Zum Sorgerecht für uneheliche Kinder stellte sich die Rechtslage vor 2010 wie folgt dar: Damit der nichteheliche Vater das gemeinsame Sorgerecht bekommen konnte, musste die Mutter dem zustimmen; verweigerte sie die Zustimmung, war es für den Kindesvater grundsätzlich unmöglich, das Sorgerecht zu erhalten – ihm blieb nur noch das Recht zum Umgang mit dem Kind.

Seit dem 21. Juli 2010 hat sich die Rechtslage durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) grundlegend geändert: Dieses sieht die bis dato geltende Gesetzeslage als grundrechtswidrig an. Dem nichtehelichen Vater könne nicht pauschal – nämlich durch schlichte Verweigerung der Mutter – das gemeinsame Sorgerecht verwehrt werden. Denn auch der nichteheliche Vater hat ein grundrechtlich geschütztes Recht, mit seinem Kind eine Beziehung aufzubauen und zu erhalten, insbesondere im Rahmen des gemeinsamen Sorgerechts. Danach dürfe es nicht allein in der Hand der Mutter liegen, zu entscheiden, ob das gemeinsame Sorgerecht des Vaters dem Kindeswohl dient oder ihm schadet. Vielmehr muss darüber im Zweifel ein Gericht befinden.

Das BVerfG hält die Gerichte allerdings an, das gemeinsame Sorgerecht für den Vater abzulehnen, wenn die Beziehung zwischen ihm und der Mutter derart schlecht ist, dass dadurch das Kindeswohl gefährdet wird.

Die Forderung des BVerfG, dessen Entscheidung in ein Gesetz umzusetzen, ist vom Gesetzgeber bisher nicht verwirklicht worden. Nun hat das OLG Hamm durch Beschluss einen solchen Zweifelsfall auf der Grundlage der Entscheidung des BVerfG entschieden.

Die Eltern einer zweieinhalb Jahre alten Tochter sind nicht miteinander verheiratet. Da sie keine gemeinsame Sorgerechtserklärung abgegeben haben, besitzt die Mutter seit Geburt des Kindes das alleinige Sorgerecht. Vor der Geburt des Kindes trennten sich die Eltern, wobei sie wenige Monate danach für kurze Zeit zusammenzogen. Darauf folgte eine erneute Trennung. Das Umgangsrecht des Vaters mit der Tochter wurde gerichtlich geregelt. Der Vater sieht keine Kommunikationsschwierigkeiten zwischen ihm und der Mutter. Er befürchtet allerdings, dass sich das alleinige Sorgerecht der Mutter zulasten seines Verhältnisses zur Tochter auswirken könne. Die Mutter hingegen glaubt, das gemeinsame Sorgerecht führe zu erheblichen Konflikten zwischen den Eltern, da sie ganz unterschiedliche Auffassungen über die Kindeserziehung hätten.

Aus den Gründen: Das Gericht sieht zwischen den Eltern keine ausreichend tragfähige soziale Beziehung, um die Verantwortung der gemeinsamen elterlichen Sorge zu übernehmen.
Der Vater wirft der Mutter vor, sie hätte sich negativ verändert; er vermittelt dem Gericht den Eindruck, über ihre Lebens- und Haushaltsführung bestimmen zu wollen.
Die Mutter hat den Vater wegen Stalkings angezeigt. Es kam sogar zu Polizeieinsätzen wegen Streitigkeiten.
Die Eltern konnten sich beispielsweise zunächst nicht über die Frage des Kindergartenbesuchs einigen. Sie sind auch nicht in der Lage, den Umgang des Vaters mit dem Kind selbständig zu regeln. Das Gericht kommt deswegen zu der Überzeugung, dass zwischen den Eltern kein Mindestmaß an Übereinstimmung bestehe und sich diese Unstimmigkeit zulasten des Kindes auswirken könne. Daher bekommt der Vater das gemeinsame Sorgerecht nicht zuerkannt.

Man könnte leicht zu der Annahme gelangen, dass sich trotz der BVerfG-Entscheidung faktisch nichts an der Rechtslage geändert hat. Davor konnte die Mutter das gemeinsame Sorgerecht des Vaters schlicht verweigern, nun könnte sie dies indirekt tun, indem sie erhebliche Konflikte mit dem Vater herbeiführt und das Gericht deswegen das gemeinsame Sorgerecht für den Vater ablehnen muss. Zugegeben: Ein solch berechnendes Vorgehen der Mutter wird vermutlich nicht der Regelfall sein. Außerdem scheint es ausgeschlossen, dass das Gericht ein derartiges Vorgehen verkennen und nicht entsprechend berücksichtigen würde.

Dient bzw. schützt das alleinige Sorgerecht der Mutter in einem solchen Fall das Kindeswohl überhaupt?

Wie in der obigen Entscheidung gesehen, verhindert das alleinige Sorgerecht der Mutter den Streit zwischen den Eltern nicht. Insoweit ist dem Kindeswohl nicht mehr als vorher gedient. Folglich könnte man sich natürlich die Frage stellen, ob das gemeinsame Sorgerecht die Lage denn verschlimmern würde.

Zu bedenken ist eines: Das alleinige Sorgerecht schafft Rechtssicherheit, denn dadurch wird es einem Elternteil ermöglicht, alle wesentlichen Fragen selbst zu entscheiden.

Somit kann dem Kind erst einmal eine klare Linie vorgegeben werden. Ist der andere Teil, der dann in der Regel umgangsberechtigt ist, mit einer Entscheidung nicht zufrieden, kann er immer noch den gerichtlichen Weg wählen um die einzelne Frage klären zu lassen.

Haben Sie weitere Fragen zu diesem Thema? Als Fachanwältin für Familienrecht in Köln und Rhein/Main beschäftige ich mich tagtäglich mit solchen Fragen. Gern beantworte ich sie Ihnen!