1. Was ist ein Auflösungsantrag?

Stellt das Arbeitsgericht im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses die Unwirksamkeit der Kündigung fest, behält der Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz.

Allerdings ist seine Rückkehr in den Betrieb ihm selbst oder dem Arbeitgeber in manchen Fällen nicht zumutbar. In einer solchen Situation besteht die Möglichkeit, vor dem Arbeitsgericht einen sog. Auflösungsantrag zu stellen.

Mit einem Auflösungsantrag nach den §§ 9 ff. des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) kann trotz Unwirksamkeit der Kündigung die Auflösung des Arbeitsverhältnisses beim Arbeitsgericht beantragt werden.

Wichtig: Die Kündigung muss sozialwidrig sein. Dies ist der Fall, wenn die besonderen Erfordernisse einer personen-, verhaltens– oder betriebsbedingten Kündigung nicht eingehalten sind. Liegt eine sozial gerechtfertigte, aber aus anderen Gründen unwirksame Kündigung vor, so hat das Gericht den Auflösungsantrag abzuweisen.

Letzteres ist etwa anzunehmen, wenn die Kündigung nur an der sachgerechten Anhörung des Betriebsrats gescheitert ist.

Stellt der Arbeitnehmer den Antrag, erklärt das Gericht eine sozialwidrige Kündigung nach § 9 Abs. 1 S. 1 KSchG zwar für unwirksam. Ist dem Arbeitnehmer die weitere Tätigkeit auf seinem Arbeitsplatz allerdings tatsächlich unzumutbar, löst es das Arbeitsverhältnis auf und verurteilt den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung.

Der Auflösungsantrag kann auch vom Arbeitgeber gestellt werden, wenn die Zusammenarbeit für ihn nicht mehr hinnehmbar ist. Das Gericht trifft hier die gleiche Entscheidung. Es beendet das Arbeitsverhältnis und bestimmt die Zahlung einer Abfindung an den Arbeitnehmer.

2. Voraussetzungen eines Auflösungsantrags

Der Auflösungsantrag kann also sowohl vom Arbeitnehmer als auch vom Arbeitgeber gestellt werden. Dabei werden an den Antrag des Arbeitgebers strengere Anforderungen gestellt. Schließlich waren seine Gründe schon nicht ausreichend zur Rechtfertigung der Kündigung. Es soll ihm nun daher nicht durch die Hintertür ermöglicht werden, sich dennoch ohne Weiteres vom Arbeitnehmer zu trennen.

2.1 Auflösungsantrag des Arbeitnehmers

Für den Antrag hat der Arbeitnehmer bis zum Schluss des Kammertermins (mündliche Verhandlung) Zeit. Kommt es noch zu einem Berufungsverfahren vor dem Landesarbeitsgericht, kann er auch hier noch den Antrag bis zur letzten mündlichen Verhandlung stellen. Bis zu diesem Zeitpunkt kann er ebenso – auch ohne Einwilligung des Arbeitgebers – wieder zurückgenommen werden.

Der Auflösungsantrag des Arbeitnehmers ist darüber hinaus zu begründen. Er genügt den Anforderungen, wenn dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zuzumuten ist. Wann die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses dem Arbeitnehmer unzumutbar ist, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab. Jedenfalls aber müssen Bedingungen vorherrschen, die eine weitere Beschäftigung für den Arbeitnehmer auf Dauer unerträglich machen. Diese müssen außerdem im Zusammenhang mit der Kündigung oder dem Kündigungsschutzprozess stehen.

Beispiele:

  • erhebliche Ehrverletzungen des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess (u.a. Mobbing)
  • schikanöses Verhalten nach Ausspruch der Kündigung
  • vertragswidrige unterwertige Beschäftigung des Arbeitnehmers vor der Kündigung
  • Kündigung aus unsachlichen Motiven, zum Beispiel aufgrund der privaten Lebensführung oder der sexuellen Ausrichtung des Arbeitnehmers
  • eine neue Anstellung bei einem anderen Arbeitgeber reicht als Unzumutbarkeitsgrund hingegen nicht aus

Der Arbeitnehmer muss die Tatsachen, die für die Begründung des Auflösungsantrags geltend gemacht werden, darlegen und beweisen.

Im Übrigen kann der Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer sowohl bei einer sozialwidrigen ordentlichen Kündigung als auch nach einer unwirksamen fristlosen Kündigung gestellt werden.

2.2 Auflösungsantrag des Arbeitgebers

Bei einem Auflösungsantrag durch den Arbeitgeber ist von ihm darzulegen, dass „eine den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit mit dem Arbeitnehmer nicht mehr erwartet werden kann“. Auch hier kann der Arbeitgeber den Antrag bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung stellen. Eine Rücknahme ist ebenfalls möglich.

An den Auflösungsgrund stellt das Bundesarbeitsgericht (BAG) sehr strenge Anforderungen. Das folgt aus dem schon erwähnten Grundsatz, dass das Kündigungsschutzgesetz den Arbeitnehmer gerade vor einer Beendigung seines Arbeitsverhältnisses durch eine sozialwidrige Kündigung schützen möchte. Idealvorstellung im Kündigungsschutzgesetz ist der Erhalt des Arbeitsplatztes und nicht etwa die Auszahlung einer Abfindung.

Wie beim Antrag durch den Arbeitnehmer kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an. Das Arbeitsgericht prüft, ob zukünftig eine gedeihliche Zusammenarbeit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber erwartet werden kann. Für die Auflösungsgründe ist die Person des Arbeitnehmers ausschlaggebend.

Nach dem BAG sind Auflösungsgründe

Umstände, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitgeber, die Wertung der Persönlichkeit des Arbeitnehmers, seiner Leistungen oder seiner Eignung für die ihm gestellten Aufgaben, etwa als Vorgesetzter, und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen.

(BAG, Urt. v. 23.02.2010, Az.: 2 AZR 554/08).

Beispiele: 

  • Beleidigungen des Arbeitgebers
  • unsachlicher und aggressiver Umgang mit dem Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozess
  • schwere und andauernde Auseinandersetzungen mit Arbeitskollegen

Es ist zu beachten, dass

„der Arbeitgeber sich zur Begründung eines Auflösungsantrags […] auch auf Gründe berufen kann, auf die er zuvor – erfolglos – die Kündigung gestützt hat. Allerdings muss er im Einzelnen vortragen, weshalb die unzureichenden Kündigungsgründe einer den Betriebszwecken dienlichen weiteren Zusammenarbeit entgegenstehen sollen.“

(BAG, Urt. v. 24.05.2018, Az.: 2 AZR 73/18)

Darüber hinaus ist eine Würdigung der Gesamtumstände unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen vorzunehmen. Maßgeblich ist dabei der jeweilige Betriebszweck. Je nach Betriebszweck kann vom Arbeitnehmer ein unterschiedliches Verhalten verlangt werden.

Beispiel (Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 9.2.1990 – Az.: 1 BvR 717/87):

In der Entscheidung des BVerfG wurde die Auflösung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers einer Kirchengemeinde gebilligt. Die Kirchengemeinde hatte zuvor einen Auflösungsantrag gestellt, weil das „Gemeindepersonal heillos zerstritten“ war. Das BVerfG stellte fest, dass die Kirchengemeinde aufgrund ihres „Betriebszweckes“ auf Glaubwürdigkeit angewiesen sei.

Ebenfalls eine Rolle spielen dabei die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb, die Dauer der Betriebszugehörigkeit sowie die Qualität der bisherigen Zusammenarbeit. Bei einem schon lange im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer sind demnach höhere Anforderungen an den Auflösungsgrund zu stellen.

Für die Tatsachen, die für die Begründung des Auflösungsantrags geltend gemacht werden, trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast.

Der Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses kann vom Arbeitgeber lediglich im Fall einer sozialwidrigen ordentlichen Kündigung gestellt werden. Bei einer außerordentlichen Kündigung besitzt dieses Recht allein der Arbeitnehmer.

2.3 Besonderheiten bei leitenden Angestellten

Stellt der Arbeitgeber den Auflösungsantrag in einem Kündigungsschutzprozess gegen einen leitenden Angestellten, ist ein besonderer Auflösungsgrund ausnahmsweise entbehrlich (§ 14 Abs. 2 S. 2 KSchG iVm § 9 Abs. 1 S. 2 KSchG). Der Grund dafür: Zwischen dem Arbeitgeber und seinem leitenden Angestellten besteht ein besonderes Vertrauensverhältnis. Dies ist infolge des Kündigungsschutzprozesses derart beeinträchtigt, dass eine vertrauensvolle Zusammenarbeit in Zukunft regelmäßig nicht mehr zu erwarten ist.

Im Ergebnis gilt also, dass der Arbeitgeber sich von einem leitenden Angestellten gegen Zahlung einer Abfindung jederzeit trennen kann. Anders als andere Arbeitnehmer kann der leitende Angestellte vor Gericht nicht erzwingen, dass er weiterbeschäftigt wird.

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3. Folgen eines Auflösungsantrags

Ist die Kündigung sozialwidrig und der Auflösungsantrag begründet, löst das Arbeitsgericht das bestehende Arbeitsverhältnis auf und setzt – unabhängig davon, wer Antragsteller ist – die Höhe der Abfindung fest.

3.1 Zeitpunkt der Auflösung

Für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses hat das Gericht den Zeitpunkt zu wählen, zu dem es bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte:

  • Bei einer ordentlichen Kündigung entspricht dies dem letzten Tag der Kündigungsfrist.
  • Im Falle einer außerordentlichen Kündigung legt 13 Abs. 1 S. 4 KSchG fest, dass das Arbeitsverhältnis vom Gericht zu dem Zeitpunkt aufzulösen ist, zu dem die außerordentliche Kündigung ausgesprochen wurde.

3.2 Höhe der Abfindung

Neben der Auflösung verurteilt das Gericht den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung an den Arbeitnehmer. Deren Höhe ist in § 10 KSchG geregelt. Sie kann im Normalfall bis zu zwölf Monatsverdienste betragen. Die Arbeitsgerichte orientieren sich dabei zumeist an folgender Faustformel:

Beschäftigungsjahre des Arbeitnehmers x halbes Bruttomonatsgehalt

Als Monatsverdienst gilt, was dem Arbeitnehmer im letzten Monat seiner Beschäftigung bei unterstellter regelmäßiger Arbeitszeit an Geld und Sachbezügen zusteht.

Bei älteren Arbeitnehmern wird mitunter eine noch höhere Abfindung fällig:

  • Hat der Arbeitnehmer das fünfzigste Lebensjahr vollendet und hat das Arbeitsverhältnis mindestens fünfzehn Jahre bestanden, so beträgt die Abfindung bis zu fünfzehn Monatsverdienste.
  • Hat der Arbeitnehmer das fünfundfünfzigste Lebensjahr vollendet und hat das Arbeitsverhältnis mindestens zwanzig Jahre bestanden, so beträgt die Abfindung bis zu achtzehn Monatsverdienste.

Hat der Beschäftigte allerdings im vom Gericht festgestellten Beendigungszeitpunkt schon die Regelaltersgrenze erreicht, bleibt es bei maximal zwölf Monatsgehältern.

4. Fazit

  • Durch einen Auflösungsantrag erhalten Arbeitnehmer und Arbeitgeber die Gelegenheit, das Arbeitsverhältnis trotz einer gewonnenen Kündigungsschutzklage zu beenden.
  • Stellt der Arbeitnehmer den Antrag, darf ihm eine Weiterbeschäftigung nicht mehr zumutbar sein.
  • Für Auflösungsanträge auf Arbeitgeberseite ist maßgeblich, dass eine den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit mit dem Arbeitnehmer nicht mehr erwartet werden kann.
  • Bei einem begründeten Auflösungsantrag muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Abfindung zahlen.
  • Die Höhe der Abfindung beträgt in der Regel maximal 12 Bruttomonatsgehälter. Bei älteren Arbeitnehmern können bis zu 18 Monatsgehälter fällig werden.