1. Kann man wegen einer Depression oder psychischen Erkrankung gekündigt werden?

Der Arbeitgeber kann auch bei psychischen Gesundheitsproblemen zum Mittel der Kündigung greifen: Eine Kündigung wegen Krankheit kann auch bei einer psychischen Erkrankung ein zulässiger Kündigungsgrund sein, sofern die strengen Vorgaben der deutschen Rechtsprechung berücksichtigt werden.

Psychische Erkrankungen fallen unter den Oberbegriff der Krankheit, womit man sich im Rahmen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses an die Voraussetzungen für eine personenbedingte Kündigung wegen Krankheit halten muss. In diesem Zusammenhang gibt es unterschiedliche Anforderungen für Langzeiterkrankungen und Kurzzeiterkrankungen, die auf die Kündigung wegen einer psychischen Erkrankung übertragen werden können. Gerade aber, wenn die psychischen Gesundheitsprobleme nicht als Langzeiterkrankung qualifiziert werden können, ergeben sich bei den vier Voraussetzungen für eine personenbedingte Kündigung einige Besonderheiten.

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2. Voraussetzungen für eine rechtmäßige Kündigung

Voraussetzung 1: Negativprognose bezüglich der Gesundheit

Für eine Negativprognose muss die Reduzierung der Arbeitskraft nicht nur temporär gegeben sein, sondern auch in Zukunft weiterbestehen. Besonders bei psychischen Problemen kann eine solche Prognose schon aus moralischen Gründen nicht einfach zu begründen sein.

Für eine negative Prognose kann allerdings sprechen, dass bereits durchgeführte Maßnahmen wie Psychotherapien oder Kuren keinerlei Erfolg gezeigt haben. Auch der Medizinische Dienst Bund oder ein anderer Arzt können feststellen, dass keine Aussicht darauf besteht, dass der Arbeitnehmer seine Pflichten aus dem Arbeitsvertrag weiterhin erfüllen kann.

Die Schwierigkeit besteht darin, dass ein Gutachter bzw. ein Arzt oder der Medizinische Dienst Bund mit Gewissheit bestätigen muss, dass selbst nach langer Therapie in Zukunft keine Erholung zu erwarten wäre.

Im Übrigen stellen die Arbeitsgerichte besonders hohe Anforderungen beim Vorliegen von Depressionen. Sie werten es zu Gunsten des Arbeitnehmers, wenn Stress und sonstige Beeinträchtigungen im Arbeitsumfeld das Krankheitsbild begünstigen oder sogar hervorgerufen haben.

Voraussetzung 2: Betriebliche Abläufe beeinträchtigt

Weiterhin müssen in Folge der Krankheit die betrieblichen Abläufe beeinträchtigt sein oder es muss zu erheblichen wirtschaftlichen Belastungen für das Unternehmen kommen. Der Arbeitgeber trägt hierfür die Beweislast. Bei psychischen Gesundheitsproblemen kann das etwa der Fall sein, wenn der Arbeitnehmer auf Grund der Krankheit die ihm zugeschriebene Tätigkeit nicht mehr zuverlässig und regelmäßig erfüllen kann.

Voraussetzung 3: Kein leidensgerechter Arbeitsplatz möglich

Es muss geprüft werden, ob eine Veränderung der Arbeitssituation des Erkrankten eine Weiterbeschäftigung ermöglichen kann. Besonders bei Depressionen, die durch Stress bedingt sein können, können Teilzeitarbeit, die Versetzung in einen anderen Bereich oder die Vermeidung von Nachtschichten Zusatzbelastungen des Arbeitnehmers reduzieren.

Zudem sollte unter gewissen Voraussetzungen ein Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) durchgeführt werden.

Voraussetzung 4: Interessenabwägung

Schließlich muss im Rahmen einer Betrachtung des Einzelfalls eine Abwägung zwischen den Interessen des Arbeitnehmers und des Arbeitgebers vorgenommen werden. Ergibt die Interessenabwägung, dass die Beeinträchtigung für den Arbeitgeber nicht zumutbar ist, muss er diese nicht hinnehmen und darf das Arbeitsverhältnis beenden.


3. Darf der Arbeitgeber Fragen zur Erkrankung stellen?

Psychisch Kranke möchten häufig nicht über die Art ihrer gesundheitlichen Probleme reden. Deswegen haben Arbeitgeber oftmals überhaupt keinen Einblick darin, ob es sich um ein physisches oder psychisches Leiden handelt, geschweige denn über die konkrete psychische Erkrankung. Eine genauere Kenntnis hierüber kann allerdings für den Arbeitgeber hinsichtlich einer Kündigung und der vorher einzuleitenden Schritte sehr hilfreich sein. In diesem Zusammenhang sollte geklärt werden, wie weit das Fragerecht des Arbeitgebers geht.

Wenn die psychische Erkrankung eine Schwerbehinderung darstellt, gilt eine diesbezügliche Erkundigung durch den Arbeitgeber als Diskriminierung, was die Frage in der Regel unzulässig macht. Da jedoch nicht jedes psychische Gesundheitsproblem als Schwerbehinderung zu qualifizieren ist, kann eine Nachfrage nach dem Gesundheitszustand zulässig sein.

Obwohl allgemein bei psychischen Erkrankungen – wie bei sonstigen Krankheiten – gilt, dass der Arbeitnehmer hierüber keine Auskunft geben muss, existiert hiervon eine Ausnahme beim Vorliegen eines berechtigten Interesses. Ein solches kann bei einer psychischen Erkrankung zum Beispiel gegeben sein, wenn die Art der Beschwerden es dem Arbeitnehmer unmöglich macht, die Arbeitsleistung zu erbringen (zum Beispiel wenn der Beschäftigte viel Kundenkontakt hat und die Krankheit den Umgang mit anderen Menschen erschwert). Kann ein Fragerecht bejaht werden, muss der Arbeitnehmer die Frage auch wahrheitsgemäß beantworten.

4. Was sollte der Arbeitnehmer nach Erhalt einer Kündigung tun?

Angesichts der hohen Anforderungen an die Wirksamkeit der Kündigung kann eine Kündigung wegen einer psychischen Erkrankung oder Depression oftmals durch den Arbeitnehmer erfolgreich angegriffen werden.

Wie bei jeder sonstigen Kündigung kann er nach Zustellung des Kündigungsschreibens mittels einer Kündigungsschutzklage innerhalb von drei Wochen gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorgehen und eine Abfindung erstreiten.

Im Übrigen sollte er sich bei der Bundesagentur für Arbeit arbeitssuchend melden.


5. Alternativen zur Kündigung durch den Arbeitgeber

Wenn der psychisch erkrankte Arbeitnehmer nicht weiter im Betrieb arbeiten möchte – zum Beispiel weil gewisse Gegebenheiten am Arbeitsplatz die Erkrankung verstärken – kommen ein einvernehmlicher Aufhebungsvertrag oder eine Eigenkündigung in Betracht.

Wichtig: Trotz psychischer Gesundheitsprobleme müssen weiterhin die Kriterien der Geschäftsfähigkeit erfüllt werden, da die Beendigung sonst unwirksam sein kann. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitgeber die Geschäftsunfähigkeit kannte. So entschied das Arbeitsgericht Berlin (Urt. v. 19.02.2020 – 60 Ca 15146/17), dass die Kündigung einer äußerlich klar wirkenden Arbeitnehmerin wegen vorübergehender geistiger Störung unwirksam war. Allerdings liegt es am Betroffenen selbst, seine Geschäftsunfähigkeit zu beweisen, z.B. durch ein Sachverständigengutachten.

Aufhebungsvertrag

Ein einvernehmlicher Aufhebungsvertrag ist für beiden Parteien besonders attraktiv, wenn ohnehin bereits eine Kündigung in Erwägung gezogen wird. In diesem Zusammenhang besteht die Möglichkeit, direkt eine Abfindung für den Arbeitnehmer zu verhandeln. Der Vorteil dieser Lösung liegt darin, dass so für beide Parteien das Potential weiterer Auseinandersetzungen minimiert werden kann.

Eigenkündigung

Daneben besteht auch die Möglichkeit, für den Arbeitnehmer unter Beachtung der gesetzlichen Kündigungsfrist jederzeit selbst eine Kündigung einzureichen. In diesem Fall besteht kein Anspruch auf eine Abfindung.

Rechtliche Folgen für den Arbeitnehmer

Wird eine dieser Varianten gewählt, kann hieraus eine Sperrzeit für den Bezug von Arbeitslosengeld ausgelöst und der Arbeitslosengeldanspruch reduziert werden.

Die Sperrzeit kann aber vermieden werden, wenn ein Arzt die Kündigung nahelegt, da die psychische Erkrankung durch die Arbeit selbst verursacht wird. Dieser Nachweis muss der Bundesagentur für Arbeit vorgelegt werden.

Ist der Arbeitnehmer weiterhin krankgeschrieben, sollte zudem geprüft werden, ob noch ein Anspruch auf Krankengeld besteht.


6. Ist eine fristlose Kündigung möglich?

Eine fristlose Kündigung ist nur zulässig, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, der die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ende der gesetzlichen Kündigungsfrist unzumutbar macht.

Da die psychische Erkrankung kein Pflichtverstoß des Arbeitnehmers ist, liegt meistens auch kein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung durch den Arbeitgeber vor. Insbesondere rechtfertigen auch fehlende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen keine fristlose Kündigung.

Liegen also neben der psychischen Erkrankung keine weiteren besonderen Gegebenheiten vor, ist eine fristlose Kündigung durch den Arbeitgeber nicht möglich.

Auch bei einer fristlosen Kündigung durch den Arbeitnehmer wegen einer psychischen Erkrankung oder Depression gelten die allgemeinen hohen Anforderungen. Ein wichtiger Grund kann etwa vorliegen, wenn die Arbeitsbelastung auf Grund der Erkrankung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zumutbar ist. Dies muss durch einen Arzt attestiert werden.


7. Gibt es Unterschiede für Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst?

Das Vorliegen eines Kündigungsgrundes bei einer psychischen Erkrankung orientiert sich an den zuvor genannten Anforderungen für die freie Wirtschaft. Bei Angestellten ab dem 40. Lebensjahr, die bereits 15 Jahre beschäftigt sind, ist eine ordentliche Kündigung allerdings ausgeschlossen. Dann kommt nur noch eine außerordentliche Kündigung in Betracht. An die stellt die Rechtsprechung dann noch höhere Anforderungen bezüglich künftig zu erwartender Fehlzeiten und der Unzumutbarkeit für den Arbeitgeber.

8. Fazit

  • Eine Kündigung wegen einer psychischen Erkrankung ist grundsätzlich möglich. Allerdings stellen Gesetzgeber und Rechtsprechung in diesem Zusammenhang hohe Anforderungen.
  • Insbesondere bezüglich der Feststellung einer negativen Gesundheitsprognose ergeben sich gerade auf Grund der Art einer psychischen Erkrankung große Herausforderungen.
  • Der Arbeitgeber darf sich nur dann über die konkrete Art der psychischen Erkrankung erkundigen, wenn diese es dem Arbeitnehmer unmöglich macht oder es ihm erschwert, die Arbeit zu erbringen.
  • Es existiert auch die Möglichkeit der Vertragsbeendigung durch einen Aufhebungsvertrag oder eine Kündigung durch den Arbeitnehmer. Hierbei ist zu beachten, dass so Nachteile für den Arbeitnehmer entstehen können.