1. Fahrverbot vs Führerscheinentzug: Was ist der Unterschied?

Fahrverbot und Führerscheinentzug werden oft gleichbedeutend verwendet, obwohl sich beide Sanktionen sehr in ihren Auswirkungen unterscheiden:

Fahrverbot

Ein Fahrverbot führt nur zu einem vorübergehenden Entzug der Fahrerlaubnis von maximal sechs Monaten. Nach Ablauf des Fahrverbots erhält der Betroffene seinen Führerschein automatisch zurück, ohne zusätzliche Anforderungen erfüllen zu müssen.

Typischerweise kommt ein Fahrverbot in Betracht bei:

  • Geschwindigkeitsüberschreitungen innerorts um mehr als 30 km/h und außerorts um mehr als 40 km/h
  • wiederholten Geschwindigkeitsüberschreitungen um mehr als 26 km/h innerhalb eines Jahres (inner- und außerorts)
  • wiederholter Handynutzung am Steuer
  • Gefährdung des Straßenverkehrs infolge von Alkohol oder Drogen

Führerscheinentzug

Im Gegensatz zum Fahrverbot erlischt beim Entzug des Führerscheins die Fahrerlaubnis. Um wieder fahren zu dürfen, muss der Betroffene also nach Ablauf der Sperrfrist einen neuen Führerschein beantragen und möglicherweise zusätzliche Auflagen erfüllen, wie z. B. eine Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU).

Ein Führerscheinentzug ist deutlich gravierender als ein Fahrverbot. Diese Maßnahme kann behördlich (§ 3 Abs. 1 S. 1 StVG) oder im Rahmen eines Strafverfahrens (§ 69 StGB) für mindestens sechs Monate angeordnet werden (z. B. bei Unfallflucht oder wiederholtem aggressivem Verhalten im Straßenverkehr).

Relevanz der Unterscheidung für das Arbeitsverhältnis

Die Unterscheidung zwischen Fahrverbot und Führerscheinentzug ist auch für das Arbeitsverhältnis eines Betroffenen von großer Bedeutung:

Ein Fahrverbot ist in der Regel kürzer, weniger einschneidend und kann – wenn der Arbeitnehmer auf sein Auto angewiesen ist – oft durch Urlaub, Homeoffice oder alternative Transportmöglichkeiten überbrückt werden.

Bei einem einmonatigen Fahrverbot kann beispielsweise der Beginn selbst gewählt werden, so dass man den Zeitraum mit den Planungen des Arbeitgebers abstimmen und gezielt Urlaub nehmen kann. Das Fahrverbot muss allerdings spätestens vier Monate nach Rechtskraft des Bußgeldbescheids angetreten werden und Wiederholungstäter haben keine Wahlmöglichkeit.

Ein Führerscheinentzug dauert hingegen meist länger und kann daher schwerwiegendere Folgen für das Arbeitsverhältnis haben.

2. Informationspflichten des Arbeitnehmers

Wenn ein Arbeitnehmer von einem Fahrverbot oder einem Führerscheinentzug betroffen und beruflich auf den Führerschein angewiesen ist (z.B. LKW-Fahrer oder Außendienstler), muss er seinen Arbeitgeber über die drohende Maßnahme informieren.

Um dem Arbeitgeber ausreichend Vorlauf für Umplanungen zu geben, sollte die Information möglichst frühzeitig erfolgen. Am besten also bereits dann, wenn absehbar ist, dass der Führerschein vorübergehend oder dauerhaft einkassiert wird. Spätestens muss der Arbeitgeber nach Erhalt des Bußgeldbescheids oder nach Verkündung des Urteils bzw. Erhalt des Strafbefehls über den bevorstehenden Verlust des Führerscheins informiert werden.

Die Information muss folgende Angaben enthalten:

  • Art der Maßnahme (Fahrverbot oder Führerscheinentzug)
  • Dauer
  • Grund, sofern arbeitsrelevant (z. B. Trunkenheitsfahrt bei Berufskraftfahrern)
  • mögliche Auswirkungen auf die Arbeitstätigkeit
Die Verletzung der Informationspflicht kann arbeitsrechtliche Konsequenzen haben und zur Abmahnung – im Extremfall auch zur verhaltensbedingten Kündigung – führen sowie Schadensersatzansprüche des Arbeitgebers auslösen.
Tipp: Es ist daher im Interesse des Arbeitnehmers, offen und proaktiv mit der Situation umzugehen und im engen Austausch mit dem Arbeitgeber nach einer gemeinsamen Lösung zu suchen. Diese kann z. B. die Bereitschaft sein, sich versetzen zu lassen und andere Tätigkeiten auszuüben oder den Jahresurlaub für die Zeit des Fahrverbots zu nutzen.

3. Ist der Verlust des Führerscheins ein Kündigungsgrund?

Ein Fahrverbot oder der Entzug der Fahrerlaubnis kann für Arbeitnehmer erhebliche arbeitsrechtliche Konsequenzen haben, insbesondere wenn das Führen eines Fahrzeugs wesentlicher Bestandteil der beruflichen Tätigkeit ist.

Ob und wann der Arbeitgeber kündigen kann, hängt im Wesentlichen davon ab, wie sehr der Verlust der Fahrerlaubnis die Erfüllung der arbeitsvertraglichen Pflichten des Arbeitnehmers beeinträchtigt.

Eine Kündigung darf also nicht bereits wegen der Einschränkung der Fahrerlaubnis an sich ausgesprochen werden. Es kommt immer auf die weiteren Umstände des Einzelfalls an.

Im Allgemeinen gilt: Je kürzer das Fahrverbot und je weniger die berufliche Tätigkeit vom Führen eines Kfz abhängt, desto schwerer ist eine Kündigung zu rechtfertigen. Bei einem einmonatigen Fahrverbot ist eine Kündigung daher nur in Ausnahmefällen denkbar (Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 16.8.2011, Az. 5 Sa 295/10). Eine Kündigung kommt auch dann nicht mehr in Frage, wenn der Arbeitgeber bereits eine Abmahnung wegen des Fahrverbots ausgesprochen hat.

4. Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung

Ein Arbeitsverhältnis kann gemäß § 626 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) aus einem wichtigen Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen von Arbeitnehmer und Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zumutbar ist.

Wann ist der Führerscheinentzug ein wichtiger Grund?

Insbesondere bei den folgenden beiden Berufsgruppen kann der Verlust der Fahrerlaubnis einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung darstellen:

  • Berufskraftfahrer: Zum Beispiel LKW- und Busfahrer oder Fahrlehrer sind zwingend auf eine gültige Fahrerlaubnis angewiesen, um die arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit erbringen zu können. In diesen Fällen kann auch ein Verlust des Führerscheins aufgrund einer privaten Trunkenheitsfahrt mit einer Kündigung enden.
  • Mitarbeiter, die zu über 50 % im Außendienst tätig sind: Arbeitnehmer mit überwiegendem Anteil im Außendienst müssen mit einer Kündigung rechnen, wenn sie ihre Haupttätigkeit (z.B. als Kundenbetreuer) ohne Auto nicht ausüben können, etwa bei schwer erreichbaren Kunden im ländlichen Raum.
    Unwirksam wäre eine Kündigung hingegen, wenn die Kunden z.B. auch problemlos mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreicht werden können. Denn wie der Arbeitnehmer zu Außenterminen kommt, ist seine Sache (LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 3.7.2014, 5 Sa 27/14).
Tipp bei Dienstwagen: Wenn eine Dienstwagennutzung nicht im Arbeitsvertrag geregelt ist, spricht das dafür, dass der Arbeitgeber selbst nicht davon ausgeht, dass die Tätigkeit nur mit einem Auto ausführbar ist. Dasselbe gilt, wenn die Nutzung eines Dienstwagens zwar im Arbeitsvertrag geregelt ist, aber auch die Nutzung durch Dritte erlaubt ist, und der Arbeitnehmer sich von einer anderen Person fahren lassen kann. In  solchen Fällen liegt schon kein wichtiger Grund vor.
Will der Arbeitgeber eine fristlose Kündigung aussprechen, muss er schnell handeln: Er hat dafür nur 2 Wochen Zeit, nachdem er vom Verlust des Führerscheins erfahren hat.

Interessenabwägung

Der Arbeitgeber muss vor einer Kündigung die Interessen beider Seiten abwägen und nach zumutbaren Alternativen suchen. Eine Kündigung muss nämlich verhältnismäßig sein und kommt daher immer nur als letztes Mittel in Betracht. Auf ein Verschulden des Arbeitnehmers kommt es dabei nicht an.

In die Interessenabwägung können viele Aspekte einfließen, z.B.:

  • Dauer der Betriebszugehörigkeit
  • Dauer des Fahrverbots bzw. der Sperrzeit beim Führerscheinentzug
  • Maßnahmen des Arbeitnehmers zur Aufhebung der Sperrfrist
  • Versetzungsmöglichkeiten
Eine Kündigung ist nur möglich, wenn der Arbeitnehmer nicht anderweitig – ggf. zu schlechteren Arbeitsbedingungen – im Betrieb eingesetzt werden kann (Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 16.8.1990, Az. 2 AZR 182/90). Für das Fehlen einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit ist der Arbeitgeber in einem Kündigungsschutzprozess darlegungs- und beweispflichtig, d. h. er muss konkret schildern und beweisen, warum der Arbeitnehmer nicht anderweitig einsetzbar ist.

5. Wann kommt eine ordentliche Kündigung in Betracht?

Fehlt es an den Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung, kann der Arbeitgeber ggf. fristgemäß kündigen.

Oft kündigt der Arbeitgeber fristlos und vorsichtshalber zusätzlich mit einer normalen Kündigungsfrist. Dadurch hat der Arbeitgeber die Kündigungsfrist wirksam in Gang gesetzt, wenn das Gericht bei einer Klage feststellt, dass die Gründe für die fristlose Kündigung nicht ausreichen, die ordentliche Kündigung aber zulässig ist.

Es ist in der Rechtsprechung allgemein anerkannt, dass der Verlust der Fahrerlaubnis bei Arbeitnehmern, die einen Führerschein für die Ausübung ihres Jobs benötigen, einen personenbedingten Kündigungsgrund darstellen kann (BAG, Urteil vom 5.6.2008, Az. 2 AZR 984/06).

Eine Kündigung aus personenbedingten Gründen kommt immer dann in Betracht, wenn die Gründe für eine Kündigung nicht in einem Fehlverhalten am Arbeitsplatz beruhen, sondern in der Person des Arbeitnehmers zu suchen sind. Auf ein Verschulden kommt es dabei nicht an. Daher ist auch keine vorherige Abmahnung erforderlich. Entscheidend ist, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung ganz oder teilweise nicht mehr erbringen kann.

Verletzt ein Berufskraftfahrer z.B. mit einer Trunkenheitsfahrt im Dienst seine arbeitsvertraglichen Pflichten, kommt auch eine verhaltensbedingte Kündigung in Frage. Da diese ein schuldhaftes Verhalten des Arbeitnehmers voraussetzt, ist eine vorherige Abmahnung nötig. Davon kann nur abgesehen werden, wenn die Pflichtverletzung des Arbeitnehmers auch eine fristlose Kündigung rechtfertigen würde oder wenn eine Verhaltensänderung des Arbeitnehmers nicht absehbar ist.

Wie bei einer fristlosen Kündigung muss der Arbeitgeber eine umfassende Interessenabwägung vornehmen und insbesondere prüfen, ob der betroffene Arbeitnehmer nicht anderweitig einsetzbar ist.

Achtung Frist: Wird einem Arbeitnehmer wegen des (bevorstehenden) Verlusts des Führerscheins gekündigt, ist eine schnelle Reaktion entscheidend: Innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung muss eine Kündigungsschutzklage eingereicht werden. Andernfalls wird auch eine inhaltlich unzulässige Kündigung wirksam.

Daher sollten betroffene Arbeitnehmer direkt nach Erhalt der Kündigung durch einen Rechtsanwalt für Arbeitsrecht prüfen lassen, ob der Arbeitgeber verklagt werden sollte. Die Chancen für Arbeitnehmer stehen dabei oft gut.

6. Härtefall oder Arbeitgeberbescheinigung: So kann ein Fahrverbot umgangen werden

Ein Fahrverbot soll auf den Betroffenen erzieherisch einwirken und künftige Fehltritte im Straßenverkehr verhindern. Daher ist es nur in Ausnahmefällen möglich, ein behördlich angeordnetes Fahrverbot abzuwenden. Die folgenden Voraussetzungen müssen dafür erfüllt sein:

  • Fristgemäß Einspruch einlegen: Betroffene haben zwei Wochen Zeit, um gegen den Bußgeldbescheid Einspruch zu erheben. Nach Ablauf der Frist wird der Bescheid rechtskräftig und das Fahrverbot kann nicht mehr abgewendet werden.
  • Härtefall darlegen: Ein Fahrverbot kann vermieden werden, wenn ein Härtefall nachgewiesen werden kann. Dazu müssen Betroffene konkret begründen, dass ein Fahrverbot unangemessen wäre. Dies kann u.a. der Fall sein, wenn dem Verkehrssünder bei Fahrverbot eine Kündigung droht oder er in seiner beruflichen Existenz gefährdet wird.

Bei einem nachgewiesenen Härtefall wird anstelle des Fahrverbots das Bußgeld erhöht.

Praxistipp: Es reicht nicht aus darzulegen, dass man auf den Pkw angewiesen ist, um zur Arbeitsstelle zu gelangen, da häufig alternative Verkehrsmittel genutzt werden können. Es muss vielmehr so detailliert wie möglich beschrieben werden, dass ohne Auto z. B. Kundentermine nicht wahrgenommen werden können und daher eine selbständige Tätigkeit nicht aufrechterhalten werden kann, was zu hohen finanziellen Einbußen führt und insgesamt eine völlig unzumutbare Härte darstellen würde. Ein solcher Nachweis gelingt in aller Regel nur in Zusammenarbeit mit einem erfahrenen Rechtsanwalt.
Auch eine Bescheinigung des Arbeitgebers, dass bei einem Fahrverbot eine Kündigung droht, genügt meist nicht zur Begründung eines besonderen Härtefalls. Denn nach der Rechtsprechung liegt eine erhebliche Härte nicht schon dann vor, wenn aufgrund eines Fahrverbots berufliche oder private Nachteile eintreten oder der Betroffene für seinen Job auf ein Auto angewiesen ist. Schwerwiegende Nachteile seien häufig mit einem Fahrverbot verbunden (AG München, Urteil vom 30.7.2015, Az. 943 OWi 417 Js 204821/14). Es müssen noch weitere Umstände hinzutreten, die die Maßnahme im konkreten Einzelfall unzumutbar erscheinen lassen.

Wer nur wenige Punkte in Flensburg hat und sich zum ersten Mal in einer solchen Situation befindet, hat deutlich bessere Chancen als Wiederholungstäter oder Verkehrssünder unter Alkoholeinfluss.

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7. Droht zusätzlich eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld?

Verliert ein Berufskraftfahrer nach einem Führerscheinentzug seinen Job, droht zusätzlich auch noch eine Sperre beim Arbeitslosengeld.

Voraussetzung hierfür ist gemäß § 159 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgesetzbuchs (SGB) III, dass sich der Arbeitnehmer versicherungswidrig verhalten hat, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Ein versicherungswidriges Verhalten liegt u.a. vor, wenn der Arbeitnehmer durch ein Verhalten, das gegen den Arbeitsvertrag verstößt, die Kündigung provoziert und dadurch schuldhaft die eigene Arbeitslosigkeit herbeiführt.

Das Landessozialgericht Baden-Württemberg entschied mit Urteil vom 19.4.2023, Az. L 8 AL 1022/22, dass ein Berufskraftfahrer, der wegen Missachtung der Verkehrsregeln seinen Führerschein verliert, Nebenpflichten aus dem Arbeitsvertrag verletzt und damit für seine Arbeitslosigkeit selbst verantwortlich ist. Dies rechtfertigt eine Sperre beim Arbeitslosengeld.

8. Fazit

  • Ist ein Arbeitnehmer für seinen Job auf eine gültige Fahrerlaubnis angewiesen, muss er seinen Arbeitgeber rechtzeitig über einen drohenden Führerscheinverlust oder ein Fahrverbot informieren.
  • Je kürzer das Fahrverbot und je weniger die Berufstätigkeit von einem Auto abhängt, desto unwahrscheinlicher ist eine Kündigung.
  • Ein Fahrverbot kann nur ausnahmsweise als Härtefall abgewendet werden.
  • Bei Berufskraftfahrern und Arbeitnehmern mit mehr als 50 % Tätigkeit im Außendienst kann der Verlust des Führerscheins zur fristlosen Kündigung führen. In diesen Fällen droht neben der Kündigung auch eine Sperre beim Arbeitslosengeld.
  • Es kann nur innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung eine Kündigungsschutzklage eingereicht werden.