1. Was ist Prozesskostenhilfe?

Durch die Prozesskostenhilfe (PKH) übernimmt der Staat die Kosten, die durch das Gericht und den eigenen Anwalt anfallen. Übernommen werden nur die eigenen Kosten. Dadurch sollen auch (relativ) mittellose Personen trotz ihrer finanziellen Schwierigkeiten die Möglichkeit haben, rechtliche Schritte einzuleiten und ihre Rechte durchzusetzen.

Gebühren und Auslagen werden dann nicht mit dem Arbeitnehmer, sondern direkt mit der Staatskasse abgerechnet. Für die betroffene Person entfallen die Kosten entweder vollständig oder werden (anteilig) in Raten zurückgezahlt.

Wer eine Einschätzung über die grundsätzlich anfallenden Kosten in der ersten Instanz möchte, kann sich durch unseren Artikel zur Kündigungsschutzklage einen Überblick verschaffen. Gleichwohl sind die Gebühren auf PKH-Basis grundsätzlich etwas geringer.

Achtung: Die gegnerischen Kosten werden von der Prozesskostenhilfe nicht umfasst. Dies ist bzgl. der Anwaltskosten in der ersten Instanz vor dem Arbeitsgericht aber kein Problem, da die jeweiligen Parteien sowieso immer nur für die eigenen Anwaltskosten aufkommen.

In der zweiten Instanz vor dem Landesarbeitsgericht muss allerdings die Partei, die den Prozess verliert, für die gegnerischen Kosten aufkommen.  Die gegnerischen Anwaltskosten müssen also bezahlt werden und sind nicht durch die PKH erstattungsfähig. Nutzen und Kostenrisiko müssen daher auf jeden Fall genau abgewogen werden.

2. Kann ich meinen Anwalt selbst aussuchen oder wird der Anwalt vom Gericht gestellt?

Prozesskostenhilfe bedeutet nicht, dass der Rechtsanwalt nicht selbst ausgesucht werden kann. Es geht lediglich um die Finanzierung. Das Gericht stellt dann auf Antrag den Anwalt zur Seite, der vom Arbeitnehmer ausgesucht wurde.

Auch mit Prozesskostenhilfe hat man also bzgl. des Rechtsanwalts freie Auswahl.

3. Prozesskostenhilfe trotz Rechtsschutzversicherung?

Hat man eine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen, kann eine Finanzierung des Prozesses über die Versicherung laufen. Wenn die Rechtsschutzversicherung greift, entfällt ein Anspruch auf Prozesskostenhilfe, weil die Rechtsschutzversicherung vorranging in Anspruch zu nehmen ist. In jedem Fall ist aber genau zu prüfen, ob eine etwaige Rechtsschutzversicherung das Arbeitsrecht umfasst und den Arbeitsgerichtsprozess tatsächlich abdeckt. Nicht jede Rechtsschutzversicherung übernimmt arbeitsrechtliche Streitigkeiten (vollständig).

Prozesskostenhilfe kann im Einzelfall trotz Rechtsschutzversicherung gewährt werden, wenn

  • keine Deckungszusage von der Versicherung erteilt wurde,
  • die Deckungssumme der Rechtsschutzversicherung zur Finanzierung des Prozesses nicht ausreicht oder
  • ein Teil der Kosten durch eine Selbstbeteiligung oder aus sonstigen Gründen durch die Versicherung nicht gedeckt ist.

So entschied das LAG Berlin Brandenburg mit Beschluss vom 25.04.2014 – 21 Ta 811/14.

Kostenlose Erstberatung bei Kündigung

4. Wer kann Prozesskostenhilfe beantragen und was sind die Voraussetzungen?

Prozesskostenhilfe wird gem. § 114 ZPO gewährt, wenn

  • man wegen seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die notwendigen finanziellen Mittel für den Prozess entweder gar nicht, nur teilweise oder nur in Raten aufbringen kann (finanzielle Bedürftigkeit),
  • die Klage „hinreichend Aussicht auf Erfolg“ hat (die Klage darf nicht völlig aussichtslos sein),
  • keine Mutwilligkeit vorliegt (liegt vor, wenn eine finanziell nicht auf Prozesskostenhilfe angewiesene, verständige Person wegen der Abwägung von Kostenrisiko und Prozessaussichten vernünftigerweise nicht geklagt hätte) und
  • die Kosten nicht von der Rechtsschutzversicherung übernommen werden.

Einen Antrag auf Prozesskostenhilfe stellen können sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber.

5. Definition von finanzieller Bedürftigkeit

Grundsätzlich wird verlangt, dass das eigene Vermögen eingesetzt wird. Um die finanzielle Bedürftigkeit feststellen zu können, muss also die Höhe des sog. einzusetzenden Einkommens in vier Schritten ermittelt werden. Das einzusetzende Vermögen entspricht nicht dem Nettoeinkommen.

Berechnung des einzusetzenden Vermögens:

Schritt 1: Ermittlung der monatlichen Einkünfte (Einkommen)

Zum monatlichen Nettoeinkommen hinzuzuzählen sind:

  • Regelmäßige Einkünfte aus Vermietung, Verpachtung usw.
  • Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit
  • Kindergeld, soweit es dem PKH-Antragsteller direkt zugeht
  • Wohngeld
  • Sozialleistungen
  • Pensionen und Renten
  • Unterhaltszahlungen

Bei unregelmäßigen Einkünften, die nicht jeden Monat in gleicher Höhe anfallen, ist die Summe aller Einkünfte aus dem letzten Kalenderjahr zu bilden und diese Summe durch 12 zu teilen, um einen Durchschnittswert für einen Monat zu erhalten (OLG Köln, Beschluss vom 15.02.1993 – 2 W 15/93).

Bei den Einkünften nicht zu berücksichtigen sind von vorneherein zweckgebundene Leistungen (z.B. Pflegegeld).

Schritt 2: Abzug laufender Ausgaben (Kosten)

Von den Einkünften sind die monatlichen laufenden Ausgaben, d.h. anfallende Kosten abzuziehen. Abzugsfähig sind etwa:

  • Miete und Nebenkosten
  • Kosten für die Fahrt zur Arbeit
  • gewöhnliche Versicherungen (z.B. Lebensversicherung, Hausrat und Haftpflicht).

Nicht abzugsfähig sind regelmäßige Kosten für sog. Luxusgüter (z.B. Unterhaltung einer Yacht oder eines Ferienhauses).

Schritt 3: Anrechnung von Freibeträgen

Neben dem Abzug laufender Kosten können auch Freibeträge geltend gemacht werden. Diese sollen sicherstellen, dass nicht das gesamte Einkommen für den Prozess aufgewandt werden muss.

Nach der Prozesskostenhilfebekanntmachung des jeweiligen Jahres können entsprechende Freibeträge zusätzlich von den Einkünften abgezogen werden. Die Freibeträge ändern sich regelmäßig minimal mit steigender Tendenz. Im Jahre 2019 lagen die Freibeträge wie folgt:

  • Für sich selbst kann der PKH-Antragsteller 491 Euro anrechnen
  • Wer berufstätig ist, kann weitere 223 Euro anrechnen
  • Für Ehegatten/Ehegattin oder eingetragene(n) Lebenspartner(in) sind 491 Euro anrechenbar
  • Für erwachsene Personen im Haushalt, für die Unterhalt geleistet wird (z.B. Kinder ab 18 Jahren) sind je 392 Euro anrechenbar
  • Für Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahren je 372 Euro
  • Für Kinder zwischen 6 und 13 Jahren je 345 Euro
  • Für Kinder bis 5 Jahren je 282 Euro

Schritt 4: Verwertbares Vermögen

Vorhandenes Vermögen muss grundsätzlich für eine Kündigungsschutzklage erst aufgebraucht werden, bevor man PKH beanspruchen kann. Aber auch hiervon gibt es Ausnahmen.

Folgende Vermögenswerte müssen nicht eingesetzt werden:

  • Geldvermögen bis 2.000 Euro
  • Selbstbewohnte Immobilien (hier wird allerdings gelegentlich verlangt, dass die Immobilie belastet wird)
  • Vermögenswerte zur Altersvorsorge
  • Für die Berufsausübung notwendige Vermögenswerte.

Vermietete Immobilien oder eine Lebensversicherung sind dagegen nicht geschützt. Hier setzen die Gerichte voraus, dass diese Vermögenswerte aufgelöst oder beliehen werden müssen, bevor Prozesskostenhilfe beansprucht werden kann.

6. Rechenbeispiel

Arbeitnehmerin A wird von ihrem Arbeitgeber gekündigt. Sie vermutet, dass die Kündigung unwirksam ist und möchte Kündigungsschutzklage erheben.

A hat Einkünfte von 1.500 Euro netto im Monat und bezieht zudem Kindergeld für den 15-jährigen Sohn in Höhe von 194 Euro. Sie hat laufende monatliche Kosten (u.a. Miete) von 700 Euro. Weitere Vermögenswerte hat Frau A nicht.

  1. Schritt/Einkünfte: Nettoeinkommen (1.500 Euro) + Kindergeld (194 Euro) = 1.694 Euro
  2. Schritt/laufende Ausgaben: 700 Euro Mietkosten
  3. Schritt/Freibeträge: 491 Euro + 223 Euro + 372 Euro = 1.086 Euro

Einzusetzendes Einkommen = 1.694 Euro – 700 Euro – 1.086 Euro = -92 Euro

Da der Wert des einzusetzenden Einkommens (-92 Euro) negativ ist und somit unter einem einzusetzenden Einkommen von 20 Euro im Monat liegt, kann Arbeitnehmerin A ratenfreie Prozesskostenhilfe (dazu s.u.) beanspruchen.

7. Prozesskostenhilfe mit und ohne Ratenzahlung

Nicht immer wird die Prozesskostenhilfe gratis gewährt. Bei einem einzusetzenden Einkommen von weniger als 20 Euro im Monat ist die Prozesskostenhilfe gratis, d.h. (vorerst) ratenfrei.

Im obigen Rechenbeispiel unter 5. würde der A also wegen ihres einzusetzenden Einkommens von – 92 Euro ratenfreie (gratis) Prozesskostenhilfe gewährt werden.

Bei einem höheren einzusetzenden Einkommen (über 20 Euro im Monat) wird die Prozesskostenhilfe zwar zunächst übernommen. Die Kosten müssen aber vom PKH-Bezieher (je nach finanzieller Möglichkeit) vollständig oder teilweise zurückgezahlt werden. Die Höhe der Monatsrate liegt dann bei der Hälfte des einzusetzenden Einkommens, wobei die Raten auf volle Euro-Beträge abzurunden sind.

Beispiel: A hat nach der obigen Rechnung ein einzusetzendes Einkommen von 195 Euro. Zusätzlich verfügt sie über ein Geldvermögen i.H.v. 1.000 Euro.

Liegt das einzusetzende Einkommen über 600 Euro im Monat, beträgt die Monatsrate 300 Euro zuzüglich des Teils des einzusetzenden Einkommens, der 600 Euro übersteigt.

Beispiel: B verfügt monatlich über ein einzusetzendes Einkommen in Höhe von 800 Euro.

Der Rückzahlungszeitraum beträgt maximal 48 Monate. Sind nach den 48 Monatsraten noch Kosten offen, weil die Raten aufgrund der finanziellen Situation nicht höher angesetzt werden konnten, werden diese vom Staat übernommen.

Hinweis: Wenn sich die Einkommensverhältnisse innerhalb von vier Jahren nach Beendigung des Verfahrens wesentlich verbessert haben, kann der PKH-Berechtigte auch noch nachträglich zur Rück- bzw. Ratenzahlung verpflichtet werden.

Beispiel:  Die PKH wird infolge der Arbeitslosigkeit gewährt und die betreffende Person ist wieder erwerbstätig.

Hier besteht Mitteilungspflicht. Eine wesentliche Einkommensverbesserung liegt z.B. dann vor, wenn die Differenz beim monatlichen Einkommen nicht nur einmal mindestens 100€ beträgt. Die wesentliche Verbesserung kann sich aber auch aus anderen Umständen als dem monatlichen Gehalt ergeben (z.B. gestiegene Mieteinnahmen).

Zusätzlich können ggf. auch noch die Differenzgebühren zwischen PKH-Anwalts- und Wahlanwaltsgebühren anfallen. Die PKH-Anwaltsgebühren liegen unterhalb der üblichen Anwaltsgebühren. Ergibt sich nun im Rahmen der Nachprüfung innerhalb von 4 Jahren, dass der Mandant wieder besser verdient, kann diese Differenz nachträglich anfallen. 

8. Wie bekomme ich Prozesskostenhilfe?

Prozesskostenhilfe wird nicht von Amts wegen gewährt, sondern muss selber beantragt werden – und zwar für jede Instanz und/oder Erweiterung der Klage.

Die Beantragung kann entweder durch den Arbeitnehmer selbst oder den bevollmächtigten Anwalt erfolgen.

Einzureichen ist der Antrag auf Prozesskostenhilfe bei dem Arbeitsgericht, das auch über die Wirksamkeit der Kündigung entscheidet.

Sollen nicht nur die Gerichts-, sondern auch die Rechtsanwaltskosten übernommen werden, muss in dem Antragsformular zusätzlich auch die Beiordnung des namentlich genannten Rechtsanwalts beantragt werden.

9. Zu beachtende Fristen bei der Kündigungsschutzklage

Die Kündigungsschutzklage muss innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung beim Arbeitsgericht eingereicht werden. Andernfalls wird die Kündigung wirksam. Diese Frist gilt es zwingend einzuhalten. Da die Bewilligung der Prozesskostenhilfe regelmäßig nicht innerhalb dieser drei Wochen zu erwarten ist, muss allerdings schon vorher gehandelt werden.

Die bloße Einreichung des Antrags auf Prozesskostenhilfe reicht nicht aus, um diese Frist zu wahren.

Selbst wenn die Klage unter der Bedingung (also eingeschränkt) erhoben wird, dass der Antrag auf Prozesskostenhilfe bewilligt wird, genügt dies grundsätzlich nicht zur Fristwahrung. Erforderlich ist eine bedingungslose Einreichung der Kündigungsschutzklage.

Wer also PKH beantragt und erstmal auf die Bewilligung wartet, der wird regelmäßig die einzuhaltende Frist für die Kündigungsschutzklage und damit seine Chance auf eine Wiedereinstellung oder eine Abfindung versäumen.

Die Einreichung der Klage ohne PKH-Bewilligung ist grundsätzlich auch kein Problem für (relativ) mittellose Personen, weil bei Verfahren vor dem Arbeitsgericht erstmal noch keine Gerichtsgebühren fällig werden, damit das Verfahren überhaupt anläuft. Anders als bei den meisten Zivilgerichten wird bei Verfahren vor dem Arbeitsgericht nämlich kein Gebührenvorschuss verlangt.

Eine Alternative zur Beauftragung eines Rechtsanwalts ist bei Einreichung einer Klage immer die kostenlose Unterstützung bei der Rechtsantragsstelle des Arbeitsgerichts.

In jedem Fall ist also schnelles Handeln erforderlich, damit die Klageeinreichung rechtzeitig gelingt und die Frist der Kündigungsschutzklage nicht abläuft.

10. Fazit

  • Durch die Prozesskostenhilfe (PKH) übernimmt der Staat die Kosten, die durch das Gericht und den Anwalt anfallen.
  • Bei Vorliegen einer Rechtsschutzversicherung kann die PKH eventuell verweigert werden.
  • Der Antragsteller muss finanziell bedürftig sein, die Klage darf nicht aussichtslos oder mutwillig sein.
  • PKH wird bei einem einzusetzenden Einkommen unter 20 Euro im Monat ratenfrei gewährt.
  • Bei einer Bewilligung mit Ratenzahlung sind die Raten innerhalb von max. 48 Monaten zurückzuzahlen. Darüber hinausgehende Kosten trägt der Staat.
  • Bei einer Kündigungsschutzklage ist die drei-Wochen-Frist zu beachten, die ein Abwarten der Bewilligung ohne Einreichung der Kündigungsschutzklage regelmäßig nicht erlaubt.