Aktuell sind so viele junge Menschen an deutschen Hochschulen eingeschrieben wie nie zuvor. Doch nicht nur dort hat sich die Situation der künftigen Berufsanfänger verändert. Auch die vielfältigen Ausbildungswege werden zunehmend komplexer und anspruchsvoller, sodass eine generelle Verlängerung der Ausbildungszeit zu erkennen ist.

Eltern haben gesetzlich die Pflicht, ihren Kindern eine Ausbildung oder ein Studium finanziell zu ermöglichen. Der folgende Beitrag erläutert den sog. Ausbildungsunterhalt. Es wird vor allem erläutert, ob und unter welchen Voraussetzungen die Eltern auch längere Ausbildungswege zu finanzieren haben.

  1. Grundsatz: Unterhalt für Verwandte in gerader Linie
  2. Kriterien des Ausbildungsunterhalts
  3. Zusammenfassung

1. Grundsatz: Unterhalt für Verwandte in gerader Linie

Verwandte in gerader Linie sind gemäß § 1601 BGB verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren. Hauptanwendungsfall dieser gesetzlichen Verpflichtung ist der Kindesunterhalt, den die Mutter und der Vater des Kindes zu entrichten haben. Bei minderjährigen Kindern bezieht sich die Unterhaltspflicht der beiden Elternteile sowohl auf den Bar- als auch auf den Betreuungsunterhalt. Ab Erreichen der Volljährigkeit schulden die unterhaltsverpflichteten Elternteile hingegen ausschließlich Barunterhalt.

Maßgeblich für das Bestehen und die Berechnung eines (Kindes-)Unterhaltsanspruchs ist hierbei einerseits die Bedürftigkeit des Berechtigten sowie andererseits die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten.


2. Kriterien des Ausbildungsunterhalts

Gemäß § 1610 Absatz 2 BGB umfasst der geschuldete Unterhalt den gesamten Lebensbedarf einschließlich einer angemessenen Vorbildung zum Beruf und erstreckt sich daher auch auf die Kosten einer Berufsausbildung. Die Unterhaltspflicht ist unabhängig davon, ob eine Ausbildung oder ein Studium angestrebt wird.

Ausgehend vom Wortlaut dieser Vorschrift lassen sich zwei für den Ausbildungsunterhalt maßgebliche Kriterien festhalten:

  • die Angemessenheit der Ausbildung
  • die Beschränkung der Unterhaltsverpflichtung auf eine

Der Wortlaut des § 1610 Absatz 2 BGB wirft jedoch auch Fragen auf:

  • Wonach bemisst sich die Angemessenheit der Ausbildung?
  • Wann ist ein Ausbildungsweg als einheitlich und somit als eine Ausbildung im Sinne des § 1610 BGB anzusehen?

Angemessenheit der Ausbildung

Die Angemessenheit einer Ausbildung hängt sowohl von subjektiven als auch von objektiven Voraussetzungen ab:

  • Subjektive Kriterien sind die Leistungsfähigkeit der Eltern und die Neigung des Kindes
  • In objektiver Hinsicht ist an die Wahl der Ausbildung die Anforderung zu stellen, dass damit ein berufsqualifizierender Abschluss zu erreichen ist.

Subjektive Voraussetzungen: Leistungsfähigkeit der Eltern und Neigung des Kindes

Für die Angemessenheit der Ausbildung sind sowohl die Leistungsfähigkeit der Eltern als auch die Persönlichkeit des Kindes relevant. So schulden die Eltern ihrem Kind die Finanzierung einer Ausbildung, die sich in den Grenzen ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit hält. Maßgeblich für die Höhe der zu übernehmenden Ausbildungskosten sind somit die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Eltern.

Auf Seiten des Kindes sind hingegen nicht die wirtschaftlichen oder beruflichen Möglichkeiten der Eltern ausschlaggebend, sondern vielmehr die persönlichen Eigenschaften des Kindes wie gewisse berufliche Neigungen, etwaige vorhandene Begabungen sowie der generelle Leistungswille. Die Eltern tragen somit die Kosten für diejenige Ausbildung, die den erkennbaren Fähigkeiten des Kindes am ehesten entspricht. Da sie im Rahmen der Wahl der Ausbildung gemäß § 1631a BGB auf die Eignung und Neigung ihres Kindes Rücksicht nehmen müssen, können sie die Ausbildung ihres Kindes nicht einseitig bestimmen, sondern müssen sich diesbezüglich mit ihrem Kind abstimmen.

Objektive Voraussetzung: Erreichbarkeit eines berufsqualifizierenden Abschlusses

In objektiver Hinsicht ist die Voraussetzung zu erfüllen, dass die Ausbildung die Perspektive einer finanziell eigenständigen Lebensweise des Kindes bieten muss. Die Rechtsprechung (OLG Brandenburg, Beschluss vom 18. Januar 2011 – Az.: 10 UF 161/10) definiert das Ziel der Ausbildungsförderung dadurch, dass das unterhaltsberechtigte Kind in die Lage zu versetzen (ist), künftig seinen Unterhalt und gegebenenfalls den seiner Familie sicherzustellen.

Es spielt dabei keine Rolle, ob das Kind in seinem erlernten Beruf später schlechte Berufsaussichten hat, weil die Eltern nach dem Abschluss ihres Kindes nicht dafür haften, dass dieses einen Arbeitsplatz in dem erlernten Beruf bekommt. Vielmehr muss das Kind dann auch einen solchen Arbeitsplatz annehmen, der nicht im Bereich des erlernten Berufes liegt. Entscheidend ist somit allein, ob die angestrebte Ausbildung beziehungsweise das angestrebte Studium nach der einschlägigen Ausbildungs- oder Studienordnung zu einem berufsqualifizierenden Abschluss führt. Dies ist nach Ansicht der Rechtsprechung z.B. dann ausgeschlossen, wenn das Kind ein Studium eines Nebenfaches in der Hoffnung aufnimmt, später auch das zur Erreichung des Studienabschlusses erforderliche Hauptfach studieren können.

Einheitlichkeit der Ausbildung

Mit seiner Entscheidung vom 07.06.1989 (Az.: IVb ZR 51/88) hat der BGH den Grundsatz aufgestellt, dass die sogenannten „Abitur-Lehre-Studium“ Fälle als eine einheitliche Ausbildung im Sinn des § 1610 Absatz 2 BGB anzusehen sind, sofern die einzelnen Abschnitte in einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen. Wenn dieser gegeben ist, sind die Eltern daher nicht nur für den ersten Abschnitt – die Ausbildung – sondern darüber hinaus auch für den zweiten Abschnitt – das Studium – unterhaltsverpflichtet.

Der sachliche Zusammenhang zwischen Ausbildung und Studium

Ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen Ausbildung und Studium ist lt. BGH dann gegeben, wenn

  • Ausbildung und Studium so zusammenhängen, dass das eine für das andere eine fachliche Ergänzung, Weiterführung oder Vertiefung bedeutet
  • die praktische Ausbildung eine sinnvolle Vorbereitung auf das Studium darstellt

Seit dem Urteil aus dem Jahr 1989 sind weiteren Veränderung und Verlängerung der zur Auswahl stehenden Ausbildungswege eingetreten.  Daher verzichtet der BGH nunmehr auf das vormals für die Annahme eines sachlichen Zusammenhangs hinzugezogene Kriterium der Zugehörigkeit von Ausbildung und Studium zur selben Berufsgruppe. Allein die Nützlichkeit der Ausbildung für das spätere Studium ist entscheidend (so etwa BGH, Beschluss vom 8. März 2017 – Az.: XII ZB 192/16). Somit hat der BGH das Kriterium des sachlichen Zusammenhangs recht weit gefasst und ferner festgestellt, dass auch ein Studienverlauf mit einem Bachelor- und einem darauf aufbauenden Masterabschluss eine einheitliche Ausbildung im Sinn des § 1610 Absatz 2 BGB darstellt. Die Eltern sind daher auch dann unterhaltsverpflichtet, wenn ihr Kind nach dem Abitur zunächst eine Ausbildung absolviert, um im Anschluss daran ein Bachelor- und Masterstudium aufzunehmen. Dies allerdings nur dann, wenn dieser Ausbildungsweg sich als einheitlich und in engem sachlichen Zusammenhang stehend darstellt.

Der zeitliche Zusammenhang zwischen Ausbildung und Studium

Für den zeitlichen Zusammenhang zwischen Ausbildung und Studium kommt es darauf an, ob eine etwaige Verzögerung zwischen dem Abschluss der Ausbildung und der Aufnahme des Studiums wenigstens teilweise durch das unterhaltsberechtigte Kind verursacht worden ist. Ist dies nicht der Fall, so besteht zwischen Ausbildung und Studium trotz zeitlicher Verzögerung der erforderliche zeitliche Zusammenhang.

So hat die Rechtsprechung etwa dann einen zeitlichen Zusammenhang bejaht, wenn die Verzögerung zwischen Ausbildung und Studium auf eine Schwangerschaft beziehungsweise Kindesbetreuung zurückzuführen ist oder das Kind aufgrund eines Numerus clausus keinen Studienplatz erhält, aber dennoch durch die Tätigkeit in dem Ausbildungsberuf finanziell selbstständig ist und sich weiterhin auf den gewünschten Studienplatz bewirbt.

Ein zeitlicher Zusammenhang wäre hingegen dann abzulehnen, wenn das Kind im Anschluss an eine Ausbildung zunächst in dem erlernten Beruf arbeitet und erst drei Jahre später ein Studium aufnehmen möchte. Die Unterhaltsverpflichtung der Eltern kann sich auf einen langen, mehrere Ausbildungsabschnitte umfassenden Zeitraum erstrecken und hängt darüber hinaus nicht ausschließlich von objektiv vorhersehbaren Kriterien ab. Deshalb kann im Einzelfall die (weitere) Gewährung von Ausbildungsunterhalt unzumutbar und damit ausgeschlossen sein, um eine unverhältnismäßige Belastung der Eltern zu vermeiden.

Keine Unterhaltsverpflichtung bei schuldhafter Verzögerung der Ausbildung

Die Begrenzung der Unterhaltsverpflichtung erfolgt durch das Kriterium der Zumutbarkeit der Unterhaltsverpflichtung, das wiederum aus dem Gegenseitigkeitsprinzip folgt. Denn gemäß § 1618a BGB sind sowohl die Eltern als auch das unterhaltsberechtigte Kind zu gegenseitiger Rücksichtnahme und Beistand verpflichtet. Das Kind hat daher dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Eltern durch die Unterhaltsleistungen in ihrer eigenen Lebensplanung und -gestaltung beeinträchtigt sind.

Der BGH hat in seinem Beschluss vom 3. Mai 2017 – Az.: XII ZB 415/16 ausgeführt, dass der Anspruch auf Ausbildungsunterhalt dann ausgeschlossen sein kann, wenn das Kind die Ausbildung nicht mit Fleiß und der gebotenen Zielstrebigkeit verfolgt und diese nicht in angemessener und üblicher Zeit beendet.

Die Eltern haben hierbei durchaus Verzögerungen hinzunehmen, die lediglich auf ein vorübergehendes leichteres Versagen ihres Kindes zurückzuführen sind. Hat das Kind die Ausbildung allerdings weder planvoll noch zielstrebig aufgenommen und abgeschlossen, so muss es sich darauf verweisen lassen, seinen Lebensunterhalt selbst zu verdienen.

Die Unterhaltsverpflichtung der Eltern entfällt also dann, wenn das unterhaltsberechtigte Kind durch eigenes Verhalten den Fortgang seiner Ausbildung verzögert und ihm hierbei nicht nur leichtes Versagen vorzuwerfen ist.

Es gibt allerdings keine eindeutige Altersgrenze, bis zu der das Kind die angestrebte Ausbildung zu beginnen oder abzuschließen hat. Daher sind für die Beantwortung dieser Frage die Umstände des Einzelfalls zu betrachten. Im Rahmen dieser Beurteilung sind insbesondere die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Eltern sowie die Frage, ob und inwieweit diese damit rechnen müssen, dass ihr Kind weitere Ausbildungsabschnitte anstrebt, zu berücksichtigen.

Zu beachten ist jedoch, dass die Rechtsprechung das Kriterium der Unzumutbarkeit nur in Ausnahmefällen als gegeben ansieht und hieran strenge Anforderungen knüpft, sodass die Unterhaltsverpflichtung der Eltern auch bei einer zeitlichen Verzögerung des Ausbildungsweges ihres Kindes im Regelfall nicht unzumutbar ist. Zwar gilt insofern die Regelabschlusszeit – also die Spanne bis zum Ende der Regelstudienzeit oder der Teilnahme an einer Gesellenprüfung – als Begrenzung der Unterhaltsverpflichtung der Eltern. Allerdings kann sich diese aufgrund nicht vom Kind zu vertretender Umstände wie einer Schwangerschaft oder einer andauernden Erkrankung verlängern, ohne dass die Unterhaltsverpflichtung der Eltern automatisch entfällt.

Ebenso entfällt die Unterhaltsverpflichtung der Eltern nicht, wenn die zeitliche Verzögerung auf lediglich leichtes Versagen des Kindes zurückzuführen ist. Für die Beurteilung der Frage, wann die Unterhaltsverpflichtung der Eltern erlischt, sind daher stets sämtliche Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen.

Unterhaltspflicht auch bei Ausbildungswechsel?

Das Kriterium der Zumutbarkeit gewinnt auch dann an Bedeutung, wenn das Kind einen Ausbildungswechsel anstrebt oder vornimmt. So muss die durch den Wechsel bewirkte Verlängerung des Ausbildungsweges den Eltern wirtschaftlich zumutbar und der Wechsel an sich aus sachlichen Gründen gerechtfertigt sein.

Nach der Rechtsprechung besteht die Unterhaltspflicht bei einem Ausbildungswechsel etwa dann fort, wenn die Wahl der gescheiterten oder abgebrochenen Erstausbildung auf einer Fehleinschätzung der Begabungen oder Neigungen des Kindes durch die Eltern beruht oder die Erstausbildung aus Gründen, die bei Antritt der Ausbildung nicht vorhersehbar waren, keine Lebensgrundlage mehr bietet und dies bereits während der Ausbildung oder unmittelbar nach dem Abschluss erkennbar war. Bei der Beurteilung sind allerdings ebenfalls sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen.

Ausbildungsunterhalt während Orientierungsphase oder berufsvorbereitendem Praktikum

Im Gegensatz zu der öffentlich-rechtlichen Ausbildungsförderung durch das Bundesausbildungsförderungsgesetz (BaFöG) sind vom Ausbildungsunterhalt nicht nur die Zeiten der einzelnen Ausbildungsabschnitte umfasst, sondern darüber hinaus auch solche, die der Vorbereitung der Ausbildung dienen.

So sind Eltern in den Grenzen ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auch dann zum Unterhalt verpflichtet, wenn sich das unterhaltsberechtigte Kind in der sogenannten Orientierungsphase befindet, also in der Zeit zwischen Schulabschluss und Beginn einer Ausbildung, in der es sich zunächst auf eine Ausbildung festlegen muss. Ebenso besteht die Unterhaltspflicht der Eltern während eines Praktikums, das der Vorbereitung einer Ausbildung oder eines Studiums dient.

3. Zusammenfassung

Die Pflicht der Eltern zur Zahlung von Ausbildungsunterhalt bezieht sich grundsätzlich auf sämtliche Ausbildungsabschnitte des Kindes, die einen engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang aufweisen und kann somit über einen längeren Zeitraum bestehen.

Die Unterhaltspflicht der Eltern ist theoretisch durch das Kriterium der Zumutbarkeit begrenzt, jedoch stellt die Rechtsprechung an das Vorliegen einer Unzumutbarkeit strenge Anforderungen. Daher entfällt die Pflicht zur Leistung von Ausbildungsunterhalt nur in Ausnahmefällen.