1. Was ist der Versorgungsausgleich?
  2. Wie kann ich auf den Versorgungsausgleich verzichten?
  3. Gründe für einen Verzicht auf den Versorgungsausgleich
  4. Verzicht auf den Versorgungausgleich kann unwirksam sein
  5. Wann entfällt der Versorgungsausgleich ohnehin?
  6. Fazit

1. Was ist der Versorgungsausgleich?

Mit dem Versorgungsausgleich werden die während der Ehe erworbenen Rentenanwartschaften (private, gesetzliche und betriebliche) unter den Ehepartnern ausgeglichen. Arbeitet ein Ehepartner in der Ehe weniger (z.B. wegen der Kindeserziehung), soll er deshalb im Rentenalter nicht schlechter gestellt werden. Die ausgebliebenen Einzahlungen in die Rentenkasse werden durch den Versorgungsausgleich aufgefangen.

Infografik Versorgungsausgleich bei Scheidung

Der Versorgungsausgleich hat mit Blick auf die Rentenansprüche also eine ähnliche Funktion wie der Zugewinnausgleich für das erwirtschaftete Vermögen.

2. Wie kann ich auf den Versorgungsausgleich verzichten?

Der Versorgungsausgleich wird vom Gericht in der Regel „automatisch“ vorbereitet und findet grundsätzlich auch bei einvernehmlichen Scheidungen statt.

Den Ehepartnern steht es allerdings frei, die Scheidungsfolgen anders zu gestalten. Das gilt auch für den Versorgungsausgleich (§ 6 VersAusglG). Dementsprechend ist auch ein Verzicht auf den Versorgungsausgleich möglich.

Folgende Optionen kommen in Betracht:

Verzicht im Ehevertrag

Regelungen zum Versorgungsausgleich können bereits in einem Ehevertrag getroffen werden. Dies ist sowohl bei Eheschließung als auch während einer bestehenden Ehe möglich. Im Ehevertrag ist dann eine entsprechende Klausel aufzunehmen:

Beispiel: „Für den Fall der Scheidung unserer Ehe verzichten wir auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs. Wir nehmen diesen Verzicht wechselseitig an.“

Eine solch knappe Formulierung ist allerdings nicht zu empfehlen. Neben dem Verzicht sollten auch weitere Regelungen getroffen werden. Folgende Themen können beispielsweise angesprochen werden:

  • Wird der Verzicht durch andere Regelungen ausgeglichen (z.B. durch Unterhaltsleistungen oder eine Kapitalzahlung)?
  • Was gilt im Fall einer Änderung der Lebensumstände (z.B. bei Geburt eines Kindes)?
  • Welche Grundannahmen bestanden zur Zeit der Vereinbarung (z.B. kümmert sich einer der Partner um die Kinder, der andere erwirtschaftet das Familieneinkommen)?
  • Gilt der Verzicht für alle Anwartschaften (z.B. Ausschluss nur der gesetzlichen Versorgung, nicht aber der betrieblichen und privaten)?

Des Weiteren ist zu beachten, dass der Verzicht im Ehevertrag nur bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Ehepartner vor einem Notar erfolgen kann (§ 7 Abs. 3 VersAusglG i.V.m. § 1410 BGB). Er muss also (wie jeder Ehevertrag) notariell beurkundet werden.

Die Beteiligung des Notars soll grundsätzlich vor unüberlegten Entscheidungen mit schwerwiegenden Konsequenzen für die Altersversorgung schützen. Der Notar darf allerdings nicht rechtsberatend für eine der Parteien tätig werden. Eine vorherige anwaltliche Beratung ist daher dringend anzuraten. Andernfalls besteht die Gefahr, dass ein Gericht die Vereinbarung später nicht anerkennt.

Wurde eine Regelung zum Versorgungsausgleich im ursprünglichen Ehevertrag noch nicht vereinbart, kann dies nachgeholt werden. Der Verzicht kann auch nachträglich – also während der bestehenden Ehe – erklärt werden. Die Formvorschriften zum Ehevertrag gelten aber auch in diesem Fall. Ein nachträglicher Verzicht ist daher ebenfalls mit Notarkosten verbunden.

Verzicht vor Gericht

Haben die Ehepartner vor der Trennung keine Regelung zum Versorgungsausgleich getroffen, ist ein Verzicht auch noch im Scheidungsverfahren möglich. In diesem Fall müssen allerdings beide Ehepartner im Scheidungstermin anwaltlich vertreten sein. Gerade bei einvernehmlichen Scheidungen, bei der nur eine Partei einen Rechtsanwalt hinzuzieht, ist ein Verzicht im Scheidungstermin also nur möglich, wenn für diesen Termin beide einen Rechtsanwalt mandatieren.

Der Verzicht wird dann im Scheidungstermin protokolliert (§ 7 Abs. 2 VersAusglG, § 127a BGB). Ein Notartermin ist also nicht mehr erforderlich. Stattdessen fallen entsprechende Gerichtsgebühren an (sog. Einigungsgebühr).

Verzicht durch Scheidungsfolgenvereinbarung

Schließlich können die Ehepartner auch im Rahmen einer sog. Scheidungsfolgenvereinbarung auf den Versorgungsausgleich verzichten. Diese Vereinbarung regelt ähnlich wie ein Ehevertrag die Scheidungsfolgen – wird aber erst im Zuge des Scheidungsverfahrens abgeschlossen. Dementsprechend gelten nahezu die gleichen Vorgaben wie für einen Ehevertrag. Insbesondere ist auch hier eine notarielle Beurkundung erforderlich.


3. Gründe für einen Verzicht auf den Versorgungsausgleich

Ob und wann der Verzicht auf den Versorgungsausgleich sinnvoll ist, hängt stark vom Einzelfall ab. Diese Konstellationen kommen z.B. in Betracht:

  • Beide Ehegatten haben bei Ehebeginn schon hinreichend für ihr Alter vorgesorgt. Dazu kommt es häufig insbesondere bei Ehen im vergleichsweise fortgeschrittenen Alter.
  • Ein Ehegatte bringt erhebliches Vermögen in die Ehe ein, das gemeinsam genutzt wird und dem anderen Ehegatten selbst im Falle der Scheidung für die Altersversorgung zugutekäme (z.B. Übertragung eines Anteils an einer Immobilie).
  • Einem der Ehegatten steht eine attraktive betriebliche Altersversorgung zu, die er im Falle der Scheidung nicht teilen möchte. Im Gegenzug wird daher dem anderen Ehegatten eine sofort fällige Kapitalzahlung für die Altersversorgung zugesprochen; der Empfänger muss also nicht erst auf das Rentenalter warten.
  • Der Versorgungsausgleich nimmt viel Zeit in Anspruch und zieht das Scheidungsverfahren in die Länge. Durch einen Verzicht auf den Versorgungsausgleich beschleunigen die Ehegatten die Scheidung erheblich.
Achtung: Wer auf den Versorgungsausgleich verzichtet, geht erhebliche Risiken hinsichtlich seiner Altersversorgung ein. Wir empfehlen vor dieser Entscheidung daher dringend eine fachanwaltliche Beratung.

4. Verzicht auf den Versorgungsausgleich kann unwirksam sein

Grundsätzlich ist es Sache der Ehepartner, ob sie den Versorgungsausgleich durchführen möchten oder nicht. Dennoch unterliegt der Verzicht zumindest einer gewissen Kontrolle durch das Gericht. So sollen die Ehepartner vor falschen Entscheidungen geschützt werden, die im Zweifel einen der Ehepartner vor finanzielle Schwierigkeiten stellt.

Der Verzicht auf den Versorgungsausgleich ist unwirksam, wenn der Ehevertrag sehr einseitig formuliert ist und einer der Ehepartner offensichtlich die Vertragsverhandlungen dominiert hat (BGH, Beschluss vom 08.10.2014 – Az. XII ZB 318/11). Das wird umso mehr angenommen, wenn der benachteiligte Partner bei Vertragsschluss nicht einmal rechtlich beraten wurde.

Ob ein solcher Fall der Sittenwidrigkeit vorliegt, ist stets anhand der Umstände des Einzelfalls zu prüfen. So sind beispielsweise einseitige Verzichtserklärungen in einer Vollverdiener-Ehe eher wirksam als in einer Alleinverdiener-Ehe.

Beispiel 1: F ist vollberuflich tätig. M kümmert sich um die Kindererziehung und ist daher nicht berufstätig. Im Ehevertrag ist geregelt, dass M auf einen Versorgungsausgleich verzichtet. M und F haben außerdem den Zugewinn ausgeschlossen. Daneben enthält der Ehevertrag für M nachteilige Regelungen zum Unterhalt.

Beispiel 2: F und M sind beide berufstätig und haben keine Kinder. Sie leben im Güterstand der Zugewinngemeinschaft. F verdient etwas besser als M. Im Ehevertrag ist geregelt, dass M auf den Versorgungsausgleich verzichtet. Dafür sichert ihm F für den Ernstfall einen höheren Unterhalt zu, als sie voraussichtlich zahlen müsste.

Während im ersten Beispiel die Vereinbarung wohl sittenwidrig ist, ist die Vereinbarung im zweiten Beispiel offensichtlich zulässig. Erhält einer der Ehepartner beispielsweise eine Kompensation für den Verzicht (z.B. Eigentum an einer Immobilie, private Lebensversicherung), spricht dies für die Wirksamkeit des Verzichts.

Achtung: Auch ein zunächst wirksam vereinbarter Verzicht kann sich später als sittenwidrig herausstellen. Das Risiko besteht immer dann, wenn sich die zum Verzichtszeitpunkt vorherrschenden Lebensumstände maßgeblich verändert haben.

Beispiel 3: F und M waren beide berufstätig und haben daher auf den Versorgungsausgleich verzichtet. Später entscheiden sich F und M dazu, dass F ihre Berufstätigkeit aufgibt, um sich um die Kinder zu kümmern. Wegen einer neu auftretenden Erkrankung ist F später auch nicht mehr in der Lage, ihrem eigentlichen Beruf nachzugehen. Der Verzicht auf den Versorgungsausgleich ist in einem solchen Fall in der Regel unwirksam.

5. Wann entfällt der Versorgungsausgleich ohnehin?

In bestimmten Konstellationen entfällt der Versorgungsausgleich schon automatisch aufgrund gesetzlicher Anordnung. Ein Verzicht z.B. in einer Scheidungsfolgenvereinbarung ist dann nicht nötig. Diese Fälle sind relevant:

Kurze Ehe

Bestand die Ehe nicht länger als drei Jahre, ist ein Verzicht auf den Versorgungsausgleich nicht erforderlich. Das Gericht führt den Versorgungsausgleich in diesen Fällen nur auf Antrag durch. Es reicht also aus, wenn keiner der Ehepartner einen Antrag stellt. Dementsprechend fallen auch keine zusätzlichen Kosten für den „Verzicht“ an.

Gleichwertige Ausgleichsansprüche

Auch bei nahezu gleichwertigen Ausgleichsansprüchen soll (!) das Gericht von einem Versorgungsausgleich absehen (§ 18 VersAusglG). Die Ausgleichsansprüche sind gleichwertig, wenn nur eine geringfüge Differenz besteht. Zur Prüfung zieht das Gericht in der Regel die Ehepartner hinzu.

Ist ein rechtssicherer Verzicht auf den Versorgungsausgleich gewollt, sollten sich die Ehepartner auf diese Einstufung des Gerichts allerdings nicht von vornherein verlassen, denn ob die Ausgleichsansprüche tatsächlich gleichwertig sind, wird vielfach anders als erwartet beurteilt. Urteile zur Gleichwertigkeit sind häufig anzutreffen. Eine klare Linie besteht dabei noch nicht. Im Zweifel ist daher zur vorherigen Rechtsberatung zu raten.

Härtefall

Das Gericht kann auch dann vom Versorgungsausgleich absehen, wenn dieser grob unbillig – also ausgesprochen unfair – wäre. In folgenden Fällen ist ein solcher Ausschluss denkbar:

  • Die Eheleute leben schon seit vielen Jahren getrennt und lassen sich erst später scheiden (bspw. haben schon beide Ehegatten neue Partner und sind wieder berufstätig).
  • Schweres Fehlverhalten eines Ehepartners vor der Trennung (gemeint sind schwerwiegende Straftaten gegen den Ehepartner o.ä., nicht aber bspw. ein Ehebruch).
  • Ehepartner hat zwar nur geringe Rentenanwartschaft, aber dafür anderweitig privates Vermögen aufgebaut, dass er wegen Gütertrennung für sich behalten darf.
  • Ein Ehegatte hat nur ausländische Anwartschaften, auf die deutsche Gerichte im Rahmen des Versorgungsausgleichs nicht zugreifen können. Daher müssen diese gesondert per Abfindung ausgeglichen werden, was gelegentlich mit Ausfällen verbunden ist. Gerichte können dann einen Härtefall annehmen.
Die Grenzen zur Sittenwidrigkeit scheinen fließend. Ein Verzicht auf den Versorgungsausgleich sollte daher anwaltlich geprüft werden.

6. Fazit

  • Auf den Versorgungsausgleich kann grundsätzlich verzichtet werden.
  • Der Verzicht kann im Ehevertrag oder durch Erklärung vor Gericht festgehalten werden. Ist die Scheidung bereits in die Wege geleitet, kommt auch die Regelung in einer Scheidungsfolgenvereinbarung in Betracht.
  • Der Verzicht ist grundsätzlich nur wirksam, wenn er notariell beurkundet wird.
  • Die Vereinbarung kann ausnahmsweise wegen Sittenwidrigkeit unwirksam sein, wenn ein Ehegatte massiv benachteiligt wird.
  • In bestimmten Fällen bleibt der Versorgungsausgleich auch ohne Verzicht automatisch aus.