Bei der Berechnung des Mindestlohns ist oft unklar, welche Lohnbestandteile Einfluss finden – das gilt gerade auch für Sonderzahlungen und Zuschläge. In der arbeitsrechtlichen Praxis sind diesbezügliche Verfahren daher keine Seltenheit: Wir zeigen die aktuelle Rechtsprechung zum Thema und erklären, was nach Maßgabe des Bundesarbeitsgerichtes für Sonderzahlungen gilt.

  1. Was fällt unter Sonderzahlungen?
  2. Wie wirken sich Sonderzahlungen auf den Mindestlohn aus?
  3. Voraussetzungen für die Anrechnung von Sonderzahlungen
  4. Sonderzahlungen im Minijob
  5. Fazit
  6. FAQ

1. Was fällt unter Sonderzahlungen?

Für Arbeitnehmer ist neben dem vertraglich vereinbarten regelmäßigen Arbeitsentgelt auch jede Vergütung von Bedeutung, die vom Arbeitgeber zusätzlich zum laufenden Arbeitslohn gezahlt werden. Diese Vergütungen werden auch als Sonderzahlungen bezeichnet und entweder einmalig gewährt oder zu einem bestimmten Anlass.
Typischerweise zählen zu den Sonderzahlungen:

  • 13. / 14. Monatsgehalt
  • Urlaubsgeld
  • Weihnachtsgeld
  • Provisionen
  • Prämien
  • Boni
  • Neujahrsprämie
  • Gratifikation
  • Tantiemen
  • Gewinnbeteiligung

Sonderzahlungen sind nicht nur arbeitsrechtlich von Bedeutung: Auch steuerrechtlich sind diese relevant – als sogenannte sonstige Bezüge unterliegen auch Sonderzahlungen der Steuer- und Sozialabgabepflicht.

Arbeitsrechtlich stellt sich bei Sonderzahlungen häufig die Frage, ob diese Einfluss auf die Berechnung des Mindestlohns finden – und wenn ja, in welchem Umfang.


2. Wie wirken sich Sonderzahlungen auf den Mindestlohn aus?

Aufgrund der Tragweite der Thematik ist es wenig erstaunlich, dass auch die Arbeitsgerichte jeder Instanz regelmäßig darüber zu entscheiden haben, ob Sonderzahlungen im konkreten Fall in den Mindestlohn eingerechnet werden können. Dies liegt vor allem im Interesse von Arbeitgebern, um die Lücke zum Mindestlohn über Sonderzahlungen zu schließen.

Doch ist das wirklich so einfach?

Weihnachtsgeld

Im Unternehmen wird das Weihnachtsgeld üblicherweise als Jahressonderzahlung mit dem Lohn im November ausgezahlt. Allerdings wird nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) das Weihnachtsgeld nicht auf den Mindestlohn angerechnet, wenn die Zahlung ein- oder zweimal im Jahr erfolgt.

Das ergibt sich auch aus § 2 Abs. (1) Nr. (2) des Mindestlohngesetzes (MiLoG): Hier macht der Gesetzgeber deutlich, dass der gesetzliche Mindestlohn spätestens am letzten Tag des Folgemonats zu zahlen ist – und nicht erst nach Ablauf mehrerer Monate.

Urlaubsgeld

Ganz ähnlich verhält es sich bei der Zahlung von Urlaubsgeld: Auch dieses wird regelmäßig als Sonderzahlung einmal im Jahr ausgezahlt und auch hier greift die o.g. Vorschrift: Wird das Urlaubsgeld lediglich einmal oder zweimal im Jahr ausgezahlt, erfolgt keine Anrechnung der Sonderzahlung auf den Mindestlohn.

Nachtzuschlag

Sind Arbeitnehmer im Schichtdienst tätig und arbeiten daher regelmäßig auch nachts, steht diesen der sogenannte Nachtzuschlag zu. Entscheidend ist dabei, dass der Arbeitnehmer in der Zeit zwischen 23 Uhr und 6 Uhr arbeitet, wobei für Bäcker und Konditoren die Zeit aufgrund der beruflichen Erfordernisse von 22 Uhr bis 5 Uhr maßgeblich ist.

Die Auszahlung des Nachtzuschlags ist in Bezug auf den Mindestlohn ebenfalls nicht anrechenbar: Dies liegt an der Basisberechnung der Höhe des Nachtzuschlags. Aus § 6 Abs. (5) des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) folgt, dass sich der Nachtzuschlag auf Basis des dem Arbeitnehmer zustehenden Bruttoarbeitsentgelt errechnet. Für dieses gilt aber bereits der gesetzliche Mindestlohn nach § 1 MiLoG: Demnach kann der Nachtzuschlag schon kraft Gesetzes keine Berücksichtigung in Form einer Anrechnung finden.

Überstundenzuschläge

Ebenfalls eine Form von Sonderzahlungen sind Überstundenzuschläge, die als eine zusätzliche Vergütung zusammen mit dem vertraglich vereinbarten Stundenlohn ausgezahlt werden, sobald der Arbeitnehmer Überstunden für den Arbeitgeber leistet.

Auch hier fehlt es nach richtiger Einschätzung an den Voraussetzungen, um die Überstundenzuschläge auf den Mindestlohn anzurechnen: Das liegt auch in diesen Fällen daran, dass entgegen der Intention des Mindestlohngesetzes Überstundenzuschläge keine Zahlungen darstellen, die die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers an sich bezahlt.

Leistungszulagen

Ganz ähnlich verhält es sich mit Leistungszulagen wie beispielsweise Schmutz- oder Erschwerniszulagen. Auch hier wird nach richtigem Verständnis nicht die Arbeitsleistung an sich entlohnt – eine Anrechnung der Leistungszulagen auf den Mindestlohn ist somit nicht möglich.


3. Voraussetzungen für die Anrechnung von Sonderzahlungen

Zahlreiche arbeitsrechtliche Auseinandersetzungen haben bereits vor der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts im Mai 2016 vor den zuständigen Gerichten gezeigt, dass bei konsequenter Anwendung der gesetzlichen Vorgaben hohe Anforderungen gelten, wenn Sonderzahlungen auf den Mindestlohn angerechnet werden sollen. Final bestätigt haben das die Richter in Erfurt in einer Entscheidung, in der es um die Frage geht, wann Sonderzahlungen überhaupt Eingang bei der Berechnung des Mindestlohnes finden.

Die BAG-Richter entschieden dazu, dass Sonderzahlungen nicht per se vom Mindestlohnanspruch ausgeschlossen werden können. Damit Zahlungen für den Mindestlohn herangezogen werden können, müssen diese aber tatsächlich eine Gegenleistung für die geleistete Arbeit des Arbeitnehmers darstellen.

Zahlungen des Arbeitgebers, die ohne eine sogenannte Erfüllungswirkung – also nicht als Gegenleistung für geleistete Arbeit – erfolgen, können dagegen nicht bei der Berechnung des Mindestlohnes herangezogen werden. Dies gilt sowohl für Sonderzahlungen wie Weihnachts- oder Urlaubsgeld als auch für Zahlungen, die nach § 6 Abs. (5) ArbZG als Nachtzuschlag zur Auszahlung gelangen.

In Anbetracht der vielen Arbeitnehmer in Deutschland, die lediglich Mindestlohn beziehen, ist das Grundsatzurteil des BAG von großer Relevanz: Sie sind durch das Entscheidung aus Erfurt davor geschützt, dass der Arbeitgeber quasi „durch die Hintertür“ den Mindestlohn umgeht, indem er dazu übergeht, Sonderzahlungen in die Berechnung mit einzubeziehen.

Eine Ausnahme gilt davon nur dann, wenn der Arbeitgeber die Sonderzahlungen nicht ein- oder zweimal im Jahr an den Arbeitnehmer auszahlt, sondern die Auszahlung auf das Jahr verteilt und diese somit monatlich dem Arbeitnehmer zugutekommt.

Wichtig zu wissen: Der Arbeitgeber kann nicht ohne weiteres die Auszahlung einer jährlichen Sonderzahlung auf eine monatliche Auszahlung umstellen. Hierfür bedarf es in jedem Fall der Zustimmung durch den Arbeitnehmer oder einer entsprechenden Klausel im Arbeits- bzw. Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung. Liegt beides nicht vor, bedarf es einer Änderungskündigung – die aufgrund der strengen Vorschriften im Kündigungsrecht regelmäßig einer gerichtlichen Überprüfung nicht standhalten dürfte.

4. Sonderzahlungen im Minijob

Minijobber haben – genauso wie die regulären Arbeitnehmer im Unternehmen – einen gesetzlich garantierten Anspruch auf Zahlung des Mindestlohns.

Auch beim Minijobber finden die oben dargelegten Grundsätze Anwendung: Sonderzahlungen durch den Arbeitgeber haben nur dann Einfluss auf die Berechnung des Mindestlohns, wenn sie nicht nur ein- oder zweimal pro Jahr zur Auszahlung gelangen.

Achtung: Problematisch können sich Sonderzahlungen im Minijob dann auswirken, wenn es um die steuerrechtliche Beurteilung des Minijobbers geht. Hier kann durch das Weihnachts- oder Urlaubsgeld schnell die Minijobgrenze überschritten werden. Dies kann sich auch auf die Sozialversicherung auswirken, denn Sonderzahlungen werden hier auf das regelmäßige monatliche Entgelt angerechnet.

5. Fazit

  • Arbeitgeber sollten Sonderzahlungen wie Urlaubs- oder Weihnachtsgeld gleichmäßig auf die monatlichen Lohnauszahlungen verteilen, damit diese in die Berechnung des Mindestlohns einfließen.
  • Die monatliche Verteilung von Sonderzahlungen kann sowohl über den Tarif- oder Arbeitsvertrag vorgesehen sein als auch über eine entsprechende Betriebsvereinbarung.
  • Werden Sonderzahlungen nur ein- oder zweimal pro Jahr ausgezahlt, können diese nicht für die Berechnung des Mindestlohns herangezogen werden.
  • Ein Wechsel auf die monatliche Auszahlung von Sonderzahlungen ohne entsprechende Regelung ist nur möglich, wenn der Arbeitnehmer und ggf. der Betriebsrat zustimmen.

6. FAQ

Der Arbeitgeber zahlt das Weihnachtsgeld ab sofort monatlich anteilig aus – darf er das?
Kann der Arbeitgeber per Änderungskündigung die Umstellung der Sonderzahlungen durchsetzen?
Gilt das auch fürs Urlaubsgeld?