1. Was ist die Sperrzeit?
  2. Gründe für die Sperrzeit
  3. Dauer der Sperrzeit
  4. Wie viel bleibt vom Arbeitslosengeld?
  5. Wie kann man eine Sperrzeit wegen Kündigung oder Aufhebungsvertrag umgehen?
  6. Fazit

1. Was ist die Sperrzeit?

Für arbeitslose Personen gibt es zwei zentrale staatliche Sicherungsleistungen:

  • Arbeitslosengeld I
  • Arbeitslosengeld II (früher „Hartz IV“, in Zukunft „Bürgergeld“ genannt)

Das Arbeitslosengeld I beträgt 60 % des durchschnittlichen Nettolohns aus dem letzten Jahr der Beschäftigung, mit Kindern sogar 67 %. Es fällt damit in der Regel spürbar höher aus als das auf das Existenzminimum begrenzte Arbeitslosengeld II.

Arbeitslosengeld I erhält jedoch nur, wer in den letzten 30 Monaten für mindestens 12 Monate gearbeitet und in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt hat. Das ist bei den meisten regulären Arbeitsverhältnissen der Fall. Ein Minijob reicht aber zum Beispiel nicht aus, um einen Anspruch auf Arbeitslosengeld I zu erwerben.

Hat der Arbeitnehmer jedoch an seinem Jobverlust selbst mitgewirkt oder Mitwirkungspflichten verletzt, verhängt das Arbeitsamt in der Regel eine sogenannte Sperrzeit. In diesem Zeitraum besteht kein Anspruch auf Arbeitslosengeld I. Zudem wird auch der Auszahlungszeitraum insgesamt durch die Sperrzeit verkürzt.

Von der Sperrzeit ist die sogenannte Ruhenszeit zu unterscheiden. Diese wird verhängt, wenn ein Arbeitsverhältnis vor dem Ablauf der Kündigungsfrist beendet wird und der Arbeitnehmer eine Abfindung erhält. Durch die Ruhezeit wird der Auszahlungszeitraum des Arbeitslosengeldes nicht verkürzt, sondern nur nach hinten verschoben.


2. Gründe für die Sperrzeit

2020 wurde für fast 520.000 Personen eine Sperrzeit verhängt. Die Gründe für eine Sperrzeit nennt § 159 Abs. 1 SGB III. Die wichtigsten Anlässe im arbeitsrechtlichen Kontext sind:

Die Eigenkündigung

Kündigt der Arbeitnehmer selbst, ohne einen neuen Job in Aussicht zu haben, liegt sein Beitrag an der eigenen Arbeitslosigkeit auf der Hand. Hatte der Arbeitnehmer hingegen einen nachvollziehbaren Grund für die Kündigung, kann eine Sperrzeit entfallen (dazu s.u.).

Aufhebungsvertrag

Durch einen Aufhebungsvertrag beenden Arbeitgeber und Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis einvernehmlich. Für den Arbeitgeber hat dies den Vorteil, dass er keine Kündigungsschutzklage befürchten muss. Im Gegenzug bekommt der Arbeitnehmer im Aufhebungsvertrag oft eine Abfindung gezahlt, auf die bei einer Kündigung grundsätzlich kein Anspruch besteht.

Der Arbeitnehmer kann nicht zu einem Aufhebungsvertrag gezwungen werden. Stimmt er dennoch zu, wirkt er also – zumindest formal – freiwillig an der Trennung mit. Allerdings gibt es auch hier einige Gründe, wonach eine Sperrzeit nach einem Aufhebungsvertrag entfällt.

Verhaltensbedingte oder fristlose Kündigung

Eine verhaltensbedingte Kündigung liegt vor, wenn der Arbeitnehmer schuldhaft seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis verletzt, also zum Beispiel wiederholt zu spät erscheint oder sich weigert, ordentlich zu arbeiten. Auch die außerordentliche, fristlose Kündigung beruht meist auf solchen Pflichtverletzungen. Allerdings geht es hier um besonders schwere Vorwürfe, die eine sofortige Trennung rechtfertigen.

Verspätete Meldung als arbeitssuchend

Ein weiterer häufiger Grund für die Sperrzeit ist eine verspätete Meldung als arbeitssuchend. Arbeitnehmer müssen sich mindestens drei Monate vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses arbeitssuchend melden. Erfahren sie selbst erst kurzfristiger vom Ende ihres Vertrags, müssen sie sich mindestens drei Tage nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes melden.

Eine solche Sperrzeit umgehen Arbeitnehmer am ehesten, indem sie rechtzeitig den Meldepflichten nachkommen. Ist dies nicht geschehen, sollten sie Gründe vortragen, die das Versäumen nachvollziehbar erscheinen lassen.

Beispiel: Der Arbeitnehmer hatte eine konkrete Jobzusage für die Zeit nach der bisherigen Stelle. Diese ist kurzfristig entfallen.

Meldeversäumnis

Arbeitslose Personen müssen sich auf Aufforderung der Agentur für Arbeit bei dieser melden, etwa zum Zwecke der Berufsberatung oder der Vermittlung in eine Ausbildung oder Arbeit. Ansonsten droht eine Sperre beim Arbeitslosengeld.

Eine Sperrzeit wegen eines Meldeversäumnisses können Betroffene ggf. mit Verweis auf objektive Hinderungsgründe aus der Welt schaffen.

Beispiele:

  • Krankheit
  • Bewerbungsgespräch bei einem anderen Arbeitgeber
  • Ausfall des öffentlichen Nahverkehrs
  • Reise

3. Dauer der Sperrzeit

Die Dauer der Sperrzeit hängt davon ab, auf welchem Grund sie beruht. Kommen mehrere versicherungswidrige Verhaltensweisen zusammen – etwa eine verhaltensbedingte Kündigung und ein Meldeversäumnis – werden die Sperrzeiten addiert.

Kündigung oder Aufhebungsvertrag

Die Sperrzeit wegen einer Kündigung oder eines Aufhebungsvertrags beträgt in der Regel zwölf Wochen. Sie kann sich allerdings

  • auf drei Wochen verkürzen, wenn das Arbeitsverhältnis ohnehin innerhalb von sechs Wochen geendet hätte.
  • auf sechs Wochen verkürzen, wenn das Arbeitsverhältnis nach zwölf Wochen geendet hätte.

Achtung: Werden Arbeitnehmer bis zum Ende ihres Arbeitsvertrags unwiderruflich freigestellt, wirkt dies faktisch ähnlich wie eine Verkürzung der Sperrzeit. Die Sperrzeit beginnt nämlich gleichzeitig mit der Freistellung.

Beispiel: Der Arbeitgeber kündigt verhaltensbedingt und stellt den Mitarbeiter mit sofortiger Wirkung und unwiderruflich frei. Der Entlassene muss während der Kündigungsfrist, die im Beispiel vier Monate beträgt, also nicht arbeiten. Die Agentur für Arbeit verhängt eine zwölfwöchige Sperrzeit. Diese zwölf Wochen laufen bereits während der Kündigungsfrist, sodass der Arbeitnehmer nach Ende der Kündigungsfrist nahtlos Arbeitslosengeld I erhalten kann.

Besondere Härte

Die Sperrzeit kann sich ebenfalls auf sechs Wochen verkürzen, wenn die Verhängung der Sperrzeit für die betroffene Person eine besondere Härte bedeuten würde.

Beispiel (nach SG Karlsruhe Urt. v. 11.07.2019, S 11 AL 670/18): Der Arbeitnehmer war über 30 Jahre im Unternehmen beschäftigt. 2016 wurde ihm mitgeteilt, dass seine Abteilung geschlossen werde. Er unterzeichnete daher einen Aufhebungsvertrag zum 31.01.2018. Die Agentur für Arbeit verhängte eine 12-wöchige Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe.
 
Das SG Karlsruhe erkannte das Vorliegen einer besonderen Härte, weshalb die Sperrzeit auf sechs Wochen verkürzt wurde. Der Kläger habe sich nachvollziehbar in einer sehr belastenden Situation befunden und ging persönlich – wenn dies auch 2016 objektiv noch nicht zu erkennen war – davon aus, dass eine Kündigung nicht mehr zu verhindern sei.

Eine besondere Härte kann auch etwa in folgenden Fällen vorliegen:

  • Der Betroffene nimmt aufgrund einer Auskunft des Arbeitsamtes an, es liege ein wichtiger Grund für seine Kündigung vor.
  • Er gerät durch die Sperrzeit in eine besondere finanzielle Bedrängnis.
  • Ein älterer oder besonders vor Kündigungen geschützter Arbeitnehmer (z.B. Schwerbehinderte oder Schwangere) kündigt, weil sonst ein jüngerer Kollege entlassen würde.

Um solche besonderen Härten geltend zu machen, sollten Betroffene sich frühzeitig und gut vorbereitet an die Agentur für Arbeit wenden.

Meldeversäumnis

Bei einem Meldeversäumnis oder einer verspäteten Meldung als arbeitssuchend beträgt die Sperrfrist hingegen nur eine Woche.


4. Wie viel bleibt vom Arbeitslosengeld?

Wie bereits erwähnt, verkürzt die Sperrzeit auch den maximal möglichen Auszahlungszeitraum des ALG I.

Die Länge des gewöhnlichen Auszahlungszeitraums bestimmt sich nach der Dauer des Arbeitsverhältnisses und dem Lebensalter. Bis zu einem Alter von 50 Jahren kann maximal für zwölf Monate Arbeitslosengeld I bezogen werden. Ab einem Alter von 58 Jahren sind sogar bis zu 24 Monate möglich, wenn das Arbeitsverhältnis mindestens vier Jahre bestand. Die genaue Dauer lässt sich der Tabelle in § 147 SGB III entnehmen.

Die Sperrzeit fällt in die Zeit zwischen Beschäftigungsverlust und Arbeitslosengeldbezug. Die dadurch ausbleibenden Zahlungen werden nicht nachgeholt.

Beispiel: A ist 45 Jahre alt und war 20 Jahre lang versicherungspflichtig beschäftigt. Ihm steht im Fall eines Jobverlusts also grundsätzlich ein Jahr lang ALG I zu. Im August 2022 unterschreibt er einen Aufhebungsvertrag, wonach er Ende 2022 aus dem Job ausscheidet. Postwendend geht ihm ein Bescheid über eine zwölfwöchige Sperrzeit zu. Ungefähr von Januar bis Ende März 2023 steht ihm kein Arbeitslosengeld I zu. Erst in der zweiten Märzhälfte hat er das erste Mal Anspruch auf die Leistung. Findet er bis Ende 2023 keine neue Stelle, endet der Anspruch auf Arbeitslosengeld mit Ablauf Dezember 2023. Er hat dann statt zwölf Monate nur etwas mehr als neun Monate lang Arbeitslosengeld erhalten.

Verhängt die Arbeitsagentur eine Sperrzeit

  • wegen Arbeitsaufgabe (also wegen einer Kündigung oder eines Aufhebungsvertrags)
  • mit einer Dauer von zwölf Wochen,

verringert sich der Auszahlungszeitraum nicht nur um die Dauer der Sperrzeit. Vielmehr wird der Anspruch gemäß § 148 Abs. 1 Nr. 4 SGB III mindestens um ein Viertel des Gesamtauszahlungszeitraums gekürzt. Das heißt für ältere arbeitslose Personen, dass sie mit einer Kürzung des Arbeitslosengeldes über 12 Wochen hinaus rechnen müssen.

Beispiel: H ist 60 Jahre alt und hat zehn Jahre in einem Handwerksbetrieb gearbeitet. Da er wiederholt gegenüber Kollegen handgreiflich wird, kündigt ihm sein Arbeitgeber verhaltensbedingt. Neben der Sperrfrist von zwölf Wochen muss H nun mit einer Kürzung des Arbeitslosengeldes um sechs Monate rechnen (1/4 von 24 Monaten).

5. Wie kann man eine Sperrzeit wegen Kündigung oder Aufhebungsvertrag umgehen?

Um die Sperrzeit wegen eines Aufhebungsvertrags oder einer Kündigung zu umgehen, kommen zwei Möglichkeiten in Betracht:

Vorliegen eines wichtigen Grundes

Eine Sperrzeit wird nicht verhängt, wenn die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses aufgrund eines wichtigen Grundes nicht zumutbar war. Ein wichtiger Grund für den Abschluss eines Aufhebungsvertrages oder für eine Eigenkündigung kann etwa darin liegen, dass

Ein wichtiger Grund kann auch vorliegen, wenn der Arbeitgeber mit einer Kündigung droht und der Arbeitnehmer dieser Entlassung per Eigenkündigung oder Aufhebungsvertrag bloß zuvorkommt. Dann ist jedoch zusätzlich erforderlich, dass

  • der Arbeitgeber die Kündigung mit Bestimmtheit angekündigt hat,
  • es sich nicht um eine verhaltensbedingte Kündigung handelt,
  • das Arbeitsverhältnis mit oder nach Ablauf der Kündigungsfrist endet,
  • die Abfindung maximal 0,5 Monatsgehälter pro Jahr der Beschäftigung beträgt (dann wird von der Rechtmäßigkeit der Kündigung ausgegangen) und
  • kein besonderer Kündigungsschutz des Arbeitnehmers besteht, etwa wegen einer Betriebsratsmitgliedschaft oder einer Schwangerschaft.

Bei einer zu hohen Abfindung prüft die Agentur für Arbeit genau, ob der Arbeitgeber den Betroffenen tatsächlich wirksam hätte entlassen können. Nur wenn das der Fall ist, sieht sie von einer Sperrzeit ab.

Gerichtlicher Vergleich

Eine weitere Möglichkeit für die Umgehung der Sperrzeit besteht darin, einen gerichtlichen Vergleich mit dem Arbeitgeber zu schließen. In diesem Falle verhängt die Agentur für Arbeit nämlich in aller Regel keine Sperrzeit. Dieser Weg ist allerdings nicht frei von Risiken und sollte daher nur nach Besprechung mit einem Rechtsanwalt für Arbeitsrecht gewählt werden.

Zunächst ist nötig, dass der Arbeitgeber eine Kündigung ausspricht. Der Arbeitnehmer sollte also in dieser Variante keinen Aufhebungsvertrag unterschreiben. Will in erster Linie der Arbeitnehmer selbst das Unternehmen verlassen, scheidet diese Variante aus.

Nach der Kündigung durch den Arbeitgeber muss der Entlassene innerhalb von drei Wochen Kündigungsschutzklage erheben. Dann findet in arbeitsgerichtlichen Verfahren zunächst ein sogenannter Gütetermin statt. Hier sollen die Parteien sich einigen, um ein weiteres Verfahren samt Urteil zu vermeiden. Der Gütetermin kann also bei einer Kündigung dazu genutzt werden, eine Einigung (einen sog. Vergleich) mit dem Arbeitgeber zu schließen. So fallen keine Gerichtskosten an und es können inhaltlich ähnliche Regelungen getroffen werden wie beim Aufhebungsvertrag. Infrage kommt also etwa die Vereinbarung einer Abfindung und eine Regelung über ein wohlwollendes Arbeitszeugnis.

Besonderer Vorteil: Nach einem gerichtlichen Vergleich ist für die Arbeitsagentur weniger relevant, wie hoch die Abfindung ausfällt. Arbeitnehmer können daher durchaus höhere Beträge als 0,5 Bruttomonatsgehältern pro Beschäftigungsjahr durchsetzen, ohne gleich eine Sperrzeit fürchten zu müssen.

6. Fazit

  • Durch die Sperrzeit verzögert sich die Auszahlung von ALG I. Außerdem verkürzt sich der Auszahlungszeitraum insgesamt.
  • Zu einer Sperrzeit kommt es insbesondere, wenn der Arbeitnehmer eine Mitschuld an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses trägt, etwa wegen einer Eigenkündigung oder eines Aufhebungsvertrags.
  • Die Sperrfrist wegen einer Kündigung oder eines Aufhebungsvertrags beträgt in der Regel 12 Wochen.
  • Auch wegen eines Verstoßes gegen Meldepflichten bei der Agentur für Arbeit kann eine Sperrzeit verhängt werden. Deren Dauer beträgt allerdings nur eine Woche.
  • Eine Sperrzeit wird nicht verhängt, wenn ein „wichtiger Grund“ vorliegt, aufgrund dessen dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bzw. die Wahrung seiner Meldepflichten nicht zumutbar ist.
  • Bei einem gerichtlichen Vergleich im Kündigungsschutzverfahren verhängt die Agentur für Arbeit in der Regel ebenfalls keine Sperrzeit.