1. Betriebsbedingte Kündigung: Was bedeutet das?
  2. Voraussetzungen der betriebsbedingten Kündigung
  3. Kündigungsfrist
  4. Wie kann man sich gegen eine betriebsbedingte Kündigung wehren?
  5. Was kann der Betriebsrat tun?
  6. Abfindung bei betriebsbedingter Kündigung
  7. Fazit

1. Betriebsbedingte Kündigung: Was bedeutet das?

Im deutschen Arbeitsrecht werden typischerweise drei Formen der Kündigung unterschieden:

  1. verhaltensbedingte Kündigung
  2. personenbedingte Kündigung
  3. betriebsbedingte Kündigung

Dabei ist die betriebsbedingte Kündigung die einzige Kündigungsart, bei der der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht aus der Sphäre des Arbeitnehmers, sondern aus der des Arbeitgebers kommt.
Betriebsbedingte Kündigungen sind eine typische Begleiterscheinung von Wirtschafts- oder Absatzkrisen (Stichwort: Personalabbau), können aber auch wegen Umstrukturierung ausgesprochen werden.

2. Voraussetzungen der betriebsbedingten Kündigung

In Unternehmen, in denen das Kündigungsschutzgesetz gilt, ist eine betriebsbedingte Kündigung nur unter strengen Voraussetzungen möglich.

Das Kündigungsschutzgesetz gilt in Unternehmen, die regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigen. Teilzeitkräfte zählen anteilig. Der Arbeitsvertrag des zu kündigenden Arbeitnehmers muss zudem seit mindestens sechs Monaten Bestand haben. Für Arbeitsverträge, die vor dem 31. Dezember 2003 datieren, müssen zum Kündigungszeitpunkt mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt sein, deren Arbeitsverhältnisse ebenfalls bereits vor dem 31. Dezember 2003 begonnen haben.

Formale Anforderungen

Wie bei allen Kündigungen sind auch an die betriebsbedingte Kündigung bestimmte formale Anforderungen zu stellen. Dazu gehört, dass die Kündigung ordnungsgemäß erklärt wird. Eine ordnungsgemäße Kündigungserklärung setzt Schriftform voraus. Eine E-Mail oder ein Telefonanruf genügen nicht.

Dringende betriebliche Erfordernisse

Der Arbeitgeber darf einzelnen Mitarbeitern aus betriebsbedingten Gründen nur kündigen, wenn er einen Grund dafür hat. Der Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers müssen mit anderen Worten dringende betriebliche Erfordernisse entgegenstehen.

Dies gilt es im Wege einer unternehmerischen Entscheidung festzustellen. Die Beweggründe für eine solche Entscheidung können vielfältig sein. Es kann sich sowohl um inner- als auch um außerbetriebliche Gründe handeln (Aufzählung nicht abschließend):

  • schlechte Auftragslage bzw. Auftrags- und Umsatzrückgang
  • Produktionsverlagerung (z.B. durch Standortwechsel)
  • Stilllegung des Betriebs oder einzelner Betriebsteile
  • Betriebsumstrukturierung (z.B. durch Automatisierung)
  • Änderung von Arbeitsabläufen (z.B. um Synergieeffekte zu nutzen)
  • Betriebsübergang
  • Insolvenz

Im Einzelfall bedeutet das einen schwierigen Spagat zwischen den Rechten des Arbeitnehmers und dem Interesse des Arbeitgebers, einen rentablen Betrieb zu führen und dadurch Dauer andere Arbeitsplätze zu sichern.

Dabei ist ein objektiver Maßstab anzulegen. Es sollen nur wirtschaftliche Überlegungen zugrunde gelegt werden, wobei die mit der Kündigung zusammenhängenden betrieblichen Faktoren vollumfänglich zu berücksichtigen sind.

Andernfalls müsste der Arbeitgeber bei Vorliegen der Voraussetzungen eine verhaltens- oder personenbedingte Kündigung in Betracht ziehen.

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Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit

Eine Kündigung aus dringenden betrieblichen Erfordernissen ist nur möglich, wenn – infolge der Umsetzung der unternehmerischen Entscheidung – ein Arbeitsplatz wegfällt oder der Arbeitsplatz dauerhaft nicht mehr benötigt wird und eine Weiterbeschäftigung des zu kündigenden Arbeitnehmers auf einem anderen Arbeitsplatz nicht möglich ist (vgl. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18. Mai 2006, Az: 2 AZR 412/05).

Der Arbeitgeber hat daher zu prüfen, ob er den zu kündigenden Arbeitnehmer nicht an anderer Stelle im Unternehmen einsetzen kann. Dabei muss die freie Stelle selbstverständlich den Qualifikationen und Fähigkeiten des fraglichen Arbeitnehmers entsprechen.

Sind solche Anforderungen in angemessener Zeit mittels einer zumutbaren Umschulung oder Nachqualifizierung erreichbar, hat der Arbeitgeber deren Kosten zu tragen. Inwieweit solche Maßnahmen zumutbar sind, richtet sich nach der Qualifikation des Arbeitnehmers, der Art der Tätigkeit und dem zu tätigenden Aufwand. Das bedeutet konsequenterweise auch, dass in anderen Unternehmensteilen gesucht werden muss (BAG, Urteil vom 18. Oktober 2012, Az: 6 AZR 41/11).

Bei der Suche müssen auch Stellen berücksichtigt werden, die zwischen der Kündigung und dem Ablauf der jeweiligen Kündigungsfrist frei werden. Es besteht jedoch kein Anspruch auf das Angebot einer freien Beförderungsstelle (BAG, Urteil vom 29. März 1990, Az: 2 AZR 369/89).

Sozialauswahl

Vor Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung muss der Arbeitgeber die soziale Schutzbedürftigkeit der zu kündigenden Arbeitnehmer beachten. Um dies zu gewährleisten, erfolgt die Auswahl nach den Regeln der sog. Sozialauswahl.

Achtung: Die Sozialauswahl darf nicht mit dem Sozialplan verwechselt werden. Beim Sozialplan handelt es sich um eine Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat über den Ausgleich oder die Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge einer geplanten Betriebsänderung entstehen.

Durch die Sozialauswahl sollen im Rahmen betriebsbedingter Entlassungen diejenigen Arbeitnehmer ausgewählt werden, die mit Blick auf bestimmte soziale Kriterien am wenigsten schützenswert sind und deshalb konkret eine Kündigung erhalten sollen. Dies hat unter anderem den Hintergrund, dass nach einer Entlassung nicht alle Arbeitnehmer die gleichen Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben. Außerdem gibt es in einigen Unternehmen Arbeitnehmer, die dort bereits seit Jahren oder Jahrzehnten beschäftigt sind und dadurch oftmals viel zu dessen wirtschaftlichem Wachstum beigetragen haben. All dem kann und soll eine soziale Auswahl der zu kündigenden Arbeitnehmer entgegenwirken bzw. mehr Beachtung schenken.

Auswahlkriterien

Bei der Sozialauswahl sind vier Kriterien (ohne Rücksicht auf die Reihenfolge) entscheidend:

  1. Dauer der Betriebszugehörigkeit
  2. Lebensalter
  3. Unterhaltspflichten
  4. Schwerbehinderung

Weitere Kriterien, die es im Rahmen der Sozialauswahl zwingend zu berücksichtigen gilt, gibt es nicht. Ob also ein Arbeitnehmer für eine Stelle zuvor extra seinen Wohnort gewechselt oder auf eine andere Stelle verzichtet hat, spielt bei der Sozialauswahl grundsätzlich ebenso wenig eine Rolle, wie der Umstand, dass Kredite zurückgezahlt werden müssen oder hohe Einschnitte bei der weiteren Lebens- oder Familienplanung zu befürchten sind.

Der Arbeitgeber kann jedoch zusätzliche soziale Kriterien in die endgültige Abwägung und Auswahl einbeziehen, z.B.:

  • besondere Pflegebedürftigkeit von Familienmitgliedern
  • besondere Lasten aus Unterhaltsverpflichtungen, z.B. für arbeitslose Ehepaare
  • besondere Behinderungen, welche einer weiteren Arbeitsvermittlung erheblich entgegenstehen
  • Alleinverdienerschaft
  • Gesundheitszustand
  • andere soziale Härten im Einzelfall

Punktesystem

Das Kündigungsschutzgesetz enthält keine Vorgaben, wie die vier Auswahlkriterien zu gewichten sind. Die Formulierung im Gesetz, dass die Kriterien „ausreichend“ Berücksichtigung finden sollen, eröffnet dem Arbeitgeber jedoch einen gewissen Beurteilungsspielraum. Er kann grundsätzlich ein Konzept entwickeln, in dem die vier Kriterien entsprechend der gesetzlichen Anforderungen berücksichtigt werden.

In der Praxis greifen Arbeitgeber nicht selten auf sog. Punktesysteme zurück (auch bekannt als Punkteschemata, Punktelisten oder Punktetabellen). Auch in Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen können verbindliche Punktesysteme festgeschrieben sein, an die sich der Arbeitgeber dann halten muss.

Die Art und Weise, wie ein Punktesystem konkret ausgestaltet ist, folgt keinen festen Regeln. Gesetzliche Vorschriften gibt es hierzu nicht. Die von der Rechtsprechung zu einzelnen Punktesysteme entwickelten Vorgaben sind immer mit Blick auf das jeweilige Punktesystem zu bewerten.

Das Bundesarbeitsgericht musste im Laufe seiner Rechtsprechung eine Vielzahl von Punktesystemen auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüfen. Dabei entschied es immer über das jeweilige Gesamtkonzept der Punktevergabe.

Das Gericht akzeptierte beispielsweise folgende Konstellationen:

Nach BAG, Urteil vom 18.01.1990 – Az. 2 AZR 357/89

Nach BAG, Urteil vom 23.11.2000 – Az. 2 AZR 533/99

Betriebszugehörigkeit:
1 Punkt je volles Beschäftigungsjahr

Lebensalter:
bis zu 20 Jahren = 0 Punkte
bis zu 30 Jahren = 1 Punkt
bis zu 40 Jahren = 3 Punkte
bis zu 50 Jahren = 6 Punkte
bis zu 57 Jahren = 8 Punkte
über 57 Jahren = 10 Punkte

Unterhaltspflichten:
3 Punkte für Ehegatten; 3 Punkte je Kind

Schwerbehinderung:
k.A.

Nach BAG, Urteil vom 05.12.2002 – Az. 2 AZR 549/01

Betriebszugehörigkeit:
Je Dienstjahr 1 Punkt; ab dem 11. Dienstjahr je 2 Punkte (bis max. zum 55 Lebensjahr, d.h. max. 70 Punkte)

Lebensalter:
Für jedes volle Lebensjahr 1 Punkt (bis max. 55 Punkte)

Unterhaltspflichten:
Je unterhaltsberechtigtem Kind 4 Punkte; verheiratet 8 Punkte

Schwerbehinderung:
50% = 5 Punkte; über 50% je 10% = 1 Punkt

Nach BAG, Urteil vom 06.07.2006 – Az. 2 AZR 443/05

Betriebszugehörigkeit:
Bis zu 10 Jahre = 1,5 Punkte pro Jahr
Ab 11. Jahr = 2 Punkte pro Jahr; maximal 75 Punkte

Lebensalter:
1 Punkt je vollendetem Lebensjahr (höchstens aber 55 Punkte)

Unterhaltspflichten:
5 Punkte je kindergeldberechtigtem Kind und 4 Punkte für verheiratete Arbeitnehmer (maximal 55 Punkte)

Schwerbehinderung: 1 Punkt je 10% Erwerbsminderung

Nach BAG, Urteil vom 06.09.2007 – Az. 2 AZR 387/06

Betriebszugehörigkeit:
1 Punkt je Beschäftigungsjahr

Lebensalter:
1 Punkt je Lebensjahr

Unterhaltspflichten:
Ggü. Ehepartner = 4 Punkte; Ggü. Kind = 2 Punkte

Schwerbehinderung: k.A.

Hinweis: Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass die genannten Beispiele bzw. Entscheidungen nur eine grobe Orientierung für die Rechtmäßigkeit und Ausgewogenheit eines Punktesystems bieten können. Gibt es tatsächliche oder rechtliche Gründe, die gegen die Anwendung eines der aufgezählten Punktesysteme sprechen, so können die Arbeitsgerichte ein Punktesystem, das sich an den o.g. Grundsätzen orientiert, gleichwohl für unzulässig erklären.

Laut Bundesarbeitsgericht ist es unmöglich, „fallübergreifende, schematische Wertungsgesichtspunkte vorzugeben“ (BAG, Urteil vom 05.12.2002 – Az. 2 AZR 549/01).

Durchführung

Die Sozialauswahl erfolgt üblicherweise in drei Schritten:

Schritt 1: Vergleichsgruppe bilden

Zuallererst ist festzustellen, welche Arbeitnehmer auf einer Ebene arbeiten und ob sie miteinander vergleichbar sind. Dies ist der Fall, wenn alle Arbeitnehmer einer „Vergleichsgruppe“ untereinander austauschbar sind. Kann also ein Arbeitnehmer ohne Weiteres die Aufgaben eines anderen und umgekehrt übernehmen, so bilden die beiden eine Vergleichsgruppe.

Schritt 2: Herausnahme bestimmter Arbeitnehmer

Im zweiten Schritt sind Arbeitnehmer zu identifizieren, deren Weiterbeschäftigung – insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Unternehmens – im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Diese sog. Leistungsträger sind sodann von der Sozialauswahl auszunehmen.

Dahinter steht folgender Gedanke: Auch wenn alle Arbeitnehmer einer Vergleichsgruppe miteinander vergleichbar und prinzipiell austauschbar sind, kann es einzelne Angestellte geben, die für den Betrieb von besonderer Bedeutung sind. Auf solche Arbeitnehmer soll ein Betrieb nicht verzichten müssen.

Hinweis: Die Arbeitsgerichte akzeptieren nur in Ausnahmefällen den Ausschluss von Leistungsträgern von der Sozialauswahl.

Schritt 3: Auswahlentscheidung

Nachdem die Vergleichsgruppe feststeht, wird mithilfe der Auswahlkriterien (und ggf. mit dem jeweiligen Punktesystem) ermittelt, welche Arbeitnehmer aus der Vergleichsgruppe am wenigsten schutzbedürftig sind. Wer hat z.B. die wenigsten „Dienstjahre“? Wer hat die wenigsten oder gar keine Unterhaltspflichten? Führt man diesen Prozess mit sämtlichen Personen der Vergleichsgruppe durch, ergibt sich eine Rangliste (im Falle eines Punktesystems nach Punkten), die die Schutzbedürftigkeit der einzelnen Mitarbeiter der Reihe nach widerspiegelt.

Verfahren vor den Arbeitsgerichten

Erhebt der Arbeitnehmer vor einem Arbeitsgericht Kündigungsschutzklage mit dem Verweis auf eine fehlerhafte Sozialauswahl, muss er die Gründe für die Fehlerhaftigkeit im Prozess darlegen und beweisen. Da ihm dies nicht ohne genauere Kenntnis der Hintergründe der Auswahl möglich ist, kann er vom Arbeitgeber Auskunft über die Gründe für die Sozialauswahl und die Namen der in die Auswahl einbezogenen Kollegen verlangen.

Hinweis: Wurde im Rahmen einer Betriebsänderung ein Interessenausgleich erzielt, in dem sich Betriebsrat und Arbeitgeber auf einzelne zu kündigende Arbeitnehmer namentlich geeinigt haben (sog. Namenslisten) so kann die Sozialauswahl vom Gericht regelmäßig nur auf grobe Fahrlässigkeit hin überprüft werden.

3. Kündigungsfrist

Arbeitsverhältnisse sind grundsätzlich ordentlich zu kündigen – also unter Einhaltung der gesetzlichen oder vertraglich vereinbarten Kündigungsfrist. Dies gilt auch bei der betriebsbedingten Kündigung. Eine außerordentliche bzw. fristlose Kündigung ist nur in Ausnahmefällen zulässig.

Praxistipp: Die Rechtsprechung stellt an die Wirksamkeit einer fristlosen betriebsbedingten Kündigung äußerst hohe Anforderungen. Selbst im Falle einer Betriebsschließung aufgrund behördlicher Anordnungen lehnen einige Gerichte die Möglichkeit einer außerordentlichen Kündigung aufgrund des unternehmerischen Risikos ab (so etwa Landesarbeitsgericht Berlin, Urteil vom 17.11.1960 – Az. 15 Ca 53/60).

4. Wie kann man sich gegen eine betriebsbedingte Kündigung wehren?

Gegen eine Kündigung kann man sich immer zur Wehr setzen. Das gilt selbstverständlich auch im Fall der betriebsbedingten Kündigung. Tatsächlich gibt es eine Vielzahl an Gründen, warum eine betriebsbedingte Kündigung unwirksam sein kann. Neben den oben genannten Voraussetzungen können auch formale Gründe gegen eine Wirksamkeit sprechen, beispielsweise weil die zuständigen Stellen (z.B. bei Schwerbehinderung oder Elternzeit) vorab nicht eingebunden worden sind.

Grundsätzlich lohnt es sich immer, vom Arbeitgeber die Mitteilung der Gründe zu verlangen, die zu der getroffenen Sozialauswahl geführt haben. Anschließend müssen Sie beweisen, dass die Kündigung wegen fehlerhaft erfolgter Sozialauswahl sozial ungerechtfertigt war. Dabei hilft Ihnen ein Rechtsanwalt für Arbeitsrecht, der sich auch mit dem Arbeitgeber „auf Augenhöhe“ auseinandersetzen und gegebenenfalls eine Kündigungsschutzklage für Sie vor dem zuständigen Arbeitsgericht erheben kann.

Verbindet der Arbeitgeber seine Kündigung mit einem Abfindungsangebot (dazu gleich mehr), lohnt es sich unter Umständen, nicht gegen die Kündigung gerichtlich vorzugehen. Andernfalls droht nämlich der Verlust des Abfindungsanspruchs. Es kommt daher immer auf den Einzelfall an, weshalb eine qualifizierte Rechtsberatung zu dieser Frage in jedem Fall anzuraten ist.


5. Was kann der Betriebsrat tun?

Im Kampf gegen eine betriebsbedingte Kündigung kann Sie der Betriebsrat Ihres Unternehmens unterstützen. Dieser muss nämlich nach § 102 BetrVG vor der Kündigung angehört werden. Dabei sind ihm die Gründe für die Kündigung und die Kriterien der Sozialauswahl mitzuteilen. Der Betriebsrat gibt daraufhin innerhalb einer Woche eine Empfehlung ab, wobei er der Kündigung auch widersprechen kann.

Das hätte zur Folge, dass der gekündigte Arbeitnehmer nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits bei unveränderten Arbeitsbedingungen weiter zu beschäftigen ist.

Äußert sich der Betriebsrat jedoch nicht, gilt seine Zustimmung als erteilt. Ein Verstoß gegen die Pflicht zur Anhörung kann aber zur Unwirksamkeit der Kündigung führen.


6. Abfindung bei betriebsbedingter Kündigung

Bei einer betriebsbedingten Kündigung haben Arbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen einen gesetzlichen Anspruch auf Abfindung. Die Einzelheiten dazu regelt § 1a Kündigungsschutzgesetz (KSchG).

Voraussetzungen

Das Gesetz verlangt, dass der Arbeitgeber ausdrücklich darauf hinweist, dass die Kündigung auf dringende betriebliche Erfordernisse gestützt ist und der Arbeitnehmer nach Ablauf der Klagefrist für die Kündigungsschutzklage die Abfindung beanspruchen kann.

Hinweis: Der Abfindungsanspruch nach § 1a KSchG ist – zum Leidwesen vieler Arbeitnehmer – vom guten Willen des Arbeitgebers abhängig. Er entsteht nur durch ein freiwilliges Angebot des Arbeitgebers. Fehlt dieses, kann der Arbeitnehmer keinen Anspruch nach § 1a KSchG geltend machen. Eine Abfindung müsste dann auf andere Weise erstritten werden. Dass bei einer Kündigung immer auch automatisch ein (gesetzlicher) Anspruch auf Abfindung besteht, ist ein weit verbreiteter Irrtum.

Die Klagefrist für die Kündigungsschutzklage beträgt drei Wochen. Die Frist beginnt mit Zugang der Kündigung (in der Regel mit Übergabe oder Einwurf in den Briefkasten des Arbeitnehmers). Lässt der Arbeitnehmer diese Frist verstreichen, ohne Klage erhoben zu haben, steht ihm aus dem in dem Kündigungsschreiben enthaltenen Angebot des Arbeitgebers ein Anspruch auf Abfindung wegen betriebsbedingter Kündigung zu.

Achtung: Sobald Klage gegen die Kündigung erhoben ist, erlischt regelmäßig auch das Angebot nach § 1a KSchG. Das gilt selbst bei späterer Rücknahme der Klage oder bei zu spät eingereichter Klage. Im letzten Fall bleibt dem Arbeitnehmer nur, einen Antrag nach § 5 KSchG zu stellen und darauf zu setzen, sich im Prozess einigen zu können.

Höhe der Abfindung

Hat der Arbeitnehmer nicht geklagt und damit das Angebot stillschweigend akzeptiert, kann er vom Arbeitgeber eine Abfindung in Höhe von einem halben Monatsverdienst pro Beschäftigungsjahr im Arbeitsverhältnis fordern. Angebrochene Beschäftigungsjahre werden dabei auf ein volles Jahr aufgerundet, wenn bereits mehr als sechs Monate verstrichen sind.

Als Monatsverdienst ist das Bruttoentgelt zu Grunde zu legen, das dem Arbeitnehmer im letzten Monat vor der Kündigung zusteht. Sonderzahlungen (z.B. Urlaubs- und Weihnachtsgeld oder Zeitzuschläge) müssen dabei anteilig berücksichtigt werden (BAG, Urteil vom 19.06.2007 – Az. 1 AZR 340/06). Auch etwaige Sachleistungen werden erfasst. Ist im Arbeitsvertrag etwa die Überlassung eines Firmenwagens oder einer Dienstwohnung geregelt, wird der Nutzungswert ebenfalls zum Anspruch addiert.

Dazu ein Rechenbeispiel: Ein Arbeitnehmer verdient im Monat 3.000 Euro brutto. Im Oktober wird ihm nach einer Beschäftigungsdauer von drei Jahren und sieben Monaten betriebsbedingt gekündigt. Während seiner Anstellung bekam er jedes Jahr ein Weihnachtsgeld in Höhe von 1.500 Euro ausgezahlt. Die Höhe des Abfindungsanspruchs lässt sich für diesen Fall wie folgt berechnen:

Monatsverdienst 3.000 Euro
125 Euro
Zu berücksichtigender Gesamtbetrag:  

3.125 Euro

Die Formel lautet dementsprechend:

Beschäftigungsjahre (gerundet): Monatsverdienst: Höhe des Abfindungsanspruchs:
4 x 3.125 x 0,5 = 6.250 Euro

Die Erfolgsaussichten einer Kündigungsschutzklage sowie die Höhe einer möglichen Abfindung können Sie mit unserem Kündigungs-Check ermitteln:

Sperrzeit, Steuer und Sozialleistungen

Die Abfindung unterliegt der Einkommenssteuerpflicht und wird nach der sogenannten Ein-Fünftel-Regelung besteuert. Hierbei wird fiktiv so gerechnet, als würde die Abfindungszahlung in fünf Teilbeträge aufgeteilt, die dann fünf Jahre lang an Sie ausbezahlt werden würden.

Die Differenz zwischen der Steuer, die auf das zu versteuernde Einkommen ohne Abfindung zu zahlen wäre, zu der Steuer, die auf das zu versteuernde Einkommen zuzüglich einem Fünftel der Abfindung zu zahlen wäre, wird dann mit fünf multipliziert. Der hiernach errechnete Betrag wird als Lohnsteuer von der Abfindungszahlung einbehalten. Nähere Einzelheiten erfahren Sie bei Ihrem Steuerberater und mit unserem Abfindungsrechner.

Dafür unterliegt die Abfindung nicht der sozialversicherungsrechtlichen Beitragspflicht, wenn sie als Kompensation für den Arbeitsplatzverlust geleistet wird.

Bitte beachten Sie aber nochmals, dass es bei Abfindungsverträgen außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes zu Sperrzeiten oder Kürzungen beim Arbeitslosengeld kommen kann.

7. Fazit

  • Eine betriebsbedingte Kündigung ist nur unter strengen Voraussetzungen möglich.
  • Neben formalen Anforderungen müssen dringende betriebliche Erfordernisse die Kündigung rechtfertigen. Außerdem ist eine betriebliche Kündigung nur möglich, wenn der Arbeitnehmer nicht auf einer anderen Stelle dauerhaft weiterbeschäftigt werden kann.
  • Vor einer betriebsbedingten Kündigung ist zwingend eine sog. Sozialauswahl durchzuführen. Dabei muss der Arbeitgeber das Alter, die Unterhaltspflichten, die Dauer der Betriebszugehörigkeit und ggf. die Schwerbehinderung der betroffenen Arbeitnehmer angemessen berücksichtigen.
  • Der Betriebsrat muss vor jeder betriebsbedingten Kündigung angehört werden.
  • In bestimmten Fällen besteht bei betriebsbedingten Kündigungen ein gesetzlicher Anspruch auf Abfindung von einem halben Monatsverdienst pro Beschäftigungsjahr.