1. Die Verhaltensbedingte Kündigung: Worum geht es?
  2. Voraussetzungen für eine verhaltensbedingte Kündigung
  3. Kann man sich wehren?
  4. Anhörung des Betriebsrats
  5. Video

1. Die Verhaltensbedingte Kündigung: Worum geht es?

Während der Kündigungsgrund bei der betriebsbedingten Kündigung aus der Risikosphäre des Arbeitgebers herrührt, stammt der Kündigungsgrund bei der verhaltensbedingten Kündigung ebenso wie bei der personenbedingten Kündigung aus dem Pflichtenkreis des Arbeitnehmers.

Dieser muss sich also eines konkreten Verstoßes gegen seine arbeitsvertraglich festgelegten Pflichten schuldig gemacht haben. Dabei gehen die Pflichten des Arbeitnehmers über die reine Beachtung der erteilten Arbeitsanweisungen weit hinaus, denn ein Arbeitnehmer ist überdies angehalten, auf die Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen. Hieraus resultieren weitere Sorgfalts- und Loyalitätspflichten des Arbeitnehmers. Er muss beispielsweise pfleglich mit dem Eigentum des Arbeitgebers (z.B. Arbeitsmaterial) umgehen, zudem sollte er den Betriebsablauf nicht schuldhaft stören.

Mit einer verhaltensbedingten Kündigung geht häufig ein Interessenkonflikt zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber einher. So kommt es vor, dass der Arbeitgeber aus einer emotionalen Aufregung heraus eine verhaltensbedingte Kündigung ausspricht, ohne die rechtlichen Voraussetzungen für den wirksamen Ausspruch einer solchen Kündigung im Vorfeld sauber geprüft zu haben. Wegen der heiklen Folgen einer verhaltensbedingten Kündigung für den Arbeitnehmer (Arbeitsplatzverlust, gegebenenfalls Arbeitslosigkeit, Verhängung einer Sperrfrist beim Bezug von Arbeitslosengeld) hat das Bundesarbeitsgericht schon 1961 entschieden, dass bei der Beurteilung, ob ein zur Kündigung berechtigender Grund vorliegt, zu prüfen ist, ob sich im jeweiligen Einzelfall ein ruhig und verständig urteilender Arbeitgeber durch das Fehlverhalten des Arbeitnehmers ebenfalls zur Kündigung veranlasst gesehen hätte (BAG, Urteil vom 02. November 1961, Az: 2 AZR 241/61).

Konsequenz daraus ist, dass in jedem Kündigungssachverhalt geklärt werden muss, ob ein zur Kündigung berechtigender Grund vorlag und ob der Arbeitgeber hierauf angemessen reagiert hat. In diesem Zusammenhang betont das Bundesarbeitsgericht ausdrücklich, dass eine Kündigung immer erst dann in Betracht kommt, wenn es keine anderen geeigneten Mittel gibt, um eine wegen der festgestellten Vertragsverletzung befürchtete zukünftige Vertragsstörung zu beseitigen und zu vermeiden. Als milderes Mittel kommt – von wenigen Ausnahmefällen abgesehen – regelmäßig zunächst der Ausspruch einer Abmahnung in Betracht, die dem Arbeitnehmer sein Fehlverhalten und die Konsequenzen für den Wiederholungsfall aufzeigen soll. Ihm muss die Gelegenheit eingeräumt werden, sich künftig wieder vertragsgerecht zu verhalten, um so eine Kündigung seines Arbeitsverhältnisses zu vermeiden.

Kostenlose Erstberatung bei Kündigung

2. Voraussetzungen für eine verhaltensbedingte Kündigung

Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes

Die Kündigung des Arbeitgebers muss nur dann sozial gerechtfertigt in dem oben kurz dargestellten Sinn sein, wenn das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet. Dies ist der Fall, wenn das kündigende Unternehmen regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt, wobei Teilzeitstellen anteilig berücksichtigt werden. Der Arbeitsvertrag des zu kündigenden Arbeitnehmers muss zudem seit mindestens sechs Monaten Bestand haben. Sofern das Arbeitsverhältnis des zu kündigenden Arbeitnehmers bereits vor dem 31. Dezember 2003 aufgenommen worden ist, müssen zum Kündigungszeitpunkt mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt sein, deren Arbeitsverhältnisse ebenfalls bereits vor dem 31. Dezember 2003 begonnen haben.
Findet das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung, dann kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ohne besonderen Grund kündigen, die Kündigung darf nur nicht aus sachfremden Motiven oder willkürlich erfolgen.
Ist das Kündigungsschutzgesetz anwendbar, so sind die nachfolgenden Voraussetzungen zu prüfen.

Vertragsverletzung

Eine verhaltensbedingte Kündigung kann sowohl dann in Betracht kommen, wenn der Arbeitnehmer gegen seine (primäre) Pflicht zur weisungsgemäßen Arbeitsverrichtung verstößt. Aber auch wenn der Arbeitnehmer gegen seine Rücksichtnahme- und / oder Loyalitätspflichten gegenüber dem Arbeitgeber verstößt, kann dies eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen.

Ein typisches Beispiel für einen verhaltensbedingten Kündigungsgrund ist die Arbeitsverweigerung. Sie ist ein absichtlicher Verstoß gegen die Hauptpflicht des Arbeitsverhältnisses, für die vereinbarte Vergütung weisungsgemäße Arbeit zu erbringen. Gegen diese Pflicht verstößt daher auch, wer berechtigten Arbeitsanweisungen nicht nachkommt oder fälschlicherweise denkt, eine gewisse Tätigkeit nicht übernehmen zu müssen.

Auch das so bezeichnete „Krankfeiern“ und die unerlaubte Selbstbeurlaubung können regelmäßig zu einer verhaltensbedingten, ordentlichen Kündigung führen; je nach Intensität kann hierbei aber auch eine fristlose Kündigung gerechtfertigt sein.

Die Kündigung wegen Krankheit ist übrigens regelmäßig ein Fall für eine personenbedingte Kündigung, da es hierbei in der Regel kein vorwerfbares Verhalten gibt. Anders sieht es aber aus, wenn der Krankgeschriebene durch sein Verhalten während der Krankheit bewusst seinen Heilungserfolg und damit seine frühestmögliche Arbeitsaufnahme gefährdet.

Auch wenn die übrige Arbeit an sich weisungsgemäß abgeleistet wird, kann eine verhaltensbedingte Kündigung in Betracht kommen, wenn gegen sogenannte Nebenleistungspflichten verstoßen wird. Dies ist der Fall, wenn die Interessen des Arbeitgebers anderweitig durch das schuldhafte Verhalten des Arbeitnehmers gestört werden: Zum Beispiel können Rauchen trotz Rauchverbots oder Alkoholkonsum trotz eines entsprechenden Verbotes während der Arbeit ebenso wie die Beschädigung von Firmeneigentum zur Kündigung führen.

Wer darüber hinaus sein Vertrauensverhältnis zum Arbeitgeber untergräbt, indem er ihn tätlich angreift, bestiehlt oder öffentlich beleidigt, kommt mit einer verhaltensbedingten Kündigung meist glimpflich davon. In der Regel droht dafür eine fristlose Entlassung.

Sonderfall der Minderleistung („Low-Performer“)

Es gibt Arbeitnehmer, die nicht so effizient arbeiten wie ihre Kollegen. Hier ist zwischen Können und Wollen zu unterscheiden. Will der Angestellte nicht auf dem Niveau der anderen Mitarbeiter arbeiten, obwohl er hierzu ohne weiteres imstande wäre, kann bei einer deutlich unterdurchschnittlichen Leistung von Arbeitsverweigerung ausgegangen werden. Das ist der Fall, wenn das Produktivitätsniveau des fraglichen Arbeiters das seiner Kollegen um mehr als ein Drittel unterschreitet. Dann kann eine verhaltensbedingte Kündigung gerechtfertigt sein.

Anders liegt der Fall, wenn der Arbeitnehmer nicht besser arbeiten kann. Entweder reichen seine Fähigkeiten oder Qualifikationen nicht aus oder er leidet an einer Krankheit oder Behinderung. In diesem Fall ist der Maßstab wesentlich höher anzusetzen und kann nur in Einzelfällen eine personenbedingte, aber keine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen.

Ausführliche Informationen zum Umgang mit Low-Performern finden Sie in unserem Beitrag zur Kündigung wegen Schlechtleistung.

Abmahnung

In fast allen Fällen der verhaltensbedingten Kündigung ist eine vorherige Abmahnung erforderlich. Immerhin geht es um steuerbare Verhaltensweisen des Arbeitnehmers. Man erwartet von ihm, dass er sein Fehlverhalten ablegt, wenn er auf die Möglichkeit einer Kündigung hingewiesen wird. Eine einmalige Abmahnung wegen eines konkreten Verhaltens reicht im Vorfeld der Kündigung regelmäßig aus. Wichtig ist, dass sich Abmahnung und Kündigung auf das gleiche bzw. ein gleichartiges Verhalten beziehen. Für weitere Fehlverhalten sind jeweils eigenständige Abmahnungen erforderlich.

Als Arbeitgeber sollten Sie darauf achten, das abzumahnende Verhalten und den Zeitpunkt des Fehlverhaltens in einem Schreiben klar zu benennen und dem Arbeitnehmer für den Wiederholungsfall unmissverständlich zu erkennen zu gegeben, dass er mit der Kündigung rechnen muss, sonst ist es nachträglich möglich, eine Abmahnung anzugehen und damit eine Kündigung zu verhindern.

Bei eklatanten Störungen des Vertrauensverhältnisses kann eine Abmahnung ausnahmsweise entbehrlich sein. Das kommt jedoch ausschließlich auf den Einzelfall an.

Außerdem kann eine Abmahnung entbehrlich sein, wenn nach objektiven Gesichtspunkten klar ist, dass sie keinen Effekt auf das Verhalten des Arbeitnehmers hätte oder wenn das Fehlverhalten so schwerwiegend ist, dass der Arbeitnehmer auch ohne Abmahnung zweifelsfrei erkennen kann, dass er hiermit seinen Arbeitsplatz gefährdet. Ob in Betrieben, die nicht dem Kündigungsschutzgesetz unterfallen (Kleinbetriebe nach § 23 KschG), bzw. bei Arbeitsverhältnissen, die nicht länger als sechs Monate bestehen, der Ausspruch einer Abmahnung erforderlich ist, ist umstritten, kann aber in vielen Fällen mit guten Argumenten abgelehnt werden.

Kommt es trotz Abmahnung zu einem weiteren Fehlverhalten, kann der Arbeitgeber – von eher harmlosen Pflichtverstößen des Arbeitnehmers abgesehen, bei denen es einer oder mehrerer weiterer Abmahnungen bedarf – die verhaltensbedingte Kündigung aussprechen. Es muss sich allerdings um das gleiche bzw. ein gleichartiges vertragsverletzendes Verhalten handeln.

Verhältnismäßigkeitsprüfung bzw. Negativprognose

Zuletzt muss der Arbeitgeber abwägen, ob die verhaltensbedingte Kündigung billigenswert und angemessen ist. Diese Interessenabwägung beinhaltet, dass er unter objektivem Maßstab prüft, ob nicht ein milderes Mittel verhindern kann, dass sich das problematische Verhalten in Zukunft wiederholt. Eine solche Prüfung muss in jedem Fall durchgeführt werden, um die Kündigung wegen eines Verhaltens in einer absoluten Ausnahmesituation auszuschließen. Ist jedoch nicht zu erwarten, dass der Arbeitnehmer sein vertragsstörendes Verhalten in Zukunft unterlassen wird, kann der Arbeitgeber im Allgemeinen eine verhaltensbedingte Kündigung aussprechen.

Beispiel für ein milderes Mittel: Die Versetzung eines Mitarbeiters, der mit einem anderen Mitarbeiter verfeindetet ist.

Wichtig ist, dass der Arbeitgeber ausschließlich sachverhaltsbezogene Gründe in die Abwägung einfließen lässt. Arbeitsgerichte verlangen regelmäßig eine Entscheidung, die ein besonnener und verständig urteilender Arbeitgeber auch getroffen hätte. Andernfalls kann eine Kündigung unwirksam sein.

3. Kann man sich gegen eine verhaltensbedingte Kündigung wehren?

Auch gegen eine verhaltensbedingte Kündigung kann man sich regelmäßig wehren. Es gibt eine Reihe von Gründen, warum die verhaltensbedingte Kündigung unwirksam sein kann. Neben den oben genannten Voraussetzungen können auch formale Gründe gegen eine Wirksamkeit sprechen, beispielsweise weil die Kündigung nicht schriftlich (d.h. mündlich, per SMS oder E-Mail) und eindeutig genug erklärt wurde oder der Betriebsrat bzw. die zuständigen Stellen (z.B. bei Schwerbehinderung oder Elternzeit) vorab nicht eingebunden worden sind.

Dazu kommt, dass nicht jeder Kündigungsgrund durch das Arbeitsgericht akzeptiert wird. In jedem Einzelfall einer verhaltensbedingten Kündigung gibt es Anhaltspunkte, die für die Wirksamkeit oder die Unwirksamkeit sprechen. Lassen Sie sich von einem spezialisierten Anwalt für Arbeitsrecht über Ihre Möglichkeiten beraten.
Kann die Kündigung außergerichtlich nicht aus der Welt geschafft werden oder keine Einigung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Abfindungszahlung erzielt werden, können wir für Sie Kündigungsschutzklage vor dem zuständigen Arbeitsgericht erheben. Eine Kündigungsschutzklage muss innerhalb von drei Wochen ab Zugang der Kündigung bei Gericht eingegangen sein, sonst gilt die Kündigung trotz Verstoßes gegen eine oder mehrere der oben aufgeführten Voraussetzungen als wirksam.


4. Anhörung des Betriebsrats

Im Kampf gegen eine verhaltensbedingte Kündigung kann Sie der Betriebsrat unterstützen. Wenn er nicht gemäß § 102 BetrVG im Vorfeld der Kündigung angehört wurde, ist die verhaltensbedingte Kündigung unwirksam. Außerdem soll er dem Arbeitgeber eine Stellungnahme zur Kündigung abgeben. Widerspricht der Betriebsrat der Kündigung aus einem der im Gesetz genannten Gründe, ist der gekündigte Arbeitnehmer nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits bei unveränderten Arbeitsbedingungen weiter zu beschäftigen.


5. Video