1. Was ist eine Lohnklage und wann ist sie sinnvoll?

Arbeitnehmer können vor dem Arbeitsgericht eine Lohnklage einreichen, wenn der Arbeitgeber das vereinbarte Gehalt bzw. eine sonstige Vergütung nicht fristgerecht zahlt.

Auf die Art des Arbeitsverhältnisses – z. B. Minijob oder Vollzeitjob – kommt es dabei nicht an. Entscheidend ist ausschließlich, dass der Arbeitgeber mit Zahlungen im Rückstand ist, auf die der Arbeitnehmer laut Arbeits- oder Tarifvertrag einen Anspruch hat.

In den folgenden Situationen ist eine Lohnklage sinnvoll:

  • Ganz oder teilweise ausstehende Lohnzahlungen
  • Nicht gezahlte Zuschläge (z. B. Nachtarbeit, Feiertagsarbeit oder Tätigkeiten am Wochenende)
  • Fehlende Sonderzahlungen wie Urlaubsgeld oder Weihnachtsgeld trotz entsprechender Festlegung im Arbeits- oder Tarifvertrag
  • Unberechtigte Lohnkürzungen des Arbeitgebers
  • Verweigerung der Lohnfortzahlung bei Krankheit
  • Verweigerung der Lohnfortzahlung bei Schwangeren mit Beschäftigungsverbot

Praxistipp: Grundsätzlich kann mit einer Lohnklage auch das Ziel verfolgt werden, die Vergütung für nicht bezahlte Überstunden zu erlangen. Dafür muss der Arbeitnehmer jedoch für jede Überstunde nachweisen, dass er sie erbracht hat und die Anordnung durch den Arbeitgeber erfolgte. Da dies in der Praxis erfahrungsgemäß kaum gelingt, scheitern die meisten Klagen auf Zahlung von Überstunden.

Wer also auf Nummer sicher gehen will, sollte genau dokumentieren, wann die jeweilige Überstunde geleistet wurde und sich dies von seinem Arbeitgeber schriftlich bestätigen lassen.

2. Ablauf einer Lohnklage

Eine Lohnklage läuft in aller Regel in den folgenden fünf Schritten ab:

  1. Persönliches Gespräch mit dem Arbeitgeber: Bevor rechtliche Schritte gegen den Arbeitgeber eingeleitet werden, sollte der Arbeitnehmer das persönliche Gespräch suchen und klären, ob die verzögerte Zahlung des Lohns nicht nur auf ein Versehen zurückzuführen ist.
  2. Schriftliche Mahnung: Erfolgt weiterhin keine Zahlung, sollte der Arbeitnehmer das ausstehende Gehalt gegenüber dem Arbeitgeber mit einer schriftlichen Mahnung einfordern und dabei eine konkrete Zahlungsfrist setzen.
  3. Einreichung der Lohnklage beim zuständigen Arbeitsgericht: Erfolgt auch daraufhin keine Zahlung, kann der Arbeitnehmer Lohnklage beim zuständigen Arbeitsgericht erheben.
  4. Gütetermin: Der Gütetermin findet kurzfristig nach Einreichung der Klage statt, meistens innerhalb von zwei bis fünf Wochen. Kann hier bereits eine Einigung erzielt werden, ist der Rechtsstreit schnell beigelegt.
  5. Kammertermin: Können sich die Parteien nicht einigen, kommt es einige Monate später zum Kammertermin, der mit einem Urteil endet.

Infografik: Ablauf einer Lohnklage vor dem Arbeitsgericht

Wie man im konkreten Fall vorgeht, wenn der Arbeitgeber nicht zahlt, hängt immer von den individuellen Umständen ab:

  • Tritt der Zahlungsverzug zum ersten Mal auf und sind keine Gründe dafür bekannt, sollte zunächst im persönlichen Gespräch die Ursache der Verzögerung geklärt werden.
  • Sofern der ausstehende Betrag danach nicht umgehend ausgeglichen wird, sollte als nächster Schritt eine schriftliche Mahnung per Einschreiben mit einer eindeutigen Zahlungsfrist erfolgen.
  • Wenn auch dies nicht zum Erfolg führt, kann eine Lohnklage beim Arbeitsgericht eingereicht werden.
Achtung Frist: Der Arbeitnehmer hat drei Jahre Zeit, um seinen Lohn einzuklagen. Die Verjährungsfrist beginnt zum Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist.

Das gilt jedoch nicht bei vertraglichen Ausschlussfristen oder Insolvenzgerüchten. In diesen Fällen ist schnelles Handeln erforderlich, damit die Ansprüche gegenüber dem Arbeitgeber nicht verloren gehen. Auf außergerichtliche Schritte kann dann verzichtet und direkt geklagt werden. Eine Mahnung ist also keine zwingende Voraussetzung, um vor Gericht zu gehen.

Ein erfahrener Rechtsanwalt kann bei der Wahl der richtigen Vorgehensweise wertvolle Unterstützung leisten.


3. Können Arbeitnehmer bei einer Lohnklage Zinsen und Schadensersatz verlangen?

Mit der Lohnklage können Arbeitnehmer ihr ausstehendes Gehalt oder eine nicht gezahlte Vergütung wie z. B. das Urlaubsgeld einfordern. Darüber hinaus können auch Verzugszinsen und ggf. Schadensersatz oder eine Schadenspauschale geltend gemacht werden:

Verzugszinsen

Verzugszinsen sind gesetzlich festgelegt und betragen gem. § 288 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) 5 Prozentpunkte über dem jeweiligen Basiszinssatz. Der Basiszinssatz ist veränderlich und wird halbjährlich zum 1. Januar und zum 1. Juli neu bestimmt.

Beispiel: Ein Arbeitnehmer erhält immer am Monatsersten seinen Lohn in Höhe von 3.000 Euro ausbezahlt. Der Arbeitgeber gerät im März 2024 in Verzug und zahlt erst am 27.03.2024. Damit ist er 26 Tage in Verzug gewesen (der 1.3. wird nicht mitgezählt).

Für die Berechnung der Verzugszinsen muss zunächst die Höhe des Verzugszinses ermittelt werden: Im ersten Halbjahr 2024 betrug der Basiszinssatz 3,62 %. Addiert man hierzu 5 Prozentpunkte, ergibt sich ein Verzugszinssatz von 8,62 % für das erste Halbjahr 2024.

Um auf die taggenaue Verzinsung für den Zeitraum des Verzugs zu kommen, ist folgende Formel zu verwenden:

(3.000 Euro x 8,62 % x 26 Tage) ./. 365 = 18,42 Euro

Für 26 Tage Verzug sind also Verzugszinsen in Höhe von 18,42 Euro aufgelaufen.

Schadensersatz

Für Schäden, die während des Verzugs eintreten (z. B. Dispozinsen, wenn der Arbeitnehmer durch das ausbleibende Gehalt auf seinem Konto ins Minus rutscht), kann Schadensersatz gem. §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB geltend gemacht werden.

Folgeschäden infolge ausbleibender Lohnzahlungen können schnell auch höhere Summen erreichen: Das Landesarbeitsgericht (LAG) Koblenz verurteilte einen Arbeitgeber zur Zahlung eines Schadensersatzes in Höhe von 71.000 Euro, obwohl nur ein Lohn von ca. 1.500 Euro geschuldet war. Durch die ausbleibenden Lohnzahlungen konnte der Arbeitnehmer jedoch sein Hausdarlehen nicht mehr bedienen, so dass die Bank sein Darlehen kündigte und das Haus zwangsversteigerte. Bei der Versteigerung wurde ein Betrag von 70.000 Euro erzielt, obwohl das Haus 141.000 Euro wert war. Diese Differenz musste der Arbeitgeber als Schadensersatz an den Arbeitnehmer zahlen (LAG Koblenz, Urteil vom 24.09.2015, Az. 2 SA 555/14).

Verzugsschadenspauschale

Nach § 288 Abs. 5 BGB kann der Gläubiger einer Geldforderung eine Pauschale von 40 Euro geltend machen, wenn sich der Schuldner im Verzug befindet und kein Verbraucher ist.

Ob diese Regelung auch auf Geldforderungen aus einem Arbeitsvertrag anwendbar ist, ist umstritten. Das Bundesarbeitsgericht lehnt einen solchen Anspruch im Arbeitsrecht ab (Urteil vom 25.09.2018, Az. 8 AZR 26/18), das LAG Köln (Urteil vom 14.02.2019, Az. 8 Ca 4245/18) folgt dieser Linie jedoch nicht.

Bei Einreichung einer Lohnklage im Kölner Gerichtsbezirk kann die Pauschale also geltend gemacht werden. Falls zusätzlich auch Schadensersatz geltend gemacht wird, muss die Pauschale darauf angerechnet werden.

4. Brutto- oder Nettolohn einklagen?

Arbeitnehmer können sowohl den Brutto- als auch den Nettolohn einklagen. Dies ist mit dem Zusatz „brutto“ oder „netto“ beim geforderten Betrag in der Klage deutlich zu machen.

Das Einklagen der Nettosumme scheint auf den ersten Blick einfacher, weil man nicht auf die Berechnung der Lohnsteuer und der Sozialbeiträge eingehen muss. Dies ist aber nur dann die richtige Vorgehensweise, wenn der Arbeitgeber zu Unrecht einen Abzug beim Nettobetrag vornimmt, z. B. bei Schadensersatz für verschwundene Ware.

In allen anderen Fällen sollte immer der Bruttobetrag eingeklagt werden. Dafür sprechen folgende Gründe:

  • Solange der Arbeitgeber den eingeklagten Lohn nicht tatsächlich an den Arbeitnehmer gezahlt hat, ist er nicht zur Abführung der Lohnsteuer verpflichtet. Hat der Arbeitnehmer aber nur den Nettobetrag eingeklagt, kann er die Zahlung der Lohnsteuer nicht erzwingen. Wenn der Arbeitgeber dann zahlungsunfähig wird und keine Zahlungen ans Finanzamt vornimmt, kann das Finanzamt auch den Arbeitnehmer zur Zahlung der Lohnsteuer heranziehen.
  • Üblicherweise ist im Arbeitsvertrag nur der Brutto-, nicht aber der Nettolohn definiert. Daher muss der Nettobetrag erst errechnet werden, was zu Fehlern führen kann.
  • Wenn der Arbeitnehmer den Bruttobetrag geltend macht, kann er auch auf den höheren Betrag Verzugszinsen verlangen.
Wenn ein Arbeitnehmer nach erfolgreicher Klage den Bruttobetrag von seinem Arbeitgeber bekommen hat, muss er selbst den Steuerbetrag an das Finanzamt abführen und den Arbeitnehmeranteil der Sozialversicherungsbeiträge an die Krankenkasse.

5. Eilverfahren bei finanziellem Engpass

Eine Lohnklage kann bis zu mehreren Wochen oder Monaten andauern. Wenn der Arbeitnehmer aber bereits bei Klageerhebung keine finanziellen Reserven mehr hat, kommt ein arbeitsgerichtliches Eilverfahren in Betracht.

Dazu muss der Arbeitnehmer zusätzlich zum normalen Klageverfahren in der Hauptsache ein Eilverfahren einleiten und den sogenannten Lohnnotbedarf nachweisen. Hierfür reicht es aber nicht aus, durch den Lohnrückstand nur knapp bei Kasse zu sein. Die finanzielle Lage muss so angespannt sein, dass der Arbeitnehmer z. B. seine Miete nicht mehr zahlen kann und dadurch eine Kündigung des Mietvertrages droht.

Zuständig für das Eilverfahren ist das Gericht, wo auch das normale Klageverfahren durchgeführt wird. Auf diesem Wege kann der Arbeitnehmer üblicherweise bereits nach zwei bis drei Wochen eine gerichtliche Entscheidung herbeiführen.


6. Gibt es bei Lohnrückstand einen Anspruch auf Arbeitslosengeld?

Ab einem Zahlungsrückstand von frühestens zwei, besser drei Monaten darf der Arbeitnehmer von seinem gesetzlichen Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 BGB Gebrauch machen und die Arbeitsleistung so lange verweigern, bis der Rückstand vollständig ausgeglichen ist.

Vorsicht: Ein solcher Schritt muss gut überlegt sein und sollte vorher mit einem Anwalt abgestimmt werden. Denn eine Arbeitsniederlegung verhärtet nicht nur die Fronten, sondern kann – wenn die Arbeitsverweigerung zu Unrecht erfolgte – auch mit einer fristlosen Kündigung enden.

Während des Zeitraums der berechtigten Arbeitsverweigerung hat der Arbeitnehmer trotz des fortbestehenden Arbeitsvertrags Anspruch auf Arbeitslosengeld. Dazu sollte er sich spätestens am ersten Tag der Arbeitsverweigerung arbeitslos melden.

Zahlt der Arbeitgeber später dann doch, muss das erhaltene Arbeitslosengeld wieder zurückgezahlt werden.

Praxistipp: Wenn die Agentur für Arbeit Arbeitslosengeld an einen Arbeitnehmer zahlt, übernimmt sie in dieser Höhe die Lohnforderung gegen den Arbeitgeber. Ob die Arbeitsagentur das Geld vom Arbeitgeber tatsächlich einklagt, liegt in ihrem Ermessen.

Der Arbeitnehmer sollte jedoch daran interessiert sein, dass die Arbeitsagentur die Forderung schnell eintreibt, da sich dadurch die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes verlängern kann. Wenn die Arbeitsagentur keine Klage einreichen möchte, kann der Arbeitnehmer selbst gegen den Arbeitgeber klagen. Für den Forderungsbetrag, der auf die Arbeitsagentur übergegangen ist, muss er die Klage jedoch im Namen der Arbeitsagentur einreichen. Den restlichen Betrag kann er in eigenem Namen fordern.

7. Lohnklage erfolgreich, Arbeitgeber zahlt nicht – Und dann?

Wenn die Lohnklage erfolgreich war, der Arbeitgeber aber immer noch nicht zahlt, kann der Arbeitnehmer als Gläubiger die Zwangsvollstreckung einleiten.

Dazu sind folgende Schritte erforderlich:

  • Beantragung einer vollstreckbaren Ausfertigung des Gerichtsurteils: Das Gerichtsurteil stellt einen Vollstreckungstitel dar. Damit aus dem Titel aber tatsächlich vollstreckt werden darf, muss das Gerichtsurteil mit einer Vollstreckungsklausel versehen werden. Diese wird auf Antrag des Gläubigers vom Gericht, das das Urteil erlassen hat, angebracht und bestätigt, dass eine Vollstreckung aus dem Urteil zulässig ist.
  • Zustellung der vollstreckbaren Urteilsausfertigung an den Arbeitgeber: Der Vollstreckungstitel muss dem Arbeitgeber vor Beginn oder gleichzeitig mit dem Beginn der Zwangsvollstreckung zugestellt werden. Urteile und Beschlüsse stellt das Gericht in der Regel selbst zu. Das Datum der Zustellung wird dann auf dem Vollstreckungstitel oder in der Vollstreckungsklausel bescheinigt.
    Bei anderen Vollstreckungstiteln muss der Gläubiger die Zustellung selbst veranlassen und einen Gerichtsvollzieher beauftragen.

Mögliche Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen den Arbeitgeber sind z. B. eine Kontopfändung oder eine Sachpfändung im Betrieb.

8. Fazit

  • Arbeitnehmer können eine Lohnklage einreichen, wenn der Arbeitgeber Gehalt oder andere Vergütungen nicht fristgerecht zahlt.
  • Eine Klage sollte im Normalfall erst nach einem persönlichen Gespräch mit dem Arbeitgeber und einer schriftlichen Mahnung erfolgen. Nur bei Insolvenzgerüchten oder Ausschlussfristen ist es in der Regel besser, ohne vorherige Mahnung direkt zu klagen.
  • Arbeitnehmer haben einen Anspruch auf das ausstehende Bruttogehalt, Verzugszinsen, Schadensersatz und ggf. eine Verzugspauschale.
  • Bei längerem Lohnrückstand können Arbeitnehmer die Arbeitsleistung verweigern und Arbeitslosengeld beantragen.
  • Zahlt der Arbeitgeber trotz eines Urteils nicht, kann der Arbeitnehmer die Zwangsvollstreckung einleiten.