1. Was ist das Nestmodell?
  2. Welche praktischen Umsetzungsmöglichkeiten gibt es?
  3. Welche Vorteile hat das Nestmodell?
  4. Welche Nachteile hat das Nestmodell?
  5. Was ist mit dem Kindesunterhalt?
  6. Lässt sich das Nestmodell gerichtlich erzwingen?
  7. Fazit

1. Was ist das Nestmodell?

Mit dem sogenannten Nestmodell kann das Umgangsrecht mit den Kindern durch die getrennten Eltern geregelt werden. Dabei ist das gemeinsame Familienheim der Ausgangspunkt. Wie der Name schon andeutet, bleiben die Kinder dabei im Nest. Die Eltern dagegen leben abwechselnd bei den Kindern. Sie betreuen und versorgen sie ebenfalls im Wechsel.

Beispiel für das Nestmodell: A und B haben sich getrennt. Sie haben zwei Kinder, mit denen sie bis zur Trennung im Eigenheim gelebt haben. Nun zieht A in eine neue Wohnung, B zu seiner neuen Partnerin. Die Kinder wohnen weiterhin im Eigenheim. Sie werden dabei in jeder A-Woche von A allein betreut und in jeder B-Woche ausschließlich von B. Jeden Sonntag findet dann die kurze Übergabe statt. Einer der beiden Elternteile packt seine Koffer und fährt in sein neues privates Zuhause, während der andere Teil seine Taschen auspackt.

Das Nestmodell ist vom weiter verbreiteten Wechselmodell zu unterscheiden. Entscheidender Unterschied ist, dass beim Nestmodell nicht die Kinder, sondern die Eltern regelmäßig ihre Koffer packen und die Wohnung wechseln.

Beispiel für das Wechselmodell: A und B verkaufen ihr Haus und mieten sich jeweils eine große Wohnung an. Jede zweite Woche leben die Kinder bei A, die andere Woche bei B.

Abzugrenzen ist das Nestmodell außerdem vom früher üblichen Residenzmodell. Nach dieser Variante leben die Kinder mit einem festen Elternteil zusammen. Das kann in einer neuen Wohnung oder auch in der ursprünglichen Ehewohnung sein. Dieser Elternteil übernimmt größtenteils die Erziehung und Betreuung der Kinder. Der andere Elternteil hat nur Besuchskontakt zu ihnen, auch wenn dieser sehr umfangreich sein kann.

Beispiel für das Residenzmodell: A und B entscheiden sich dafür, das Haus zunächst zu behalten. Dabei soll B mit den Kindern im Haus wohnen, A dagegen ausziehen. A sieht die Kinder dafür jedes Wochenende und die Hälfte der Ferien. Alle zwei Wochen kommen auch Unternehmungen unter der Woche hinzu.

2. Welche praktischen Umsetzungsmöglichkeiten gibt es?

Die Umsetzung des Nestmodells erfordert zwingend eine zweite Bleibe für den Elternteil, der gerade nicht die Betreuung vor Ort übernimmt. Das kann insbesondere in der ersten Übergangszeit eine weitere kleine Wohnung sein, die ebenfalls von beiden Elternteilen gemeinsam und abwechselnd genutzt wird.

Mit der Zeit könnte diese Form jedoch zu weiteren Konflikten zwischen den Eltern führen. Alternativen sind dann zwei zusätzliche Wohnungen oder Appartements.

Es erleichtert das Nestmodell, wenn die Elternteile jeweils in Wohnungen ihrer neuen Partner einziehen. Vorteilhaft ist auch, dass keiner der weiteren Wohnorte Platz für die Kinder bieten muss.


3. Welche Vorteile hat das Nestmodell?

Das Nestmodell ist klar kindesorientiert. Die Vorteile liegen in den vergleichsweise geringen Änderungen für die Kinder.

Umgebung der Kinder bleibt unverändert

Sie bleiben in ihrer gewohnten Umgebung, ohne regelmäßiges Pendeln auf sich nehmen zu müssen.

  • Sie können weiterhin denselben Kindergarten oder dieselbe Schule besuchen.
  • Sie treffen die gleichen Freunde.
  • Sie können ohne Ortswechsel ihren Hobbys nachgehen.
Das Wichtigste: Die psychische Belastung der Elterntrennung für den Nachwuchs sinkt. Die Bindung zu beiden Elternteilen bleibt weitestgehend aufrechterhalten.

All dies kann bei den übrigen Modellen anders sein, insbesondere wenn zumindest einer der Wohnorte der Eltern in einer anderen Stadt liegt. Vor allem beim Wechselmodell muss dann geregelt werden, wie der Kindergarten- oder Schulbesuch ausgestaltet wird.

Beide Elternteile nutzen Eigenheim

Sinnvoll ist das Nestmodell auch dann, wenn die Familie bis zur Trennung in einem Eigenheim gelebt hat, welches aus verschiedenen Gründen (noch) nicht verkauft oder vermietet werden kann. Dann wird dieses weiterhin genutzt. Mieten die Partner gemeinsam eine Zweitwohnung an, hält sich der finanzielle Aufwand im Rahmen. Denn auch wenn Kosten für die zusätzliche Wohnung hinzutreten, bleiben diese im unteren Bereich. Meist reicht ein kleines Appartement als privater Lebensraum.

Oft wird so auch Streit darüber vermieden, wer im Familienheim wohnen bleibt.

Ausgeglichene Bindung zu den Eltern

Weitere Vorteile kommen hinzu, wenn man das Nestmodell mit dem klassischen Residenzmodell vergleicht. Im zweiten Fall wird der besuchende Elternteil praktisch aus dem Alltag der Kinder verdrängt. Er wird zur Freizeitbegleitung, während der andere Teil den Erziehungsauftrag allein übernimmt. Kinder verbinden meist automatisch mehr negative Emotionen mit dem erziehenden Elternteil. Die Bindung zu den Eltern wird unausgeglichen.


4. Welche Nachteile hat das Nestmodell?

Ob das Nestmodell sinnvoll ist, hängt stark vom Einzelfall ab. Selbstverständlich sind auch Nachteile zu bedenken:

Höhere Kosten

Auf der Hand liegen natürlich die höheren Kosten, wenn beide Ehegatten jeweils eigene Wohnungen beziehen. Auch wenn meist günstige Wohnungen genügen, sind andere Betreuungsmodelle in einigen Fällen günstiger. Ersparnisse können sich aber dadurch ergeben, dass doppelte Anschaffungen für die Kinder nicht mehr benötigt werden. Denn viele getrennte Eltern, die sich für eins der anderen Modelle entschieden haben, kaufen Kleidung, Spielzeug und Schulutensilien doppelt.

Kaum kompatibel mit Säuglingen

Die Umsetzung des Nestmodells wird hingegen schwierig, wenn ein Kind noch im Säuglingsalter ist. Der Organisationsaufwand für eine optimale Versorgung des Säuglings ist dann größer bzw. sogar gar nicht möglich, wenn das Kind noch gestillt wird.

Kooperationsbereitschaft erforderlich

Ebenso problematisch wird es, wenn die Eltern noch nicht oder nicht mehr kooperieren können und wollen. Das Nestmodell erfordert nämlich besonders intensive Absprachen und Planungen. Dies gilt umso mehr, wenn die Eltern nicht das gemeinsame Sorgerecht haben sollten. Das Nestmodell muss dann nicht zwangsweise ausgeschlossen sein. Es erschwert die Umsetzung aber.

Unterschiedliche Erziehungsstile

Wenn die Erziehungsstile der Eltern stark voneinander abweichen, müssen sich die Kinder regelmäßig auf neue Regeln einstellen.


5. Was ist mit dem Kindesunterhalt?

Mit dem geteilten Umgang geht auch oft die Frage einher, ob und wie viel Kindesunterhalt der andere Ex-Partner zahlen muss. Das richtet sich grob danach,

  • wer wie viel persönliche Betreuung leistet
  • und wer wie viel verdient.

Überwiegt die Betreuung durch den einen Teil, muss der andere dies eventuell mit Geldzahlungen ausgleichen (sogenannter Barunterhalt).

Diese Frage wird beim Nestmodell aber meist nicht ausschlaggebend sein, denn die Betreuungsanteile sind in der Regel gleich hoch.

Barunterhalt kann dann relevant werden, wenn ein Elternteil erheblich weniger Geld zur Verfügung hat als der andere, denn in diesem Fall kann der weniger vermögende Elternteil in seiner Betreuungszeit dem Kind nicht den bekannten Lebensstandard bieten. Das kann sich schon bei einfachen Dingen wie dem Wocheneinkauf auswirken.

Der Streit um den Barunterhalt kann also vermieden werden, wenn der vermögendere Elternteil die notwendigen Anschaffungen selbst leistet. Das kann nach Absprache der Kauf von Kleidung oder auch von Schulmaterialien sein. Alternativ zahlt er monatlich einen bestimmten Betrag an den anderen Elternteil.


6. Lässt sich das Nestmodell gerichtlich erzwingen?

In aller Regel kann und wird kein Gericht ein Umgangsmodell gegen den Willen der Eltern anordnen.

Die Eltern können meist – auch wenn sie getrennt sind – selbst entscheiden, wie sie die Erziehung und Betreuung ausgestalten.

Nur in Ausnahmefällen ordnet das Gericht eine bestimmte Art des Umgangs an. Dies ist immer dann möglich, wenn das Kindeswohl diese Umgangsart erfordert. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat dies für das Wechselmodell bereits entschieden. Betrachtet man das Nestmodell als einen Unterfall des Wechselmodells, so können die Kriterien des BGH für die Bestimmung des Kindeswohls auch hier herangezogen werden. Danach ist zu beurteilen,

  • ob das angestrebte Modell eine sichere Bindung des Kindes zu beiden Elternteilen ermöglicht,
  • welchen Willen das Kind geäußert hat,
  • welche äußeren Rahmenbedingungen wie Nähe der elterlichen Wohnorte und die Erreichbarkeit von Schule sowie Betreuungseinrichtungen vorliegen
  • und ob ausreichende Kooperation und Kommunikation zwischen den Elternteilen zu erwarten ist.
Wichtig: Mit zunehmendem Alter des Kindes wird seine Zustimmung und sein Wille immer ausschlaggebender für die gerichtliche Entscheidung. Die untere Grenze der Gerichte liegt meist beim 13. Lebensjahr.

7. Fazit

  • Beim Nestmodell leben Trennungskinder weiterhin im Familienheim. Die Eltern ziehen wechselnd meist im Wochenrhythmus zu den Kindern.
  • Für die Umsetzung ist mindestens ein weiterer Wohnort nötig. Dieser kann aber auch beim neuen Lebensgefährten sein.
  • Kindesunterhalt wird im Wesentlichen durch die Betreuung vor Ort geleistet. Er kann durch tatsächliche Anschaffungen oder Geldzahlungen ergänzt werden.
  • Eine gerichtliche Anordnung des Modells wird nur im Ausnahmefall erfolgen. Entscheidend ist das Wohl des Kindes.