnet. Wenn nicht, verbleibt es bei der Anrechnung des subjektiven Wohnwerts.
Ab Rechtskraft der Scheidung – also beim nachehelichen Unterhalt – wird in der Regel stets der objektive Wohnwert angesetzt, unabhängig davon, ob ein Umzug zumutbar ist.
3. Wohnvorteil und Kindesunterhalt
Wann muss Kindesunterhalt gezahlt werden?
Eltern sind ihren Kindern gegenüber unterhaltspflichtig, solange diese bedürftig sind, also meist bis zum Abschluss einer Ausbildung oder eines Studiums. Während der betreuende Elternteil Naturalunterhalt (Unterkunft, Verpflegung, Kleidung, sonstige Bedürfnisse) leistet, muss der andere Elternteil Barunterhalt, also Geldleistungen, erbringen.
Die Berechnung des Kindesunterhalts orientiert sich an der Düsseldorfer Tabelle und berücksichtigt die Leistungsfähigkeit des zahlungspflichtigen Elternteils sowie das Alter des Kindes.
Rolle des Wohnvorteils beim Kindesunterhalt
Anders als beim Trennungsunterhalt, bei dem der Wohnvorteil meist dem unterhaltsberechtigten Ehegatten zugerechnet wird, wirkt er sich beim Kindesunterhalt auf der Seite des barunterhaltspflichtigen Elternteils aus: Wohnt dieser mietfrei, wird der Wohnvorteil als zusätzliches Einkommen angerechnet und kann die Unterhaltspflicht entsprechend erhöhen.
Wird ein Wohnvorteil beim barunterhaltspflichtigen Elternteil berücksichtigt, erfolgt dies grundsätzlich nach dem objektiven Wohnwert. Eine Unterscheidung zwischen subjektivem und objektivem Wohnwert, wie sie beim Trennungsunterhalt erfolgt, findet hier nicht statt. In der Folge kann sich der zu zahlende Barunterhalt nach der Düsseldorfer Tabelle erhöhen.
Die Anrechnung des Wohnvorteils darf jedoch nicht dazu führen, dass der Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen unterschritten wird.
Beim betreuenden Elternteil wird der Wohnvorteil meist nicht berücksichtigt, da er seine Unterhaltspflicht durch Pflege und Erziehung der Kinder erfüllt. Eine Ausnahme besteht im Wechselmodell, wenn beide Eltern das Kind annähernd gleich betreuen: In diesem Fall kann eine anteilige Anrechnung des Wohnvorteils entsprechend der tatsächlichen Betreuungszeit erfolgen.
4. Auswirkungen des Wohnvorteils auf den Elternunterhalt
Wann besteht eine Pflicht zur Zahlung von Elternunterhalt?
Kinder können ihren pflegebedürftigen Eltern gegenüber unterhaltspflichtig werden, wenn deren eigenes Einkommen und Vermögen zur Deckung der Pflegekosten nicht ausreicht. Seit der Reform 2020 gilt dies allerdings nur noch bei einem Jahresbruttoeinkommen von über 100.000 Euro. Zudem darf ein gewisses Schonvermögen nicht herangezogen werden.
Welche Rolle spielt der Wohnvorteil beim Elternunterhalt?
Beim Elternunterhalt kann der Wohnvorteil große Auswirkungen haben, da er als geldwerter Vorteil zum Einkommen gerechnet wird und dadurch die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen erhöht. Das ist besonders relevant, wenn dadurch die gesetzliche Einkommensgrenze erreicht oder überschritten wird, ab der überhaupt eine Unterhaltspflicht geprüft wird.
Verfügt ein unterhaltspflichtiges Kind über selbstgenutztes Wohneigentum, wird in aller Regel nur der subjektive Wohnwert angesetzt. Dennoch kann der angesetzte subjektive Wohnwert dafür sorgen, dass die Einkommensgrenze überschritten wird, auch wenn das tatsächliche Einkommen ohne Wohnvorteil darunter läge.
Wird die Einkommensgrenze überschritten, prüft das Gericht oder der Sozialhilfeträger, in welchem Umfang tatsächlich Elternunterhalt geschuldet wird. Dabei werden insbesondere der Selbstbehalt, geschützte Rücklagen (Schonvermögen) sowie weitere Unterhaltsverpflichtungen berücksichtigt.
Wer über werthaltiges Immobilieneigentum verfügt, muss sich unter Umständen auch eine Verwertung (z. B. durch Vermietung, Teilvermietung oder Beleihung) gefallen lassen, sofern dies wirtschaftlich vertretbar und sozial nicht unzumutbar ist.
Nur in begründeten Ausnahmefällen bleibt der Wohnvorteil ganz oder teilweise unberücksichtigt, etwa wenn
- die Immobilie der eigenen Altersvorsorge dient und eine Verwertung wirtschaftlich unvernünftig wäre,
- der Wohnraum unangemessen groß und unverkäuflich ist oder
- eine Verwertung wegen besonderer familiärer Umstände nicht zumutbar ist (z. B. bei behinderten Angehörigen).
5. Fazit
- Wohnvorteil bedeutet, mietfrei zu wohnen und dadurch Kosten zu sparen.
- Unterhaltsrechtlich gilt der Wohnvorteil als zusätzliches Einkommen und kann Unterhaltsansprüche erhöhen oder verringern.
- Die Berechnung des Wohnvorteils erfolgt je nach Unterhaltsart nicht einheitlich.
- Beim Trennungsunterhalt wird der Wohnvorteil meist beim unterhaltsberechtigten Ehegatten angerechnet und mindert so den Anspruch.
- Beim Kindesunterhalt erhöht der Wohnvorteil das Einkommen des barunterhaltspflichtigen Elternteils und kann zu einer höheren Zahlungsverpflichtung führen.
- Beim Elternunterhalt wird der subjektive Wohnwert berücksichtigt, was zur Überschreitung der Einkommensgrenze führen kann.