- Was ist der Versorgungsausgleich?
- So funktioniert der Versorgungsausgleich
- Welche Ansprüche werden beim Ausgleich berücksichtigt und welche nicht?
- Wann und wo wird der Versorgungsausgleich durchgeführt?
- Wann kann auf den Versorgungsausgleich verzichtet werden?
- Was kostet der Versorgungsausgleich?
- Was haben die Ehegatten beim Versorgungsausgleich zu tun?
- Scheidung vor 2009? Ehepartner haben Anspruch auf nachträgliche Abänderung!
- Verbesserte Mütterrente seit 2014
- Versorgungsausgleich mit Auslandsbezug
- Fazit
- Video
1. Was ist der Versorgungsausgleich?
Kurz gefasst ist der Versorgungsausgleich ein Ausgleich von in der Ehe erworbenen Rentenanwartschaften zwischen den Ehepartnern. Unter einer Rentenanwartschaft versteht man das Recht, Versorgungen im Rentenalter beanspruchen zu können. Der in der Ehe (zeitweise) nicht arbeitende Partner soll durch den weiterhin berufstätigen Ehegatten einen Ausgleich für den Zeitraum erhalten, in welchem er keiner Berufstätigkeit nachgeht, weil er z.B. die Kinder betreut und dadurch nur geringe Rentenanwartschaften erwirbt. Die Rentenansprüche des arbeitenden Ehepartners werden also anteilig auf den nicht arbeitenden Ehepartner mit den geringeren Rentenansprüchen angerechnet, damit beide mit gleich vielen bzw. ähnlichen Versorgungsanteilen aus der Ehe gehen. Der Gesetzgeber erkennt hierdurch an, dass die Ehe zweier Menschen auch eine Versorgungsgemeinschaft darstellt.
Der begünstigte Ehepartner erwirbt dadurch einen originären Anspruch gegenüber der Rentenversicherung, um später nicht auf die Zahlungsbereitschaft des Ex angewiesen zu sein.
Auch wenn beide Ehepartner während der Ehe berufstätig sind, erfolgt im Fall einer Scheidung ein Versorgungsausgleich, bei dem die eventuell verschieden hohen Rentenansprüche, ausgeglichen werden.
2. So funktioniert der Versorgungsausgleich
Der Versorgungsausgleich erfolgt seit der Neuregelung des Versorgungsausgleichsgesetztes (VersAusglG) ab dem 01.09.2009 nach dem sog. einzelrechtsbezogenen Ausgleich (auch „Hin- und Her-Ausgleich“ genannt).
Das bedeutet, dass der Ausgleich für jede einzelne Rentenanwartschaft durchgeführt und dabei jeder bestehende Anspruch grundsätzlich hälftig geteilt wird. Jeder Ehepartner erwirbt also die Hälfte von jedem Anwartschaftsrecht seines Partners als eigene Anrechte bei dem jeweiligen Versorgungsträger. Hat der ausgleichsberechtigte Partner dort schon eigene Anrechte, so werden die gewonnenen sowie abzugebenden Anrechte dort verrechnet.
Die F hat einen Anspruch auf Beamtenversorgung in Höhe von 1.500 €.
Ehemann M bekommt 750 € aus der Beamtenversorgung. Insgesamt kommt er damit auf 2.025 € (750 € + 1.000 € + 150 € + 125 €).
Ehefrau F bekommt 1.000 € aus der gesetzlichen Rente, 150 € aus der betrieblichen Altersversorgung und 125 € aus der Riester-Rente. Insgesamt kommt sie damit ebenfalls auf 2.025 € (1.000 € + 150 € + 125 € + 750 €).
Ohne den Ausgleich bekäme Ehemann M 2.550 € und Ehefrau F 1.500 €.
Zur Veranschaulichung dieses Beispiels soll folgende Grafik dienen:
Die interne Teilung ist der absolute Regelfall. Eine Zusammenfassung aller Versorgungsansprüche und ein einmaliger Ausgleich des Differenzbetrags findet nicht mehr statt.
Die Alternative zu dieser internen Teilung ist die sog. „externe Teilung“ nach §§ 14 ff. VersAusglG. Dabei wird für die ausgleichsberechtigte Person ein entsprechendes Anrecht bei einem anderen Versorgungsträger (nach Wahl) begründet als demjenigen, bei dem das Anrecht des ausgleichpflichtigen Partners ursprünglich bestand. Hintergrund dieser Auslagerung ist eine Entlastung der Träger der betrieblichen Altersversorgung.
Beispiel: Sofern der ausgleichpflichtige Ehemann eine Betriebsrente erhält, müsste der Betrieb in der Folge eines Versorgungsausgleiches der ausgleichsberechtigten Ehefrau die Hälfte zahlen. Diese Zahlung ist sowohl mit Kosten als auch mit erhöhtem Verwaltungsaufwand verbunden, sodass dem Arbeitgeber in diesem Fall die Möglichkeit zu kommt, den auszugleichenden Betrag an einen anderen Versorgungsträger zu übertragen.
Problematisch bei der externen Teilung von Anrechten aus der Altersvorsorge insbesondere aus einer Direktzusage oder einer Unterstützungskasse gem. § 17 VersAusglG ist, dass der ursprüngliche Versorgungsträger im Zuge der Auslagerung einen Kapitalwert der Anrechte ermittelt. Ursprünglicher und externer Versorgungsträger legen bei der Ermittlung des Kapitalwertes jedoch unterschiedliche Zinssätze an, sodass immense Transferverluste für den ausgleichsberechtigten Ehepartner entstehen. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 25.05.2020 nun zwar entschieden, dass die Regelung grundsätzlich verfassungsmäßig ist. Die Familiengerichte haben jedoch auf entstehende Lasten bei der ausgleichsberechtigten Person zu achten und dafür Sorge zu tragen, dass die ausgleichberechtigte Person (regelmäßig die Frau) einen angemessenen Rentenanspruch erhält. Übermäßige Verluste (mehr als 10%) durch diesen Transfer müssen verhindert werden. Damit der maximale Verlust von 10% nicht überschritten wird, ist es Aufgabe der Gerichte einen sog. Ausgleichswert beim Träger der Betriebsrente festzusetzen. Dem Versorgungsträger verbleibt wiederum selbst die Möglichkeit alternativ die interne Teilung zu wählen, um Nachteile zu vermeiden.
Eine Abweichung vom Einzelausgleich kommt dann in Betracht, wenn beide Ehepartner beim gleichen Versorgungsträger gleichartige Anrechte erworben haben oder wenn zwischen verschiedenen Versorgungsträgern untereinander entsprechende Vereinbarungen bestehen. Ist dies der Fall, können die bestehenden Anrechte im Wege eines Einmalausgleichs miteinander verrechnet werden.
3. Welche Ansprüche werden beim Ausgleich berücksichtigt und welche nicht?
In den Versorgungsausgleich werden grundsätzlich alle Anrechte einbezogen, die durch während der Ehezeit geleistete Arbeit oder durch Vermögen geschaffen wurden, der Altersvorsorge oder Arbeitsunfähigkeit dienen und auf eine Art Rentenleistung zielen.
Vom Versorgungsausgleich nicht erfasst werden hingegen die Ansprüche mit sog. fehlender Ausgleichsreife (§ 19 VersAusglG).
Anzurechnende Ansprüche
- Gesetzliche Rentenversicherung
- Beamtenversorgung
- Berufsständische Versorgung (z.B. Ärzte, Anwälte, Architekten, Apotheker)
- Betriebliche Altersversorgung
- Private Alters- und Invaliditätsversorgung
Beispiele:
- Erwerbsunfähigkeitsrente
- Riesterrente
- Rürüp-Rente
Nicht anzurechnende Ansprüche
- Anrechte, die noch nicht hinreichend verfestigt sind und deshalb verfallen können (z.B. Betriebsrenten)
- Solche bei denen der Ausgleich für die berechtigte Person unwirtschaftlich wäre
- Anrechte, die bei einem ausländischen, zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Versorgungsträger bestehen
- Private Lebensversicherungen, die auf die Einmalzahlung eines bestimmten Betrages gerichtet sind. Sie werden bei der Scheidung allerdings im Zugewinnausgleich berücksichtigt
Beispiele:
- Kapitallebens- oder Risikolebensversicherung
- Berufsunfähigkeitsversicherung
- Opferrente
- Rente der Berufsgenossenschaft
- Rente aus gesetzlicher Unfallversicherung
- Renten nach dem Bundesentschädigungs-, Lastenausgleichs- oder Bundesversorgungsgesetz
- Mieteinnahmen
- Wertpapierdepots
4. Wann und wo wird der Versorgungsausgleich durchgeführt?
Der Versorgungsausgleich wird im Fall einer Scheidung durch das zuständige Familiengericht, bei dem die Scheidung eingereicht wurde, grundsätzlich von Amts wegen – also „automatisch“ – durchgeführt.
Nach dem früher geltenden sogenannten „Rentnerprivileg“ wurde der Versorgungsausgleich erst zu Rentenbeginn des ausgleichsberechtigten Ehepartners wirksam. Bis zu diesem Zeitpunkt erhielt der Ausgleichspflichtige seine Rentenbezüge ungekürzt. Diese Regelung wurde nach dem seit 2009 geltenden neuen Recht aufgegeben. Der Versorgungsausgleich wird seitdem sofort nach rechtskräftigem Beschluss durchgeführt und die jeweiligen Rentenanwartschaften werden direkt um die Ausgleichsbeträge gekürzt. Die Übertragung der Anrechte erfolgt dann automatisch aufgrund des Gerichtsbeschlusses durch den jeweiligen Versorgungsträger. Die Auswirkungen des Ausgleiches erkennen die Beteiligten bei Renteneintritt durch die gezahlte Rente oder bereits vorher durch standardisierte Rentenermittlungen der Versorgungsträger.
5. Wann kann auf den Versorgungsausgleich verzichtet werden?
6. Was kostet der Versorgungsausgleich?
Die Kosten des Versorgungsausgleichs hängen maßgeblich von der Anzahl der zu berücksichtigenden Posten ab, da die verschiedenen Versorgungsträger jeweils Gebühren für ihren Verwaltungsaufwand berechnen.
Neben den Verwaltungsgebühren entstehen durch den Versorgungsausgleich insbesondere deshalb Kosten, da er den Verfahrenswert der Scheidung insgesamt erhöht, was wiederum Auswirkungen auf die Höhe der Gerichts- und Anwaltskosten bei der Scheidung hat. Der Verfahrenswert des Versorgungsausgleichs beträgt 10 % von drei Nettomonatsgehältern pro berücksichtigtem Anrecht, mindestens aber 1.000 € (§ 50 FamGKG). Sind also z.B. insgesamt drei Anrechte im Versorgungsausgleich zu berücksichtigen, beträgt der Verfahrenswert 30% des dreifachen monatlichen Nettoeinkommens der Eheleute.
Dieser Wert ergibt sich aus der Verdreifachung des Nettoeinkommens (= 16.500 €) multipliziert mit 0,3 wegen der zu veranschlagenden 30% aufgrund dreier Posten.
Um hohe Kosten zu vermeiden, bietet sich eine individuelle Vereinbarung zwischen den Ehepartnern in vielen Fällen an. Ob die Durchführung des Versorgungsausgleichs oder der Abschluss eines Ehevertrages im jeweiligen Fall günstiger ist, hängt insbesondere von den konkret bestehenden Anwartschaften ab und kann am besten durch einen erfahrenen Fachanwalt für Familienrecht beurteilt werden.
7. Was haben die Ehegatten beim Versorgungsausgleich zu tun?
Sobald die Scheidung eingereicht wurde, sendet das Gericht den Beteiligten jeweils einen Fragebogen zum Versorgungsausgleich zu.
Die Eheleute haben dabei Auskunftspflichten gegenüber dem jeweils anderen (§ 4 VersAusglG) und auch gegenüber dem Gericht (§ 220 FamFG). Wichtig sind diese Pflichten insbesondere für den Fall, dass noch eine Scheidungsfolgenvereinbarung abgeschlossen werden soll, da ohne die entsprechenden Auskünfte eine Regelung oder Entscheidung im Versorgungsausgleich nicht getroffen werden kann. Mit einem Ausschluss durch eine Scheidungsfolgenvereinbarung können die einzuholenden Auskünfte entbehrlich werden.
Falls ein Ehegatte die Auskunft verweigert, besteht nach § 220 Abs. 4 FamFG hilfsweise ein Auskunftsrecht gegenüber den beteiligten Versorgungsträgern des jeweils anderen Ehepartners. Zuvor muss allerdings erfolglos Auskunft beim Ehegatten ersucht worden sein. Das Gericht kann den Ehegatten zu den Auskünften durch Verhängung von Ordnungsgeldern oder Ordnungshaft anhalten.
8. Scheidung vor 2009? Ehepartner haben Anspruch auf nachträgliche Abänderung!
Seit der Neuregelung des Versorgungsausgleichs im Jahr 2009 können Ehepartner, deren Scheidung zwischen 1977 und 2009 stattgefunden hat, ihren Versorgungsausgleich der neuen Rechtslage entsprechend nachträglich abändern lassen.
Dies kann in Einzelfällen zu einer deutlichen Rentenerhöhung führen, denn im Rahmen des früheren Versorgungsausgleichs wurden sämtliche Rentenansprüche neben der gesetzlichen Rentenversicherung in einen fiktiven Wert i.S.d. gesetzlichen Rente umgerechnet (sog. „Barwert Verordnung“). Bei dieser Umrechnung gingen Vermögenswerte „verloren“. Der Ehepartner, dem Vermögen auszugleichen war, hat in der Folge weniger Rentenansprüche zugewiesen bekommen als ihm nach dem heutigen Recht zustehen würde.
Paare, bei denen in den alten Versorgungsausgleich neben der gesetzlichen Rentenversicherung noch weitere Posten einbezogen wurden, sollten sich dementsprechend anwaltlich beraten lassen, ob eine Neuberechnung sinnvoll ist.
Auf Antrag beim zuständigen Familiengericht wird dann der Versorgungsausgleich ganz neu berechnet.
9. Verbesserte Mütterrente seit 2014
Auch die seit dem 01.07.2014 gültige sogenannte Mütterrente kann nachträgliche Auswirkungen auf den Versorgungsausgleich haben. Danach können sich alle Mütter oder Väter, deren Kinder vor 1992 geboren wurden, anstatt wie bisher nur ein Jahr insgesamt zwei Jahre Erziehungszeit pro Kind anrechnen lassen.
Bei einem Rentenbeginn vor dem 01.07.2014 wird die Rente dadurch für jedes vor 1992 geborene Kind nachträglich pauschal um einen Entgeltpunkt erhöht. Daher können nun viele bereits geschiedene Ehepartner (meist Väter) eine Neuberechnung des Versorgungsausgleichs beantragen, wenn ihr Ex-Partner infolge der neuen Mütterrente erhöhte Rentenansprüche genießt.
Es sollte daher vor Beantragung einer Neuberechnung genau abgewogen werden, ob sich dies für Sie lohnt.
10. Versorgungsausgleich mit Auslandsbezug
Ausländische Rentenanwartschaften
Bei einer Scheidung in Deutschland ist das zuständige Gericht auch für die Durchführung des Versorgungsausgleichs verantwortlich. Ausländische Anrechte werden dabei zwar nach dem Gesetz grundsätzlich berücksichtigt, können aber in der Regel nicht ausgeglichen werden, da die deutschen Behörden nicht über ausländische Versicherungen verfügen dürfen. Der ausländische Versorgungsträger kann also nicht verpflichtet werden, den Ehegatten in sein Versorgungssystem zu integrieren (interne Teilung) oder ihn auszugleichen (externe Teilung), sodass der Versorgungsausgleich in der Praxis scheitert.
In solchen Fällen wird das Gericht die Anordnung treffen, dass stattdessen ein entsprechender normaler zivilrechtlicher Ausgleich durchgeführt wird. Eventuell bestehende ausländische Anrechte werden also zwischen den Eheleuten selbst privat ausgeglichen.
Der ausgleichsberechtigte Partner trägt dann zwei Risiken:
- Er ist auf die tatsächliche Auszahlung des ausgleichpflichtigen Partners angewiesen. Darin liegt das Risiko, dass dieser seine Finanzen nicht im Griff hat oder unzuverlässig ist.
- Nach dem Tod des ausgleichpflichtigen Partners besteht sein Rentenanspruch nicht mehr, sodass auch der ausgleichberechtigte Partner keine Zahlungen mehr erhält.
Scheidung im Ausland
Wird die Scheidung im Ausland vollzogen bzw. ist sie bereits im Ausland durchgeführt worden, sind auch die ausländischen Gerichte für einen etwaigen Versorgungsausgleich zuständig. Unter bestimmten Umständen kann ein isoliertes Versorgungsausgleichsverfahren aber nachträglich noch nach deutschem Recht stattfinden. Dafür darf kein Versorgungsausgleich durchgeführt worden sein, das ausländische Scheidungsurteil muss rechtskräftig sein und in Deutschland anerkannt werden.
11. Fazit
- Mit dem Versorgungsaugleich sollen die Rentenansprüche der Ehepartner verglichen und anteilig dem Partner mit den niedrigeren Ansprüchen angerechnet werden.
- Einzubeziehen sind alle Anrechte, die durch während der Ehezeit geleistete Arbeit oder durch Vermögen geschaffen wurden, sowie Anwartschaften wie Riester-Rente oder Renten-Lebensversicherung.
- Hat die Ehe mindestens drei Jahre bestanden, wird der Versorgungsausgleich bei Gericht automatisch durchgeführt. Andernfalls ist ein Antrag erforderlich.
- Ein Ausschluss des Versorgungsausgleichs durch die Ehepartner ist mittels Ehevertrags, Scheidungsfolgenvereinbarung oder u.U. sogar noch im Scheidungstermin möglich.