1. Wann ist ein Arbeitnehmer (un)pünktlich?
  2. Wann ist Unpünktlichkeit noch in Ordnung?
  3. Der erste Schritt des Arbeitgebers – die Abmahnung
  4. Der zweite Schritt des Arbeitgebers – die Kündigung
  5. Kündigung ohne Abmahnung oder fristlose Kündigung möglich?
  6. Fazit

1. Wann ist ein Arbeitnehmer (un)pünktlich?

Entscheidend für die Beantwortung dieser Frage sind die im Arbeits- oder Tarifvertrag geregelten Arbeitszeiten. Ist dort nichts festgelegt, liegen meist Weisungen des Arbeitsgebers zum Arbeitsbeginn vor. An diese muss sich die Belegschaft grundsätzlich halten – es sei denn, sie widersprechen dem Arbeits- oder Tarifvertrag, einem Gesetz (insbesondere Pausenzeiten gem. Arbeitszeitgesetz) oder sind unbillig (im Sinne von unangemessen).

Beispiel: Der Arbeitgeber verlangt von seinen Mitarbeitern, dass sie am Folgetag um 5 Uhr morgens im Büro erscheinen. Üblicher Arbeitsbeginn ist sonst 9 Uhr.

Allerdings kann es riskant sein, sich einer Weisung zu widersetzen. Sie sollten sich vorher beraten lassen.

Für den Regelfall gilt also: Kommt man später als die vorgegebene Zeit, ist man unpünktlich. Dabei kommt es nicht auf eine paar Sekunden an, aber die Schwelle ist niedrig anzusetzen, sodass schon eine Verspätung von einigen Minuten Konsequenzen nach sich ziehen kann.

Nicht selten gelten Gleitzeitregelungen oder eine sogenannte Vertrauensarbeitszeit. Hier kann sich der Arbeitnehmer seine Arbeitszeit grundsätzlich frei einteilen und somit auch festlegen, wann er seinen Arbeitstag startet. Trotz dieser Freiheiten können Kernarbeitszeiten oder fixe Termine Pünktlichkeit voraussetzen.

Das Bundesarbeitsgericht hat im September 2022 entschieden, dass Arbeitgeber stets zur Arbeitszeiterfassung verpflichtet sind (BAG, Beschluss v. 12.09.2022, Az. 1 ABR 22/21). Das gilt auch, wenn eine Vertrauensarbeitszeit vereinbart ist.

Arbeitnehmer müssen damit rechnen, dass Verspätungen aufgrund der Pflicht zur Arbeitszeiterfassung zukünftig eher auffallen.


2. Wann ist Unpünktlichkeit noch in Ordnung?

Die Unpünktlichkeit muss dem Arbeitnehmer zuzurechnen sein. Häufiger Verspätungsgrund ist der Weg zum Arbeitsplatz. Grundsätzlich trägt der Arbeitnehmer das Wegerisiko. Er ist also dafür verantwortlich,

mit einzuplanen und vorauszuplanen. Auch das Funktionieren des eigenen Autos liegt in der Hand des Arbeitnehmers.

Ebenso darf man nicht verschlafen. Selbst wenn dies auf die Einnahme von Medikamenten gegen Schlaflosigkeit zurückzuführen ist, ist das ein Risiko des Arbeitnehmers.

In Ordnung ist Zuspätkommen nur dann, wenn es sich um unvorhersehbare Ausnahmesituationen oder Notfälle handelt.

Beispiele:

  • Ein plötzlicher, unabwendbarer Unfall
  • Pflicht, Erste-Hilfe zu leisten
  • Feuerwehr- oder THW-Einsatz einer ehrenamtlichen Einsatzkraft
  • Plötzliche Wetterumbrüche oder Naturereignisse
  • Ebenso zu entschuldigen ist der Fall, dass die Schule des betreuungspflichtigen Kindes unvorhergesehen ausfällt und sich kein anderer zumutbarer Betreuungsersatz finden lässt.
Achtung: In diesen Fällen dürfte Betroffenen keine Abmahnung oder Kündigung drohen. Damit ist allerdings noch nicht gesagt, ob sie für die Fehlzeit bezahlt werden. In den meisten o.g. Fällen ist das nämlich nicht der Fall.

3. Der erste Schritt des Arbeitgebers – die Abmahnung

Wie darf der Arbeitgeber auf die Unpünktlichkeit eines Mitarbeiters reagieren? Einmaliges Zuspätkommen darf nicht sofort zur Kündigung führen. Da Unpünktlichkeit zunächst kein schwerwiegender Verstoß ist, muss der Arbeitgeber sich zunächst auf eine Abmahnung beschränken. Diese sollte unbedingt schriftlich erfolgen.

Eine Abmahnung hat insbesondere folgende Funktionen:

  • Rügefunktion: Mit der Abmahnung wird der Mitarbeiter unter konkreter Angabe von Ort, Datum und Zeit auf sein Zuspätkommen hingewiesen. Gleichzeitig soll ihm dadurch die Möglichkeit gegeben werden, sein Verhalten in Zukunft zu ändern.
  • Warnfunktion: Das Fehlverhalten darf nicht nur dargestellt werden, sondern es müssen Konsequenzen aufgezeigt werden. Dazu zählt auch der Hinweis, dass es bei erneuten Verspätungen zu einer Kündigung kommen kann.
  • Dokumentationsfunktion: Dem schriftlichen Dokument kommt im Prozess ebenso eine wichtige Beweisfunktion zu.

Wann eine Abmahnung gerechtfertigt ist, richtet sich natürlich nach dem jeweiligen Einzelfall. Kommt ein stets pünktlicher Mitarbeiter, der bereits seit mehreren Jahren im Betrieb arbeitet, einmal wenige Minuten zu spät, begründet das nicht sofort eine Abmahnung. Dasselbe gilt für (auch gehäufte) Verspätungen von wenigen Sekunden. Es muss immer der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt werden.

Der o.g. Mitarbeiter hat hingegen eine Abmahnung zu fürchten, wenn die Unpünktlichkeit konkrete betriebliche Folgen nach sich zieht.

Beispiele:

  • Teure Verzögerungen bei der Flugabfertigung.
  • Projektteam verpasst Zug für eine wichtige Dienstreise.

Vorsicht bei inflationären Abmahnungen: Mahnt ein Arbeitgeber seine Mitarbeiter zu häufig ab, kann die Abmahnung ihre Warnfunktion verlieren. Der Arbeitnehmer kann sich dann darauf verlassen, dass er auch in Zukunft wieder lediglich eine Abmahnung erhält. Deswegen sollte beispielsweise die letzte Abmahnung auch mit „letzter Abmahnung“ betitelt werden und im Anschluss Konsequenzen nach sich ziehen.

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4. Der zweite Schritt des Arbeitgebers – die Kündigung

(Un)pünktlichkeit ist ein steuerbares Verhalten, weshalb eine verhaltensbedingte Kündigung in Betracht kommen kann. Voraussetzung für diese Kündigung ist, dass ihr

  • mehrere Abmahnungen
  • wegen ähnlich gelagerter Pflichtverstöße
  • innerhalb einer bestimmten Zeit

vorausgegangen sind. Ob die Kündigung dann schlussendlich wirksam ist, hängt zudem von vielen anderen Fragen ab.

Vorsicht: Sind im Betrieb nur zehn oder weniger Mitarbeiter beschäftigt oder ist der Betroffene noch keine sechs Monate angestellt, gelten weitaus geringere Voraussetzungen! Der Arbeitgeber kann Mitarbeiter hier ohne jeglichen Kündigungsgrund entlassen – auch geringfügige Unpünktlichkeit reicht also schon aus.

Wie viele Abmahnungen nötig sind, ist abhängig vom Einzelfall und Schweregrad. Als grober Richtwert kann dienen, dass bei tendenziell leichteren Verspätungen auf jeden Fall zunächst drei Abmahnungen ausgesprochen werden müssen.

Neben der Anzahl der erfolgten Abmahnungen kommt es aber auch auf folgende Punkte an:

  • Wie oft ist der Arbeitnehmer zu spät erschienen?
  • Wie viel Verspätung hatte er jeweils?
  • Warum ist der Arbeitnehmer zu spät?
  • Wie groß war sein Bemühen, trotz Zurechenbarkeit, noch pünktlich zu erscheinen?
  • Inwiefern wurde durch die Unpünktlichkeit der Betriebsablauf gestört?
  • Wie lange arbeitet der Arbeitnehmer bereits für den Betrieb?
  • Hat er sich bisher korrekt verhalten und seine Pflichten erfüllt?
  • Wie gut sind seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt, auch unter Berücksichtigung der Frage, ob er Kinder hat, gegenüber denen er unterhaltspflichtig ist?

Zudem ist der zeitliche Abstand der Abmahnungen entscheidend. Drei Abmahnungen mit einem Abstand von jeweils fünf Jahren reichen beispielsweise nicht aus. Die Rüge- und Warnfunktion der alten Abmahnung verliert mit der Zeit an Wert und ist immer weniger relevant.

Ohnehin ist für die Kündigung ein Blick in die Zukunft zu werfen. Entfällt der Grund für die berechtigten Abmahnungen, ist eine Kündigung nicht gerechtfertigt.
Beispiele:

  • Der Arbeitnehmer ist alleinerziehend und der Kindergarten öffnet erst mit Beginn der Arbeitszeit. Allein daraus erklären sich die Verspätungen des Arbeitnehmers. Sobald die Kinder in die Schule gehen oder der Kindergarten seine Öffnungszeiten geändert hat, sind keine Verspätungen mehr zu erwarten.
  • Ebenso könnte der Arbeitnehmer umziehen, sodass er beispielsweise nicht mehr auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen ist, die sein bisheriger Grund für die Verspätungen waren.
Achtung: Gekündigte Arbeitnehmer haben ab Zugang der Kündigung nur drei Wochen Zeit, um die Kündigung per Kündigungsschutzklage anzugreifen. Betroffene sollten daher so schnell wie möglich einen Rechtsanwalt für Arbeitsrecht aufsuchen.

5. Kündigung ohne Abmahnung oder fristlose Kündigung möglich?

Grundsätzlich müssen einer Kündigung wegen Zuspätkommens immer Abmahnungen vorausgehen und auch eine fristlose Kündigung ist eigentlich nicht möglich. Wie immer gibt es jedoch auch hier seltene Ausnahmen, die zu beachten sind.

Kommt der Arbeitnehmer an aufeinanderfolgenden Tagen oft deutlich zu spät, ist eine Kündigung auch ohne Abmahnungen gerechtfertigt; insbesondere wenn zu vermuten ist, dass der Arbeitnehmer sein Verhalten nicht ändern wird.

Eine fristlose Kündigung kann in Betracht kommen, wenn die Verspätungen so groß sind, dass man schon von Arbeitsverweigerung ausgehen kann. Die Hürden für eine solche Kündigung liegen jedoch sehr hoch.

Ebenfalls abzugrenzen ist das fahrlässige Zuspätkommen vom Arbeitszeitbetrug, der ebenfalls zu einer fristlosen Kündigung führen kann.

6. Fazit

  • Häufige Unpünktlichkeit kann im äußersten Fall zur Kündigung führen.
  • Entscheidend ist, dass der Arbeitnehmer für die Verspätung verantwortlich ist.
  • Vor einer Kündigung muss der Arbeitgeber meist mehrere Abmahnungen aussprechen, die zeitlich nicht allzu weit auseinanderliegen dürfen.
  • Dabei ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren: Einmaliges Zuspätkommen eines ansonsten tadellosen Mitarbeiters kann nicht gleich zu einer Abmahnung führen.
  • Eine Kündigung ist insbesondere dann gerechtfertigt, wenn durch das häufige Zuspätkommen die Arbeitsabläufe gestört wurden und auch in Zukunft keine Verbesserung zu erwarten ist.