1. Wann sprechen Juristen von Mobbing am Arbeitsplatz?
  2. Ist eine (fristlose) Kündigung oder Abmahnung wegen Mobbing möglich?
  3. Bekommen gekündigte Mobber eine Abfindung?
  4. Welche weiteren Konsequenzen kann Mobbing am Arbeitsplatz haben?
  5. Wie sollten sich gemobbte Arbeitnehmer verhalten?
  6. Ist eine Eigenkündigung wegen Mobbing möglich?
  7. Muss nach einer Kündigung eine Sperrfrist beim ALG I befürchtet werden?
  8. Können gemobbte Arbeitnehmer Schadensersatz oder Schmerzensgeld verlangen?
  9. Fazit

1. Wann sprechen Juristen von Mobbing am Arbeitsplatz?

Seit 2006 legt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) bestimmte Formen von Mobbing fest. Gegen Benachteiligungen aufgrund bestimmter Merkmale, wie z.B. ethnische Herkunft, Geschlecht, Alter oder sexueller Orientierung muss der Arbeitgeber einschreiten. Eine Benachteiligung liegt laut der abstrakten Definition vor, wenn

  • unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem der o.g. Benachteiligungsgründe in Zusammenhang stehen,
  • bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und
  • ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

Mobbing kann aber auch aus anderen Gründen als den im AGG genannten Merkmalen erfolgen. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) definiert Mobbing als:

Schikanieren oder Diskriminieren von Arbeitnehmern untereinander oder durch Vorgesetzte.

Diese Definition wurde von den Arbeitsgerichten weiterentwickelt. Es ist demnach nicht eine bestimmte Dauer, Art oder Reaktion des Opfers erforderlich, um von Mobbing auszugehen.

Vielmehr versteht das LAG Thüringen unter Mobbing
 
  • fortgesetzte, aufeinander aufbauende oder ineinander übergreifende,
  • der Anfeindung, Schikane oder der Diskriminierung dienende Verhaltensweisen,
  • die nach Art und Ablauf im Regelfall einer übergeordneten, von der Rechtsordnung nicht gedeckten Zielsetzung förderlich sind und
  • jedenfalls in ihrer Gesamtheit das allgemeine Persönlichkeitsrecht oder andere ebenso geschützte Rechte des Betroffenen verletzen.

Trotz dieser abstrakten Definition wird deutlich, dass nicht jedes unangenehme Verhalten gleich auch Mobbing ist. Es kommt immer auf die jeweilige Situation und den Kontext an. Zum Beispiel ist zu fragen, wie es in dem Betrieb sonst zugeht und ob sich die Handlung im erträglichen Rahmen bewegt.

Beispiel: „Auf dem Bau“ herrscht in der Regel ein rauer Umgangston. Wenn regelmäßiges Fluchen aber an der Tagesordnung ist, kann dieser Umstand per se noch kein Mobbing darstellen.

Gegenbeispiel: Die Diskriminierung eines übergewichtigen Arbeitnehmers lässt sich nicht damit entschuldigen, dass man im Betrieb mit allen korpulenten Mitarbeitern so umgehe.

Außerdem zeigt die Definition, dass ein systematisches Handeln erforderlich ist. Die einzelnen Mobbinghandlungen müssen also zeitlich nah beieinander liegen und demselben Zweck dienen. Vereinzelte, zeitlich weit auseinanderliegende Beleidigungen von verschiedenen Personen sind somit kein Mobbing.

Auch an sich berechtigte Handlungen des Arbeitgebers können in ihrem jeweiligen Kontext Mobbing darstellen. Fachliche Kritik oder eine arbeitsrechtliche Abmahnung zum Beispiel sind kein Mobbing, wenn sie aus einem nachvollziehbaren Grund erfolgen. Eine grundlose Herabwürdigung der Leistungen oder vernichtende Beurteilungen sind davon aber nicht mehr gedeckt.

Beispiele:

  • Der Arbeitnehmer ist Oberarzt in einer Klinik. Bei der Diskussion um Bereitschaftsdienste wird ihm vor versammelter Mannschaft vorgeworfen, nur „seinen Arsch im Bett lassen“ zu wollen. Entgegen der Wahrheit soll er Behandlungen ohne Absprache vorgenommen haben. Seine fachliche Kompetenz wird wiederholt und vor Kollegen infrage gestellt (BAG v. Urt. v. 25.10.2007, 8 AZR 593/06).
  • Nach langer Krankheitszeit (wegen Mobbings) wird der Arbeitnehmer am ersten Arbeitstag mit vier Abmahnungen konfrontiert, zu denen er vorher nicht angehört wurde. Diese dienen erkennbar nur dem Zweck, ihn fertig zu machen (LAG Thüringen Urt. v. 10.04.2001, 5 Sa 403/00).

Dasselbe gilt für das Weisungsrecht des Arbeitgebers. Dieser darf seinen Mitarbeitern zwar auch Aufgaben, Arbeitszeiten oder Arbeitsorte zuweisen, die den Betroffenen nicht recht sind. Bei systematisch rechtswidrigen Weisungen kann jedoch von Mobbing die Rede sein.

Beispiele:

  • Callcenter-Mitarbeiter C soll in Zukunft samstags arbeiten. Dies stört zwar seine Wochenendgestaltung, bewegt sich aber im Rahmen des Weisungsrechts seines Arbeitgebers (wenn der Arbeitsvertrag Arbeit am Samstag zulässt). Mobbing liegt somit nicht vor.
  • C soll statt seiner arbeitsvertraglich vereinbarten telefonischen Tätigkeit das Treppenhaus putzen und einfachste Hilfstätigkeiten für Kollegen ausführen. Dies ist nicht mehr vom Weisungsrecht gedeckt und kann – meist erst im Zusammenhang mit anderen erniedrigenden Handlungen – Mobbing darstellen.

2. Ist eine (fristlose) Kündigung oder Abmahnung wegen Mobbing möglich?

Der Arbeitgeber muss seine Arbeitnehmer vor Mobbing durch Kollegen oder Vorgesetzte schützen. Er hat den oder die Täter deshalb in der Regel abzumahnen, wenn er von Mobbinghandlungen erfährt. Dazu ist er auch bereits nach dem ersten Vorwurf berechtigt.

Achtung: Natürlich muss der Arbeitgeber den Vorwürfen erst einmal nachgehen. Er darf seine Abmahnung nicht einfach auf die Behauptung eines Mitarbeiters stützen, ohne zu prüfen, ob an den Vorwürfen etwas dran ist.

Kommt es trotzdem zu weiteren Mobbinghandlungen, darf der Arbeitgeber meist zur Kündigung greifen. Gerade bei leichteren Vorwürfen sind zuvor allerdings weitere Abmahnungen nötig. Auch muss er zunächst versuchen, den Täter oder das Opfer in einen anderen Bereich des Betriebs zu versetzen.

Nur wenn es um besonders schwere Mobbinghandlungen geht, darf der Arbeitgeber fristlos kündigen. Dies gilt insbesondere, wenn der Täter die Mobbinghandlung durch eine Straftat begeht oder aufgrund einer schweren Diskriminierung. Dann ist in aller Regel auch keine vorherige Abmahnung nötig.

Beispiel:

  • Der Täter greift seinem Kollegen körperlich an, um ihn zu demütigen.
  • Der Täter beleidigt einen Kollegen rassistisch.

Im äußersten Fall ist der Arbeitgeber sogar zur Kündigung verpflichtet, wenn der Mitarbeiter anders nicht geschützt werden kann.


3. Bekommen gekündigte Mobber eine Abfindung?

Ob der gekündigte Mitarbeiter Anspruch auf eine Abfindung hat, hängt sehr vom Einzelfall ab. Insbesondere kommt es darauf an,

  • wie gut der Arbeitgeber die Mobbingvorwürfe beweisen kann,
  • wie schwer der Vorwurf ist und
  • ob er den Betroffenen zuvor abgemahnt hat.

Kann der Arbeitgeber z.B. zahlreiche Zeugen für massive Mobbinghandlungen durch den entlassenen Arbeitnehmer benennen, muss er vor Gericht nicht viel befürchten. Das Arbeitsgericht wird die Kündigung vermutlich bestätigen und der Mitarbeiter muss gehen.

Ist der Mobbingvorwurf hingegen weniger leicht zu beweisen oder geht es bloß um einzelne geringfügige Vorwürfe, wird der Arbeitgeber vor dem Arbeitsgericht wahrscheinlich verlieren. Er müsste den Mitarbeiter dann wieder einstellen und bezahlen. Um das zu verhindern, bietet der Arbeitgeber oft eine Einigung an (sog. Vergleich). Darin ist dann vorgesehen, dass der Mitarbeiter eine Abfindung erhält und im Gegenzug seine Klage fallenlässt. So akzeptiert der Mitarbeiter seine Entlassung.

Die Höhe der Abfindung hängt ebenfalls stark vom Einzelfall ab. Die häufig genannte Formel von 0,5 Bruttomonatsgehältern pro Beschäftigungsjahr kann allenfalls eine sehr grobe Orientierung bieten.

4. Welche weiteren Konsequenzen kann Mobbing am Arbeitsplatz haben?

Mobbing am Arbeitsplatz kann weitere Folgen haben.

Möglichkeiten des Betriebsrats

Auch den Betriebsrat trifft nach § 75 Abs. 2 BetrVG eine Schutzpflicht gegenüber den Mitarbeitern. Durch eine Beschwerde kann sich der gemobbte Arbeitnehmer an den Betriebsrat wenden und diesen um Hilfe ersuchen. Das Gremium kann dann vom Arbeitgeber ggf. die Versetzung oder Kündigung des Täters verlangen. Folgt der Arbeitgeber dieser Aufforderung nicht, kann der Betriebsrat sie unter Umständen sogar mit einem Zwangsgeld gerichtlich durchsetzen lassen.

Strafrechtliche Folgen

Je nach Art der Mobbinghandlung macht sich der Mobber sogar strafbar. Infrage kommt hier etwa eine Strafbarkeit wegen Beleidigung, Körperverletzung oder Nötigung.


5. Wie sollten sich gemobbte Arbeitnehmer verhalten?

Es ist ratsam, ein Tagebuch über die Vorkommnisse zu führen. Ebenfalls sollten Sie den Inhalt von Gesprächen mit Vorgesetzten oder dem Arbeitgeber, mögliche Zeugen, sowie die Ergebnisse von ärztlichen Befunden dokumentieren. Dies erleichtert Ihnen später die Beweisführung vor Gericht, wenn Sie Ansprüche wegen des Mobbings (z.B. auf Schmerzensgeld) geltend machen.

Sie helfen so auch Ihrem Arbeitgeber, wenn dieser den Mobber entlässt:
Damit eine Kündigung des Täters auch im Kündigungsschutzprozess Bestand hat, muss der Arbeitgeber den Mobbingvorwurf nämlich stichhaltig darlegen und beweisen. Die Beweisführung ist allerdings häufig sehr schwierig. Mobbende Vorgesetzte etwa verteidigen sich häufig mit der Argumentation, lediglich von ihrem Weisungsrecht Gebrauch gemacht zu haben. Eventuell leugnen sie auch bestimmte Aussagen oder Handlungen. Ihre Aufzeichnungen können hier von hohem Wert sein.

Haben Sie durch das Mobbing gesundheitliche Probleme und können deshalb nicht arbeiten, dürfen Sie sich natürlich krankmelden. Das sollten Sie allerdings nur tun, wenn Sie nicht bloß krank, sondern aufgrund der Belastung tatsächlich arbeitsunfähig sind. In der Regel ist erst nach dem dritten Kalendertag der Arbeitsunfähigkeit eine ärztliche AU-Bescheinigung nötig.

Achtung: Von Mobbing betroffene Arbeitnehmer dürfen unter Umständen die Arbeit verweigern, auch wenn sie nicht krank sind. Allerdings ist dieses Recht mit großer Vorsicht zu genießen! Können Sie das Mobbing am Arbeitsplatz im Nachhinein nicht beweisen, ist der Arbeitgeber möglicherweise zur (fristlosen) Kündigung wegen Arbeitsverweigerung berechtigt.

6. Ist eine Eigenkündigung wegen Mobbing möglich?

Manchen Arbeitnehmern bleibt aufgrund der psychischen Belastungen als Ausweg nur noch eine Eigenkündigung. Diese ist stets unter Einhaltung der Kündigungsfrist möglich (s. Arbeits-, Tarifvertrag oder nachrangig § 622 BGB). Ausnahmen gelten für befristete Arbeitsverträge und während der Ausbildung.

Wenn dem Arbeitnehmer die Kündigungsfrist unzumutbar ist, darf er selbst fristlos kündigen (auch im befristeten Arbeitsverhältnis). An eine solche Kündigung ist jedoch ein hoher Maßstab anzulegen.

Beispiele:

  • Der Arbeitgeber ist selbst der Täter.
  • Der Arbeitgeber schreitet trotz Kenntnis nicht gegen das massive Mobbing ein.
Achtung: Sie erhalten nach einer fristlosen Kündigung von einem auf den anderen Tag kein Gehalt mehr.
Expertentipp: Unter Umständen ist es sinnvoll, die fristlose Eigenkündigung mit einer Abmahnung vorzubereiten. Darin fordern Sie den Arbeitgeber auf, Sie besser vor dem Mobbing zu schützen und drohen Ihre fristlose Kündigung an. Diese ist dann allerdings erst bei erneuten Mobbinghandlungen möglich, die der Arbeitgeber hätte verhindern müssen. Sie sollten sich die Abmahnung also gut überlegen.

7. Muss nach einer Kündigung eine Sperrfrist beim ALG I befürchtet werden?

Wenn Sie selbst kündigen

In diesem Fall verhängt die Agentur für Arbeit in der Regel eine Sperrfrist für den Bezug von Arbeitslosengeld I. Sie erhalten dann meist in den ersten 12 Wochen Ihrer Arbeitslosigkeit keine Leistungen der Arbeitsagentur.
Im Fall einer Eigenkündigung wegen Mobbing gilt dies allerdings nicht. Die Eigenkündigung wird dann als eine Art „Selbstrettung“ gesehen, sodass keine Sperrzeit droht. Dazu ist allerdings oft ein ärztliches Attest notwendig, welches bescheinigt, dass die Eigenkündigung aus gesundheitlichen Gründen erfolgte. Meist reicht nicht aus, dass Sie sich bloß gemobbt gefühlt haben.

Bei einer Kündigung durch den Arbeitgeber

Schlechter sieht es für Arbeitnehmer aus, denen wegen Mobbing vom Arbeitgeber gekündigt wurde. Hier geht es also um den „Täter“. Nach einer solchen verhaltensbedingten oder fristlosen Kündigung lässt sich eine Sperrzeit kaum vermeiden.

Kostenlose Erstberatung bei Kündigung

8. Können gemobbte Arbeitnehmer Schadensersatz oder Schmerzensgeld verlangen?

Gemobbte Arbeitnehmer haben gegen die Täter Schadensersatzansprüche. Dies ist insbesondere für die Krankenkassen relevant, die sich so Behandlungskosten vom Täter erstatten lassen. Je nach Intensität des Mobbings und den Folgen ist auch ein Schmerzensgeldanspruch für Sie persönlich denkbar.

Häufig ist es am sinnvollsten, sich direkt an den Arbeitgeber zu wenden, denn dieser haftet für die Verletzung von Fürsorgepflichten (Mobbing trotz Kenntnis geschehen lassen) und für das Verhalten von Vorgesetzten. Im Falle einer fristlosen Eigenkündigung muss der Arbeitgeber zudem ggf. Schadensersatz wegen des Lohnausfalls zahlen.

Bei einem besonders groben Verstoß gegen seine Überwachungs- und Schutzpflichten ist zudem der Betriebsrat schadensersatzpflichtig.

9. Fazit

  • Mobbing ist das Schikanieren oder Diskriminieren von Arbeitnehmern untereinander oder durch Vorgesetzte.
  • Wann Mobbing vorliegt, bestimmt sich nach dem Einzelfall, der Intensität und dem Kontext des Geschehens.
  • Arbeitgeber und der Betriebsrat müssen gegen Mobbing am Arbeitsplatz einschreiten.
  • Der Arbeitgeber darf den Mobbenden grundsätzlich abmahnen und ggf. (fristlos) kündigen. Ob der Betroffene dann mit einer Abfindung rechnen darf, hängt vom Einzelfall ab.
  • Von Mobbing betroffene Arbeitnehmer sollten die Mobbinghandlungen genau dokumentieren, um die Beweisführung vor Gericht zu erleichtern.
  • In besonders schweren Fällen kann der Arbeitnehmer fristlos kündigen. Die Agentur für Arbeit verhängt dann grundsätzlich keine Sperrfrist beim Arbeitslosengeld I.
  • Mobbende Kollegen, der Arbeitgeber sowie der Betriebsrat müssen ggf. Schadensersatz zahlen.