1. Turboklausel und Sprinterprämie – Was ist das?

Eine Turboklausel oder Sprinterklausel ist häufig in einem Aufhebungsvertrag oder einem Abwicklungsvertrag zu finden.

Durch einen Aufhebungsvertrag können Arbeitgeber und Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis einvernehmlich beenden. Der Vertrag enthält in aller Regel auch eine Abfindungsvereinbarung und ersetzt eine einseitige Kündigung durch den Arbeitgeber oder den Arbeitnehmer.

Ein Abwicklungsvertrag hingegen regelt die Details der Trennung nach Kündigung. Durch ihn wird das Arbeitsverhältnis selbst jedoch nicht beendet. Der Abwicklungsvertrag kann nach Ausspruch einer Kündigung dabei helfen, offene Punkte vertraglich zu regeln und so eine Kündigungsschutzklage zu vermeiden. Typische Inhalte sind das Austrittsdatum, der Umgang mit Resturlaub und Überstunden oder Details zum Arbeitszeugnis. Auch hier kann der Arbeitnehmer in der Regel noch eine Abfindung aushandeln. Im Gegenzug verzichtet er auf sein Recht zur Kündigungsschutzklage.

Mit der Turboklausel erhält der Arbeitnehmer die Option, das Arbeitsverhältnis noch vor Ablauf der Kündigungsfrist bzw. dem vereinbarten Austrittsdatum einseitig zu beenden. Meist verspricht der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für den vorzeitigen Ausstieg eine höhere Abfindung (sog. Sprinterprämie oder Turboprämie).

2. Welche Vorteile hat eine Turboklausel?

Eine Turboklausel kann sowohl für den Arbeitnehmer als auch für den Arbeitgeber sehr vorteilhaft sein:

Früheres Ausscheiden aus dem Betrieb

Üblicherweise wird im Aufhebungs- oder Abwicklungsvertrag das Vertragsende vereinbart. Hat der Arbeitnehmer zu diesem Zeitpunkt noch keinen neuen Job gefunden, entspricht das vereinbarte Vertragsende meist der Kündigungsfrist, denn ansonsten würde dem Arbeitnehmer eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld drohen. Findet dieser aber in der Zwischenzeit eine neue Arbeitsstelle, kann er die durch eine Turboklausel frühzeitig antreten. Eine Turboklausel gibt dem Arbeitnehmer also ein gewisses Maß an Flexibilität.

Wird der Arbeitsvertrag ohne Abwicklungsvereinbarung ordentlich gekündigt, darf der Arbeitnehmer vor Ablauf des Kündigungszeitraums grundsätzlich keine neue Stelle antreten. Andernfalls begeht er Vertragsbruch, der zu Schadensersatzansprüchen oder einer Vertragsstrafe führen kann. Häufig ist aber ein flexibler Einstiegszeitpunkt ein entscheidendes Kriterium im Bewerbungsprozess.

Ohne Turboklausel dürfen Arbeitnehmer einen neuen Job also nur mit Zustimmung des alten Arbeitgebers antreten.

Höhere Abfindung

Der Arbeitnehmer wird für das frühere Ausscheiden aus dem Betrieb auch finanziell belohnt, denn eine Turboklausel verspricht ihm in diesem Fall eine höhere Abfindung (sog. Sprinterprämie oder Turboprämie).

Die Höhe der Sprinterprämie hängt in der Regel davon ab, wie viel früher der Arbeitnehmer aus dem Betrieb ausscheidet. Arbeitnehmer können bis zu einem durchschnittlichen Nettomonatsgehalt für jeden Monat, den sie früher aus dem Unternehmen ausscheiden, verlangen. Der Arbeitgeber wird versuchen, diesen Betrag um die Hälfte zu drücken. Auch eine Regelung nach Tagen ist möglich (z.B. 50 Euro pro Tag, den der Arbeitnehmer früher ausscheidet). Dank geschickter Verhandlung kann die Abfindung durch die Sprinterprämie erheblich steigen.

Die Höhe der Sprinterprämie ist Verhandlungssache und sollte im Aufhebungs- oder Abwicklungsvertrag genau definiert werden.

Sozialabgaben und Fünftelregelung

Die Sprinterprämie ist auch aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht vorteilhaft: Anders als das laufende Gehalt ist eine Abfindung nämlich nicht sozialversicherungspflichtig, so dass Arbeitnehmer dadurch erhebliche Sozialabgaben sparen können. Das gilt auch für die Sprinterprämie.

Im Einzelfall kann eine Turboklausel auch steuerliche Vorteile bieten. Das hängt allerdings von der konkreten Vertragsklausel ab:

Auf eine Abfindung können Arbeitnehmer in der Steuererklärung die sog. Fünftelregelung anwenden. Die Abfindung muss dann nicht vollständig in einem Kalenderjahr versteuert werden, sondern kann auf fünf Jahre gestreckt werden. Dies wirkt sich in der Regel positiv auf den Steuersatz aus.

Liegt der vorzeitige Ausstieg durch Nutzung der Turboklausel ausdrücklich auch im Interesse des Arbeitnehmers, können Arbeitnehmer ggf. die Fünftelregelung auch auf die Sprinterprämie anwenden.

Achtung: Die Gerichte sind sich in diesem Punkt nicht einig. Während das FG Hessen die Fünftelregelung auch auf die Sprinterprämie anwendet (FG Hessen, Urt. vom 31.05.2021, Az. 10 K 1597/20), lehnt das FG Niedersachsen ihre Anwendung ab (FG Niedersachen, Urt. vom 08.02.2018, Az. 1 K 279/17). Eine höchstrichterliche Klärung steht noch aus.
Expertentipp: Die Chance auf eine Anwendung der Fünftelregelung ist im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung höher, wenn in der Klausel ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass der Gebrauch von der Turboklausel auch im Interesse des Arbeitgebers liegt.

Vorteile für den Arbeitgeber

Auf den ersten Blick wirkt eine Sprinterklausel für den Arbeitgeber wie ein Verlustgeschäft. Tatsächlich profitiert aber auch er trotz Zahlung der Sprinterprämie von einer Turboklausel.

Ohne Turboklausel muss der Arbeitgeber bis zum Vertragsende das volle Gehalt auszahlen. Dabei ist er verpflichtet, Sozialbeiträge abzuführen. Im Fall der Sprinterprämie entfallen diese Sozialbeiträge, denn die Sprinterprämie ist nicht sozialversicherungspflichtig. Der Arbeitgeber wird durch Ausübung der Turboklausel also selbst finanziell bessergestellt.

In der Regel muss er auch nicht unerwartet oder vorzeitig auf eine Arbeitskraft verzichten. In vielen Fällen wird der Arbeitnehmer ohnehin für den Zeitraum der Kündigung freigestellt. Für den Arbeitgeber hat die Turboklausel dann keine personellen Nachteile.

3. Welche Risiken bestehen für Arbeitnehmer?

Eine Turboklausel ist grundsätzlich mit nur wenigen Risiken für den Arbeitnehmer verbunden. Auf einige Aspekte sollte dennoch geachtet werden:

Neuer Arbeitsplatz noch nicht sicher

Durch die Turboklausel wird das Arbeitsverhältnis vorzeitig beendet. Daher sollte davon nur Gebrauch gemacht werden, wenn Sie bereits einen neuen Job sicher haben.

Vor der Vertragsunterschrift ist es riskant, die Turboklausel zu nutzen. Platzen die Vertragsverhandlungen mit dem neuen Arbeitgeber und haben Sie die Turboklausel schon beansprucht, stehen Sie im schlimmsten Fall ohne Arbeitsvertrag und folglich ohne laufendes Gehalt da. Diese finanziellen Einbußen kann auch eine Sprinterprämie nicht kompensieren.

Sperrzeit beim Arbeitslosengeld I

Darüber hinaus kann die Turboklausel außerdem zu einer Sperrzeit beim Arbeitslosengeld I führen. Damit ist immer zu rechnen, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Arbeitnehmer vorzeitig beendet wird. So soll verhindert werden, dass Arbeitnehmer gleichzeitig eine erhöhte Abfindung und Arbeitslosengeld I erhalten.

Beispiel: Arbeitnehmer A hat eine Kündigungsfrist von sechs Monaten. Im Abwicklungsvertrag ist eine Turboklausel vorgesehen, von der A nach zwei Monaten Gebrauch macht, um sich vor seiner neuen Beschäftigung noch ein paar Monate auszuruhen. A erhält zwar die Sprinterprämie für vier Monate, muss aber mit einer Sperrzeit beim Arbeitslosengeld I rechnen.

Neben der Sperrzeit droht auch eine Kürzung des Arbeitslosengeldes, wenn die Turboklausel nur zur Umgehung der gesetzlichen Kündigungsfrist genutzt wurde. Ein verfrühter Gebrauch der Sprinterklausel sollte daher vermieden werden.

Kostenlose Erstberatung bei Kündigung

4. Wie wird die Turboklausel ausgeübt?

Damit dem Arbeitnehmer keine Nachteile entstehen, muss die Turboklausel auch richtig ausgeübt werden. Hierzu ist zwingend eine schriftliche Mitteilung an den Arbeitgeber erforderlich, die vom Arbeitnehmer handschriftlich unterzeichnet werden muss.

Das Bundesarbeitsgericht hat klargestellt, dass die Ausübung der Sprinterklausel rechtlich als Kündigungserklärung zu werten ist und damit zwingend die Schriftform des  § 623 BGB beachtet werden muss. Eine E-Mail oder ein Fax reichen daher nicht aus.

Die Mitteilung muss dem Arbeitgeber außerdem rechtzeitig vorgelegt werden. Maßgeblich ist die im Aufhebungsvertrag individuell vereinbarte Ankündigungsfrist (üblich sind 3 – 14 Tage).

Verpasst der Arbeitnehmer die Ausübungsfrist, kann er sich nicht vorzeitig vom Vertrag lösen. Hat er aber schon bei einem anderen Unternehmen unterschrieben, liegt oft ein Verstoß gegen den alten Arbeitsvertrag vor. Im schlimmsten Fall darf der alte Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis dann fristlos und ohne Zahlung einer Abfindung kündigen.


5. Muster für eine Turboklausel

Hier eine typischerweise in Aufhebungsverträgen verwendete, wirksame Turboklausel:

Der Arbeitnehmer hat das Recht, das Arbeitsverhältnis vorzeitig durch einseitige, empfangsbedürftige Auflösungserklärung mit einer Ankündigungsfrist von einer Woche zu beenden. Die vorzeitige Beendigung liegt auch im Interesse des Arbeitgebers. Im Fall der vorzeitigen Beendigung treten alle nach dieser Vereinbarung mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses verbundenen Rechtsfolgen zum dann früheren Beendigungszeitpunkt ein.
 
Für jeden vollen Monat des vorzeitigen Ausscheidens erhöht sich die nach Ziffer [_] vereinbarte Abfindung um [__] Euro, für anteilige Monate anteilig, ausgehend von einem 30-Tage Monat („Sprinterprämie“). Abfindung und Sprinterprämie werden mit Ablauf des auf den Monat der Ankündigung folgenden Monat zur Auszahlung fällig.
Hinweis: Die Klausel dient nur der groben Veranschaulichung und muss stets auf den Einzelfall angepasst werden.

6. Fazit

  • Turboklauseln sind häufig in Aufhebungs- oder Abwicklungsverträgen zu finden. Durch sie hat der Arbeitnehmer die Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis vorzeitig und einseitig zu beenden.
  • Häufig wird der Arbeitnehmer mit einer höheren Abfindung belohnt (Sprinterprämie). Dabei gilt grundsätzlich: Je früher der Arbeitnehmer ausscheidet, desto höher die Sprinterprämie.
  • Auf Sprinterprämien müssen keine Sozialversicherungsabgaben gezahlt werden.
  • Eine Anwendung der Fünftelregelung auf die Sprinterprämie ist gerichtlich noch nicht abschließend geklärt, sollte aber versucht werden.
  • Sprinterklauseln sollten nur bei gesicherter Anschlussbeschäftigung genutzt werden. Andernfalls droht eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld.
  • Bei der Ausübung einer Turboklausel müssen formelle Vorgaben beachtet werden. Andernfalls drohen der Verlust der Sprinterprämie und weitere finanzielle Nachteile.