1. Wann ist eine Abmahnung vor einer Kündigung erforderlich?
Mit einer Abmahnung zeigt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer ein Fehlverhalten auf und gibt ihm die Gelegenheit, sein Verhalten zu ändern. Gleichzeitig wird der Arbeitnehmer darauf hingewiesen, dass im Wiederholungsfall arbeitsrechtliche Konsequenzen bis hin zur verhaltensbedingten Kündigung drohen. Eine Abmahnung erfüllt daher neben der Hinweis- und Rügefunktion auch eine Warnfunktion und gibt dem Arbeitnehmer die Möglichkeit, sein Verhalten anzupassen und dadurch seinen Arbeitsplatz zu sichern.
2. In welchen Fällen kann auf eine Abmahnung verzichtet werden?
Eine Abmahnung setzt immer ein Fehlverhalten des Arbeitnehmers voraus, das dieser nach einer Ermahnung durch seinen Arbeitgeber ändern kann.
In den folgenden Fällen ist der Grund für die Kündigung gar kein Fehlverhalten des Arbeitnehmers oder eine Abmahnung ist aus anderen Gründen nicht erforderlich. Der Arbeitgeber darf dann die Kündigung auch ohne eine vorherige Abmahnung unter Einhaltung der vorgesehenen Frist aussprechen:
- Kündigung aus betriebsbedingten Gründen: In diesem Fall erfolgt die Kündigung aus wirtschaftlichen Gründen des Betriebs (z. B. Schließung des Betriebs oder Umstrukturierung), worauf der Arbeitnehmer keinen Einfluss hat.
- Kündigung aus personenbedingten Gründen: Bei personenbedingten Gründen kann der Arbeitnehmer seine vertragliche Arbeitsleistung nicht mehr erbringen aus Gründen, die er zwar zu verantworten hat, die aber nichts mit einem Fehlverhalten am Arbeitsplatz zu tun haben müssen (z. B. Krankheit, Führerscheinentzug bei einem LKW-Fahrer oder Gefängnisstrafe).
- Kündigung im Kleinbetrieb: In Firmen mit 10 oder weniger Mitarbeitern greift das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) nicht. Daher benötigt ein Arbeitgeber für eine Kündigung keinen Kündigungsgrund. Dementsprechend gelten auch die Anforderungen des KSchG an Kündigungen, wie z. B. eine Abmahnung bei verhaltensbedingter Kündigung, nicht.
- Kündigung in der Probezeit: In der Regel enthalten Arbeitsverträge eine Probezeit, die maximal sechs Monate dauern darf. Während dieser Zeit gilt eine verkürzte Kündigungsfrist von nur zwei Wochen. Zudem greift in den ersten sechs Monaten (sogenannte „Wartezeit“) das KSchG nicht, so dass eine Kündigung ohne vorherige Abmahnung erfolgen kann.
- Verdachtskündigung: Eine Verdachtskündigung kann ausgesprochen werden, wenn der Arbeitgeber den dringenden Verdacht hegt, dass der Arbeitnehmer eine schwerwiegende Pflichtverletzung oder Straftat begangen hat. Die Kündigung stützt sich dabei auf das dadurch zerstörte Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer und stellt somit einen Unterfall der personenbedingten Kündigung dar. Eine Abmahnung ist daher nicht erforderlich.
3. Folgen einer unwirksamen Abmahnung
Typische Fehler in Abmahnungen sind:
Falsche oder fehlende Unterschrift
Abmahnungen müssen immer von der zuständigen Person unterschrieben werden. Dies kann der Vorgesetzte oder der Personalverantwortliche sein.
Ungenaue Formulierung
Abmahnungen müssen den Vorwurf so genau wie möglich beschreiben (Datum, Uhrzeit, konkrete Beschreibung des Fehlverhaltens), damit der abgemahnte Mitarbeiter sofort erkennt, welches Verhalten er ändern soll. Pauschale Vorwürfe wie „Sie haben Anweisungen missachtet“ oder „Sie erbringen ständig eine unzuverlässige Arbeitsleistung“ reichen daher nicht aus. Mehrdeutige Formulierungen oder Abmahnungen, die nur mit Hintergrundwissen verständlich sind, führen ebenfalls zur Unwirksamkeit.
Verspätete Abmahnung
Für Abmahnungen gibt es zwar keine verbindliche Frist, allerdings müssen sie in einem gewissen zeitlichen Zusammenhang zum gerügten Fehlverhalten ausgesprochen werden. Je länger der Vorwurf zurückliegt, desto eher nimmt die Warnfunktion der Abmahnung ab. Damit steigt für den Arbeitgeber das Risiko, dass die Abmahnung in einem späteren Kündigungsschutzverfahren als unwirksam bewertet werden wird.
Abmahnung ohne Grund
Abmahnungen sind nur zulässig, wenn der Arbeitnehmer eine Pflicht aus seinem Arbeitsvertrag verletzt hat. Dies ist nicht der Fall, wenn das gerügte Verhalten dessen Privatleben betrifft oder wenn der Arbeitgeber der Sachverhalt unrichtig darstellt.
Abmahnungen für Bagatellen
Abmahnungen müssen immer im Verhältnis zum vorgeworfenen Verhalten stehen. Wenn die Abmahnung übertrieben ist und Kleinigkeiten aufgebauscht werden, kann die Abmahnung als unwirksam betrachtet werden.
Unvollständigkeit
Eine Abmahnung muss drei Elemente enthalten:
- den Hinweis auf die Verletzung vertraglicher Pflichten
- die Aufforderung, das beschriebene Verhalten zu ändern
- die Androhung von Konsequenzen im Wiederholungsfall
Sobald einer dieser Punkte fehlt, ist die Abmahnung unwirksam.
Praxistipp: Nicht alle dieser Fehler sind auf den ersten Blick erkennbar. Daher lohnt es sich, eine Abmahnung von einem erfahrenen Rechtsanwalt für Arbeitsrecht prüfen zu lassen, um einer möglichen späteren Kündigung die Grundlage zu entziehen.
Ein Anwalt kann auch beraten, welches weitere Vorgehen sich anbietet. Grundsätzlich kann der Arbeitnehmer den Betriebsrat – sofern vorhanden – zur Konfliktmoderation hinzuziehen, eine Gegendarstellung zur Personalakte nehmen lassen oder die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte einklagen.
Ein sofortiges Handeln wie bei der Kündigungsschutzklage ist nicht erforderlich, da hier keine dreiwöchige Frist einzuhalten ist.
4. Kann fristlos ohne Abmahnung gekündigt werden?
Fristlose Kündigungen stellen für betroffene Arbeitnehmer einen harten Einschnitt dar und unterliegen daher höheren Anforderungen.
Was ist eine fristlose Kündigung?
Bei einer fristlosen Kündigung kann das Arbeitsverhältnis von beiden Seiten mit sofortiger Wirkung beendet werden, ohne dass Kündigungsfristen berücksichtigt werden müssen. Voraussetzung hierfür ist gemäß § 626 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), dass ein wichtiger Grund vorliegt, der eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar erscheinen lässt.
Eine fristlose Kündigung kommt nur bei schwerwiegenden Pflichtverletzungen als letztes Mittel in Betracht. Grundsätzlich soll dem Arbeitnehmer die Chance gegeben werden, sein Verhalten zu korrigieren, weshalb einer fristlosen Kündigung in der Regel eine oder mehrere Abmahnungen vorausgehen.
Dies ist inzwischen auch bei Vermögensdelikten wie Diebstahl oder Betrug der Fall. Früher galt: Wer stiehlt, wird entlassen – unabhängig von der Schadenshöhe. Arbeitsgerichte entschieden meist zugunsten des Arbeitgebers, da das Vertrauensverhältnis als zerstört galt.
Eine Ausnahme wird jedoch zugelassen seit dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) im sogenannten „Emmely“-Fall: Eine Kassiererin, die 30 Jahre im Unternehmen tätig war, hatte Pfandbons im Wert von 1,30 Euro eingelöst.
Erst in letzter Instanz entschied das BAG, dass eine Kündigung angesichts der langen und beanstandungsfreien Betriebszugehörigkeit und des geringen Schadens unverhältnismäßig war. Eine Abmahnung wäre hier ausreichend gewesen, um das Vertrauen wiederherzustellen (BAG, Urteil vom 10.06.2010, Az. 2 AZR 541/09).
Wann kann der Arbeitgeber auf eine Abmahnung verzichten?
Eine fristlose Kündigung ohne Abmahnung stellt die härteste Maßnahme dar und ist daher an strenge Voraussetzungen gebunden, die immer im Einzelfall zu prüfen sind. Die Zulässigkeit solcher Kündigungen beruht darauf, dass das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer so stark belastet ist, dass dem Arbeitgeber eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zumutbar ist.
Fristlose Kündigungen ohne Abmahnung kommen in den folgenden Fällen in Betracht:
- Diebstahl: In den meisten Fällen ist eine fristlose Kündigung bei Diebstahl ohne Abmahnung zulässig. Nur, wenn besondere Umstände wie im Fall „Emmely“ hinzutreten, muss vor der Kündigung eine Abmahnung ausgesprochen werden.
- Schwere Beleidigung: Gerade bei Beleidigungen spielt der Kontext eine große Rolle. Eine Kündigung nach einer leichteren Beleidigung (auch vom betrieblichen Umgangston abhängig) oder spontanen Äußerungen im Affekt bedarf in der Regel erst einer Abmahnung. Bei besonders schwerwiegenden Beleidigungen kann meist darauf verzichtet werden (z. B. rassistische, sexistische sowie ehrverletzende Äußerungen oder Äußerungen, die dem Ansehen des Unternehmens schaden bzw. das Betriebsklima beeinträchtigen).
- Tätliche Angriffe auf den Arbeitgeber oder Mitarbeiter
- Sexuelle Belästigung
- Schweres Mobbing
- Beharrliche Arbeitsverweigerung
- Schwerer Arbeitszeitbetrug
- Systematischer Spesenbetrug
- Verstoß gegen Wettbewerbsverbote
Was gilt in der Probezeit oder im Kleinbetrieb?
Auch in der Probezeit gilt § 626 BGB, der eine fristlose Kündigung nur bei einem wichtigen Grund erlaubt. Jedoch gibt es hier zwei Erleichterungen für den Arbeitgeber, die eine schnelle Trennung ermöglichen:
- Verkürzte Kündigungsfrist (§ 622 Abs. 3 BGB): Während der Probezeit beträgt die Kündigungsfrist nur zwei Wochen.
- Kein KSchG: Da das KSchG bei Arbeitsverträgen mit einer Laufzeit von weniger als sechs Monaten nicht gilt, kann der Arbeitgeber ohne Angabe eines Grundes ordentlich kündigen. Er muss lediglich die zweiwöchige Frist einhalten und benötigt keine vorherige Abmahnung.
Im Kleinbetrieb gilt das Gleiche: Entweder besteht ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung, oder der Arbeitgeber kann ordentlich und ohne Angabe eines Grundes sowie ohne vorherige Abmahnung kündigen. Allerdings gibt es hier keine verkürzte Kündigungsfrist, sodass das Arbeitsverhältnis erst mit Ablauf der vertraglich vereinbarten Kündigungsfrist endet.
5. Wie kann man gegen eine Kündigung vorgehen?
Arbeitnehmer haben oft gute Chancen, sich erfolgreich mit einer Kündigungsschutzklage gegen eine Kündigung zu wehren, denn viele Kündigungen weisen entweder formale Mängel auf oder sind in inhaltlicher Hinsicht unwirksam.
Beispiele hierfür sind:
- Kündigung oder Abmahnung sind durch eine Person unterschrieben, die dafür nicht zuständig ist
- Fehlende Anhörung des Betriebsrats
- Arbeitgeber versäumt 2-Wochen-Frist bei fristloser Kündigung
- Fehlende Abmahnung
- Fehlender wichtiger Grund bei fristloser Kündigung
Vor Gericht enden viele Fälle in einem Vergleich, der für den Arbeitnehmer meist vorteilhafter ist, als die Kündigung einfach zu akzeptieren. Dabei lässt sich auch bei einer fristlosen Kündigung oft auch eine Abfindung erzielen.
6. Fazit
- Vor einer verhaltensbedingten Kündigung ist in der Regel eine Abmahnung erforderlich. Diese macht das Fehlverhalten deutlich, gibt dem Arbeitnehmer die Chance zur Änderung und warnt vor möglichen Konsequenzen bei Wiederholung.
- Ohne Abmahnung kann ordentlich gekündigt werden aus betriebs- oder personenbedingten Gründen, wenn das Kündigungsschutzgesetz nicht gilt oder bei Verdachtskündigungen.
- Nur bei schweren Pflichtverletzungen wie Diebstahl oder Körperverletzung kann eine fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung gerechtfertigt sein.
- Während der Probezeit oder in Kleinbetrieben gelten für Kündigungen vereinfachte Regelungen.
- Eine Kündigungsschutzklage muss innerhalb von 3 Wochen nach Zugang der Kündigung erhoben werden.